"Rasse"-Begriff

Ist die italienische Verfassung veraltet?

Luftballons in den Nationalfarben Italiens sind zwischen Statuen nahe der Piazza del Popolo in Rom (Italien) zu sehen.
Luftballons in den Nationalfarben Italiens sind zwischen Statuen nahe der Piazza del Popolo in Rom (Italien) zu sehen. © Lena Klimkeit, dpa picture-alliance
Thomas Migge im Gespräch mit Sigrid Brinkmann · 18.09.2017
Immer öfter operieren rechte Parteien in Italien mit "Rasse", um Zuwanderer und Flüchtlinge zu diffamieren. Deshalb fordern namhafte Wissenschaftler, den Begriff "Rasse" aus der Verfassung zu streichen. Mit guten Chancen, meint der Journalist Thomas Migge.
Wie das deutsche Grundgesetz enthält auch Artikel 3 der italienischen Verfassung den Gleichheitsgrundsatz. Doch in der italienischen Verfassung ist in diesem Zusammenhang immer noch von "Rasse" die Rede: Dort heißt es, alle Menschen seien gleich, egal welcher Rasse sie angehören.
Eine Gruppe von Wissenschaftlern fordert jetzt, das Wort "Rasse" aus der Verfassung zu streichen. Der Journalist Thomas Migge sieht den Grund für diese Forderung darin, dass rechte Parteien in Italien in den letzten Jahren den Begriff "Rasse" immer häufiger benutzten.

Italienische Rechte gegen die "schwarze Rasse"

"Das sind Parteien wie die Lega Nord – immerhin eine Partei, die eine große Aussicht hat, im kommenden Jahr zusammen mit Silvio Berlusconi die Regierung zu übernehmen", sagte Migge im Deutschlandfunk Kultur. "Es ist aber auch eine Vielzahl neofaschistischer Gruppierungen und ultrarechter Parteien, die seit der großen Flüchtlingswelle nach Italien wie Pilze aus dem Boden schießen und den Begriff der Rasse benutzen und damit die 'schwarze Rasse' vor allen Dingen meinen, die Italien überschwappe und die für Vergewaltigungen, Einbrüche und andere Gewalt sorgen würde."

Weitverbreitetes Ignorantentum

Allerdings benutzten auch Linksdemokraten den Begriff, so Migge weiter. Zum Beispiel habe der Gouverneur von Kampanien neulich von der "Rasse der Schwarzen" gesprochen. "Und keiner hat sich darüber aufgeregt, wie überhaupt in den Medien kein großes Entsetzen vorzufinden ist, wenn Begriffe wie schwarze Rasse oder Rasse benutzt werden."
Dahinter steht laut Migge allerdings nicht unbedingt Rassimus. "Im Ganzen wird der Begriff einfach so genutzt, ohne darüber viel zu reflektieren, und das ist eher ein weitverbreitetes Ignorantentum als eine direkte Zustimmung."
Der Initiative der Wissenschaftler räumt Migge gute Chancen ein - jedenfalls so lange die Linksdemokraten regierten und eine parlamentarische Mehrheit hätten.
(uko)
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