Rappen für die Zukunft

Von Friederike Schulz · 04.01.2010
Wovon träumt die Jugend im Ruhrgebiet? Wie will die nächste Generation leben, wie arbeiten? Auf diesen Fragen baut das Projekt "Next Generation" auf. Ein Jahr lang entwerfen Jugendliche aus vier Städten in zehn sogenannten Zukunftshäusern ihre Visionen für die Metropole.
"So, alles klar. Dann startet mal und unterhaltet uns bitte …"

Omid Pouryousefi zieht den Regler am Mischpult auf, nickt den Jungs seiner Band zu, die sich im Halbkreis aufgestellt haben. Fast jeden Nachmittag treffen sich die zehn jungen Hip-Hoper im Jugendzentrum in Bochum-Wattenscheid. In dem kleinen improvisierten Tonstudio wird es eng. Elf Personen und ein Haufen Technik: Mischpult, Computer, Flachbildschirme, ein durchgesessenes Sofa an der Wand. Konzentriert hören die Sänger auf die Hintergrundmusik und warten auf ihren Einsatz. Omid Pouryousefi, 37, ist DJ und Musikproduzent. Seit einem Jahr probt er mit der Band, im Sommer gab es das erste Konzert.

Musik: "Bruder, lass die Waffe fallen, denn es gibt andere Wege, denn in dieser Welt muss man alles selber regeln. Es sind Tage, die dir Atem und die Liebe klauen, denn in dieser Welt kannst Du nicht mal Freunden trauen. Ich hab so viel erlebt. Man ist der Grund, dass Schüler nur noch Fünfen sehen. Diese Vorurteile machen meinen Kopf kaputt. Andere ignorieren es, die Jugend sagt dazu ‚na und’."

Die jungen Musiker sind alle Kinder ehemaliger Gastarbeiter, doch sie verstehen sich als Deutsche. Ihre Songs handeln von den Problemen, die zum jugendlichen Alltag in Bochum dazugehören: Konflikte auf dem Schulhof. Es geht um Religion, Misstrauen, Vorurteile. Probleme, die manchmal sogar in Schlägereien enden, erzählt der 16-jährige Robin:

"Also, wenn ich ehrlich sein soll, ist das schon ein paar Mal vorgekommen, weil ich Kurde bin und dann assoziieren die meisten damit die PKK. Ich grenze mich vollkommen davon ab, dass ich irgendwas mit der PKK zu tun habe, weil wir leben hier in Deutschland, und deswegen sollten wir uns auch für dieses Land einsetzen. Wir können uns gerne für andere Länder einsetzen, aber für dieses Land sollten wir uns am meisten einsetzen, für die Integration und dass wir zusammenhalten und uns nicht gegenseitig beleidigen oder runtermachen."

"X-Vision" heißt das Musikprojekt. Das Jugendzentrum ist eines der zehn Zukunftshäuser von "Next Generation". Ein Jahr lang sollen die Teilnehmer aus insgesamt vier Städten im Ruhrgebiet gemeinsam etwas auf die Beine stellen, sollen sich mit dem Thema Zukunft auseinandersetzen. Der Etat ist knapp bemessen. 400.000 Euro stehen für das gesamte Jahr zur Verfügung, Hauptsponsor ist die Bundeszentrale für Politische Bildung. Das Ziel: Eine städteübergreifende Vision für junge Menschen in einem Ballungsraum, der in den kommenden Jahrzehnten rund ein Drittel seiner Einwohner verlieren wird. Thomas Laue, Dramaturg am Schauspiel Essen, koordiniert die Zusammenarbeit der Zukunftshäuser:

"Was passiert, wenn Leute, die zwar in einer Stadt, aber in dieser Stadt unter ganz unterschiedlichen Bedingungen leben, über Zukunft nachdenken? Kommen die alle auf die gleiche Vorstellung von Zukunft, entwickeln sie alle die gleiche Vision, oder haben sie die gleichen Sorgen und Ängste? Oder besteht da doch ein Unterschied, je nachdem, wie man aufwächst, ob man luxuriös aufwächst oder unter schwierigeren Bedingungen? Was passiert, wenn man sich diese unterschiedlichen Vorstellungen von Zukunft gegenseitig erzählt? Was ist das eigentlich für ein Prozess, der da in Gang gesetzt wird? Der hat uns interessiert."

Musik: "Ohne Geld klappt nichts, alle warten auf Hartz IV, warten bis halt was passiert und sie alle da draußen wissen genau, was passiert, wenn es keine Arbeit gibt und nichts zur Verfügung steht. Es ist dieser falsche Weg und den musst du alleine gehen, halt meine Hand, ich geb' dir Kraft und leiste dir Widerstand. Eins muss dir klar sein, hör mal auf dich selbst, hör mal auf dich, auch wenn du auf die Nase fällst …"

Es ist ein düsteres Bild, das die jungen Hip-Hoper im Arbeiterviertel Bochum-Wattenscheid von der Zukunft malen. Die Stadt, einst das Zentrum der Steinkohleförderung, kämpft stärker denn je mit dem Strukturwandel. 2008 machte der Handyhersteller Nokia sein Werk dicht, bei Opel arbeiten heute nur noch 5.000 statt einst 40.000 Menschen. Mittlerweile ist die Universität der größte Arbeitgeber, doch dort gibt es fast nur Jobs für Akademiker, und mit einem Hauptschulabschluss findet man in der Stadt kaum noch eine Lehrstelle. Die meisten Teilnehmer von "X Vision" gehen in die zehnte Klasse und fragen sich, was danach kommen soll. Robin:

