Rechtsexperte über Upload-Filter

"Der Urheber schießt sich selber in den Fuß"

Eine Hand hält in Vergrößerungsglas vor die Internetseite des Online-Speicherdienstes Dropbox.
Ist bald Schluss mit Verlinkungen zu fremden Inhalten? © picture alliance / dpa / Armin Weigel
Rechtsexperte Martin Kretschmer im Gespräch mit Dieter Kassel · 20.06.2018
Die EU will das Urheberrecht reformieren und schlägt einen Upload-Filter im Netz vor. Aus Sicht des Rechtsexperten Martin Kretschmer ist das ein gravierender Eingriff, der Innovationen im Netz verhindert.
Am heutigen Mittwoch stimmen im Rechtsausschuss des EU-Parlaments die Abgeordneten im Rahmen einer Neufassung des Urheberrechts auch über Upload-Filter ab. Spricht sich die Mehrheit dafür aus, dann würden sich damit grundlegende Elemente der Netzkultur verändern. Das hätte spürbare Auswirkungen: Selbst harmlose Verlinkungen zu einer externen Website, die User klicken können - etwa von Diensten wie Twitter oder Online-Enzyklopädien zuhauf genutzt - wären nicht mehr möglich, ohne vorher Lizenzen dafür zu erwerben.

Studie zunächst zurückgehalten

Wie ernst die Lage ist, bestätigte Martin Kretschmer, Professor für Immaterialgüterrecht an der Universität Glasgow, im Deutschlandfunk Kultur. Er ist zudem Mitautor einer Studie für die EU in Sachen Urheberrechtsreform. Das Brisante daran: Die Studie wurde zunächst zurückgehalten – da sie dem Entwurf der Kommission eher kritisch gegenüberstand. Erst im vergangenen Dezember wurde der Text veröffentlicht.
Zahlreiche neue Internet-Dienste seien in den letzten zehn Jahren entstanden, viele weitere stünden in den Startlöchern. "Das Ziel der ursprünglichen Regelung der Haftbarkeit war, Innovation zuzulassen. Wenn wir jetzt auf eine Filterstrategie umbauen, werden sich zum einen viele dieser Dienste gar nicht ergeben. Und zweitens werden viele der Handlungen, die wir als Nutzer vornehmen, schwieriger", sagte Kretschmer.

Die Urheber tun sich keinen Gefallen

Das Urheberrecht, das im EU-Parlament verhandelt werde, ziele weniger auf die Verhinderung von terroristischen Inhalten oder anderen kriminellen Handlungen, sondern auf für den Urheber "unerwartetes Verhalten von Konsumenten", erläuterte Kretschmer. Das bedeute aber auch: "Wenn der Urheber diese Tätigkeiten verhindert, schießt er sich auf eine Art selber in den Fuß."
Dies werde zum Beispiel deutlich, wenn es um die Nutzung von altem Archivmaterial, etwa aus den 50er-Jahren oder aus noch früheren Zeiten gehe – "und sich auf einmal zeigt: Ja, da ist etwas Interessantes dran, das könnten wir vielleicht wieder auf den Markt nehmen oder das könnten wir in neue Zusammenhänge stellen. Und wenn das sofort durch einen Filtermechanismus gar nicht mehr auftaucht, wird sozusagen ein Markt geschlossen."

Nicht das Feld Facebook und Co. überlassen

Für besonders bedenklich hält Kretschmer die Aussicht, eine mögliche neue Upload-Überwachungskultur an große und marktmächtige Privatanbieter wie Facebook oder Google zu delegieren. Für die Marktriesen werde es viel einfacher möglich sein, entsprechende Lizenzen zu erwerben als die vielen kleinen Dienste, von denen sich einige zum Teil durch Spenden finanzierten. Die Folgen: Die Nutzer bekämen nur noch das vorgesetzt und könnten nur noch jene externen Links nutzen, die Facebook und Co. dienlich erschienen.
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