Rechtsextremismus in Ostdeutschland

Der Hass wächst aus dem Neid

Etwa 200 Anhaenger des Berliner Ablegers rechten Pegida-Bewegung, Baergida, versammelten sich am Montag den 5. Januar 2015 in Berlin zu einer Demonstration gegen eine angebliche Islamisierung Deutschlands und dagegen, dass in 30 Jahren in Deutschland die Sharia herrscht , so der Organisator Karl Schmitt. Bis zu 5.000 Menschen protestierten gegen den rechten Ausmarsch und blockierten bei Regen die Marschroute mehrere Stunden. Die Polizei schaffte es nicht mit koerperlicher Gewalt die Blockade zu beenden, so dass die Rechten nach drei Stunden nach Hause gehen mussten. Die Baergida-Anhaenger feierten dies aber dennoch als Sieg.
Das genaue Gegenteil von weltoffen: "Bärgida"-Demonstration in Berlin © imago/Christian Ditsch
Toralf Staud im Gespräch mit Andre Hatting · 21.09.2016
Die Bundesregierung macht sich Sorgen: Zunehmender Fremdenhass und mehr rechtsextreme Straftaten gefährden die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung in Ostdeutschland. Der Rechtsextremismus-Experte Toralf Staud hat einen neuen Tätertypus entdeckt: den "Nachbarschaftsterroristen".
Angesichts der Zunahme fremdenfeindlicher und rechtsextremistischer Straftaten fürchtet die Bundesregierung inzwischen um den gesellschaftlichen Frieden in Ostdeutschland – und um die wirtschaftliche Entwicklung. Nur wenn die Region weltoffen sei, gebe es hier auch gute Entwicklungschancen: Das ist eine der Botschaften im Jahresbericht zur Deutschen Einheit.
Warum der Fremdenhass sich gerade in Ostdeutschland so verfestigt hat, erläuterte der Journalist, Buchautor und Rechtsextremismus-Experte Toralf Staud im Deutschlandradio Kultur. Wichtigster Punkt wohl: Viele Ostdeutsche fühlten sich noch immer "abgehängt" – und so komme es zu Neid auf Menschen, denen es tatsächlich oder nur vermeintlich besser gehe.
Zwar sei die wirtschaftliche Lage deutlich besser als früher, so Staud – doch die Menschen hätten einfach das Gefühl, zu wenig vom Kuchen abzubekommen.

Stabile rechte Milieus

Die Gewalt gegen Flüchtlinge wird nach wie vor aus rechtsextremen Kreisen heraus verübt – doch die echten Neonazis verlieren an Bedeutung, versuchen laut Staud, bei der AfD oder Pegida anzudocken. Neu sei hingegen der "Nachbarschaftsterrorist": Menschen, die bisher nie rechtsextrem in Erscheinung getreten seien, hätten plötzlich das Gefühl, ihre Gegend gegen Flüchtlinge verteidigen zu müssen und griffen zum Molotowcocktail.
Teilnehmer eines Aufmarsches der rechtsextremen Gruppierung "Der dritte Weg" am 01.05.2015 in Saalfeld (Thüringen)
Teilnehmer eines Aufmarsches der rechtsextremen Gruppierung in Saalfeld (Thüringen): Die Neonazis versuchen, bei AfD oder Pegida anzudocken© picture alliance/dpa/Jens-Ulrich Koch
Zerschlagen könne man die rechten Strukturen nicht so einfach, sagte der Experte. Diese seien seit 1990 gewachsen, in manchen Gegenden gebe es inzwischen ein stabiles rechtes Milieu. Dennoch hätten gesellschaftliche Akteure Möglichkeiten der Gegenwehr, so Staud: Sich positionieren, den Widerstand deutlich machen, die Gegenstrukturen unterstützen.
In Ostdeutschland ist im Verhältnis zur Einwohnerzahl eine besondere Häufung von fremdenfeindlichen und rechtsextremen Übergriffen zu beobachten. Während in Westdeutschland laut dem letzten Verfassungsschutzbericht auf eine Million Einwohner 10,5 rechtsextremistisch motivierte Gewalttaten kommen, sind es in Mecklenburg-Vorpommern fast 59, in Brandenburg knapp 52, in Sachsen fast 50, in Sachsen-Anhalt über 42, in Berlin knapp 38 und in Thüringen 34.
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