Ratzingers Raffael

Von Daniel Stender · 12.01.2011
Michael Triegel hat ein Porträt des Papstes gemalt - im Auftrag der katholischen Kirche und im Stil der Alten Meister. Manche halten den in der DDR geborenen Künstler deshalb für reaktionär. Triegel selbst betrachtet sich als Tabubrecher.
"Das Betschemelchen fehlt. Noch. Naja, was soll ich da sagen? Gut, es ist ein Porträt von Benedikt XVI. Was soll ich denn da sagen? Das ist so schwer."

Natürlich ist es nicht irgendein Bild von Benedikt XVI., vor dem der 42-jährige Maler Michael Triegel steht. Es ist sein Porträt des Papstes, gemalt im Auftrag der katholischen Kirche, gemalt im Stil der Alten Meister. Einer Malweise, die den Leipziger bekannt gemacht hat – als den Mann aus dem atheistischen Osten Deutschlands, der religiöse und mythologische Motive malt. Als wäre er ein Renaissance-Künstler mit manchmal surrealistischen Einflüssen. "Sie sind also mein Raffael", soll Benedikt XVI. gesagt haben, als Triegel Skizzen für das Porträt anfertigte.

"Ein Porträt muss schon versuchen, so nah wie möglich an den Menschen ranzukommen, und ich wollte halt keine Ikone malen, sondern einen 83-jährigen alten Mann, der ein Hochintellektueller ist, der für mich eine ungeheuer interessante, spannende, aber auch ambivalente Figur ist - und das hatte ich eben versucht, in dieses Bild reinzubringen. Ohne also zu schön, ohne nur nett zu sein und ihn als den lächelnden Großvater zu geben."
Im weißen Gewand sitzt der Heilige Vater, wie Triegel ihn nennt, auf einem Stuhl aus rotem Samt vor einem schwarzen Hintergrund. Ein Porträt voller symbolischer Bezüge –die Granatäpfel im Samt des Stuhls stehen für das Blut Christi, das Papier in der Hand des Papstes verweist auf dessen Selbstverständnis als Intellektueller. Besonders wird das Bild aber durch den eindringlichen Blick von Benedikt XVI. Ein Blick, den manche als ängstlich, andere als misstrauisch beschreiben – eine Vieldeutigkeit, die Triegel bewusst offen gelassen hat.

"Heutzutage sind wir so mit Bildern überfrachtet, pausenlos, man verlässt die Wohnung und sieht auf drei nackte Brüste und alles ist von Bildern bestimmt und so wäre auch hier, wo man pausenlos in diese Rolle des Voyeurs gedrängt wird, die Gefahr, wenn das Bild ausgestellt wird, 'Heute gehen wir mal Papst gucken. Ach, da sind die Altersflecken, da sind die Falten.' Und da war es mir schon wichtig, den Blick so intensiv zu machen, dass der Betrachter nicht nur Betrachter des Bildes ist, sondern quasi Betrachteter, dass er einen eben so intensiv anguckt, dass man vielleicht sogar eine Frage lesen kann oder ins Gespräch kommen kann."

In der Renaissance waren Papstporträts ein Politikum – und auch heute malt man das Oberhaupt der katholischen Kirche nicht ungestraft: "Triegel, der Kunst-Reaktionär", urteilte der Spiegel. "Triegel, der Selbstbesessene", befand die FAZ.

"Wenn man von der heutigen Zeit Tabubrüche verlangt, dann denke ich schon, dass ich einige Tabus breche – ich nehme Aufträge an, ich male figürlich, ich male mit zwanzig Lasuren und dann male ich noch im Auftrag den Papst, also mehr Tabus kann man im zeitgenössischen Kunstbetrieb einfach nicht brechen."

Designerbrille, gepflegter Dreitagebart – Michael Triegel wirkt wie ein stilbewusster Privatgelehrter. Einer der gerade zum zweiten Mal "Die Suche nach der verlorenen Zeit" von Marcel Proust liest und der sich, wie er selbst sagt, pausenlos mit Literatur und Musik "füttert".

Die Intellektualität seiner Kunst muss sich Michael Triegel selbst erarbeiten. Geboren 1968 in Erfurt, der Vater Bauingenieur, die Mutter Feinmechanikerin, liegt es nicht gerade nahe, bildender Künstler zu werden:

"Wahrscheinlich war bei beiden auch eine Sehnsucht nach dem anderen da, aber sie haben Kultur und Kunst eher als Bonbon konsumiert, nicht so sehr als Nahrungsmittel, sondern als Sahnehäubchen."

Sein Interesse für christliche und mythologische Kunst, seine Italiensehnsucht sind für Michael Trigel eine Gegenreaktion auf die offizielle Kunstdoktrin im Arbeiter- und Bauernstaat. Die schmähte die Kultur des Bürgertums als rückschrittlich – und machte sie so für ihn umso anziehender. Genauso anziehend wie die Religion selbst, die für Triegel eine immer unerfüllte Sehnsucht bedeutet.

"Ich bin ja nach wie vor ungetauft und das arme Heidenkind. Aber ich habe eine ungeheure Sehnsucht, ich hätte gern einen Glauben und ich suche pausenlos danach und denke, vielleicht ist dann alles gut, wenn Du einen Glauben hättest, ich glaub nicht, dass es so wäre, aber diese Sehnsucht ist immer da."

Aber Biografie ist nicht entscheidend, sagt Triegel – auch wenn er in seinen Bildern sich selbst à la Dürer oder auch seine Frau als Medea malt – im Grunde geht es nicht um ihn oder seine Familie, sondern um die Bilder selbst. Schließlich kenne man von manchem großen Meister nicht einmal den Namen und in 500 Jahren sei die Biografie von Michael Triegel doch nebensächlich. Dass er in ferner Zukunft noch rezipiert werden wird, davon geht Triegel aus. Natürlich.

"Was denn sonst? Und wenn ich von vornherein sagen würde 'Die Alten waren so groß' und 'Wer bin ich denn?', dann bräuchte ich auch nicht zum Pinsel greifen. Ob das alles erreichbar ist und ob man nicht scheitern kann, das ist eine andere Frage. Natürlich kann man scheitern, aber dann wenigstens in dem Versuch, das, was man sich wünscht, erreicht zu haben."