Rechtsfragen sind Machtfragen

Von Günter Hellmich · 13.01.2012
Die künftige Linken-Spitze wird nicht per Mitgliederentscheid bestimmt. Damit soll Dietmar Bartsch, einem Vertreter des ostdeutschen Reformflügels, die Chance auf den Parteivorsitz verbaut werden, kommentiert Günter Hellmich.
Es ist schon merkwürdig: Eigentlich gilt der Ruf nach mehr Basisbeteiligung bei wichtigen Entscheidungen doch als links. Ausgerechnet bei der Partei, die sich "Die Linke" nennt, hat der Geschäftsführende Parteivorstand nun aber jede Form von Mitgliederentscheid über die künftige Parteispitze abgelehnt. Bei einer Kampfabstimmung hatte sich - man höre und staune - der linke Parteiflügel mit seiner Mehrheit durchgesetzt. Damit nicht allzu auffällig wird, dass maßgebliche Kreise der Partei eher ein taktisches Verhältnis zu der von ihnen selbst aufgestellten Forderung nach mehr direkter Demokratie haben, bemühte man eine rein legalistische Argumentation. Das eingeholte Rechtsgutachten eines Juraprofessors, reichte dafür aus, auch jedes Referendum unterhalb der vom Parteiengesetz nicht vorgesehenen Urwahl zu verweigern.

"Rechtsfragen sind Machtfragen" so lautet eine beliebte marxistisch-leninistische Grundsatzdefinition. Lafontaine, Wagenknecht und Gefolgschaft haben sie wiedermal kreativ angewendet. Gysi und Ernst, die in Sachen Mitgliedervotum zunächst anderer Auffassung waren, sind umgekippt. Hintergrund für den neuen Flügelkampf ist weniger die Frage, wie viel Graswurzeldemokratie die Linke verträgt, als der Versuch, Dietmar Bartsch als Vertreter des ostdeutschen Reformflügels die Chance zu verbauen, beim Göttinger Parteitag am 2. und 3. Juni den Parteivorsitz zu übernehmen.

Nachdem der Aufbau der Linken im Westen längst nicht so lief, wie Lafontaine sich das vorstellte, sind die Mehrheitsverhältnisse in der Mitgliedschaft ostdeutsch geprägt. Im Fall eines Referendums könnte Bartsch mit einer Nominierung rechnen. Kommt es erst beim Parteitag selbst zu einer Entscheidung, sieht es möglicherweise ganz anders aus.

Oskar will es wieder wissen, ist der Eindruck aller Beobachter spätestes seit dem Erfurter Parteitag im letzten Jahr. Egal ob er dann tatsächlich selbst seinen Hut in den Ring wirft oder einen Stellvertreter in denselben schickt. Auf dem Parteitag hat Lafontaine das Heft in der Hand. Gut möglich, dass in Göttingen etwas Ähnliches passiert wie 1995 in Mannheim bei der SPD.


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