"Wir sind die Zukunft, wir arbeiten zur Zeit darauf hin, dass wir in zwei, drei, vier Jahren, vielleicht sogar in einem Jahr einen Job haben. Die Möglichkeiten, dass wir eine Arbeit oder eine Ausbildungsstelle bekommen, werden immer geringer. Deswegen sind die meisten von uns immer nur noch am Lernen, Lernen, Lernen, damit wir gute Noten haben, um eine Ausbildungsstelle zu bekommen."

Über die Region, in der sie aufgewachsen sind, machen sich Robin und seine Bandkollegen dagegen kaum Gedanken. Für sie ist Bochum-Wattenscheid die Heimat, das benachbarte Essen oder gar Duisburg sind weit weg. Keiner hier würde sagen, er stamme aus dem Ruhrgebiet. Auch mit der Industriekultur verbinden sie nichts. Als sie in den 90er-Jahren geboren wurden, hatte die letzte Zeche längst dicht gemacht, und die Schlote rauchten schon lange nicht mehr. Mit dem Anspruch von "Next Generation", eine Zukunftsvision für die Jugend im ganzen Ruhrgebiet zu schaffen, können sie wenig anfangen. Ihnen ist wichtig, dass sie im Rahmen des Projekts auf der Bühne auftreten und eine CD herausbringen können. Es ist die Musik, die die Jugendlichen verbindet – sie gehen alle auf verschiedene Schulen – Hauptschüler, Realschüler, Gymnasiasten. Ihre Eltern sind Einwanderer aus unterschiedlichen Ländern, aus Albanien, der Türkei, dem Libanon, berichtet der 16-jährige Denis aus Polen:

"Wir sind halt so viele Nationen und arbeiten hier zusammen. Und das funktioniert, und das ist das, was das Projekt ausmacht. Das ist ein Geben und Nehmen hier. Es macht auch Spaß, hier zu produzieren, deswegen bin ich auch die ganze Zeit hier."

Die Idee für "X-Vision" hatte Omid Pouryousefi bereits vor einigen Jahren, als die Kulturhauptstadt Ruhr 2010 noch eine vage Planung des Kulturdezernenten der Stadt Essen war. Als er dann aber von "Next Generation" erfuhr, war für den gebürtigen Iraner klar, dass er und seine Band unbedingt mitmachen sollten:

"Next Generation – ich zähle mich auch selber dazu, obwohl ich 37 bin. Wir leben in einer Multi-Kulti-Gesellschaft. Viele haben einen Migrationshintergrund, und das sind diejenigen, die dieses Land einmal tragen sollen. Und diese Generation hat eine sehr, sehr große Verantwortung, zumal wir in Deutschland ein demographisches Problem haben. Das heißt, die Next Generation muss fleißig, multikulturell, weltoffen und fleißig sein, klar."

Wer bei "X Vision" singen will, muss erstmal beweisen, dass er es Ernst meint mit seinem Interesse. Es gibt einen Aufnahmetest und eine vierwöchige Probephase.

"Unser Ziel ist es, die Leute zu professionalisieren. Wenn es Ende 2010 zu Ende ist und die selbstständig ihre eigene Show organisieren können, dann haben wir nachhaltig gearbeitet."

Die Idee für die Zukunftshäuser hatten die Dramaturgen des Schauspiels Essen. Als Vorbild diente ein Jugendtheaterprojekt im Essener Stadtteil Katernberg, das Thomas Laue und seine Kollegen im Jahr 2006 ins Leben gerufen hatten: "Homestories" – Geschichten aus der Heimat. Thomas Laue:

"Als wir nach Essen gekommen sind, haben wir immer gesagt: Wenn man in so einem mittleren Stadttheater, das ja der Grundversorger einer Stadt im besten Sinne ist, und den Begriff 'Stadttheater' ernst nimmt, muss man sich zwangsläufig mit der Stadt beschäftigen, also die Stadt, und die Geschichten, die man in so einer Stadt vorfindet, zum Thema der eigenen Arbeit machen."

Doch dieser Anspruch wäre damals fast an der Realität gescheitert, denn die Jugendlichen reagierten völlig anders als erwartet. Der Autor und Regisseur Nuran Calis, der bereits in ganz Deutschland Theaterprojekte mit Jugendlichen gemacht hat, hatte sich für ein halbes Jahr in Essen-Katernberg in einem ehemaligen Kindergarten eingemietet. Zusammen mit dem Dramaturg Thomas Laue stellte er sich zunächst an den Schulen und Jugendzentren der Umgebung vor. Laue:

"Als wir das erste Mal in Katernberg waren und uns mit vielen guten Vorsätzen in den Jugendzentren vorgestellt haben und Nuran Calis gesagt hat: Hey, ich mach da ein Theaterstück, da hat er als erstes gehört: Ey, geh doch nach Hause, Theater ist doch schwul. Und dass das am Ende nicht mehr schwul, sondern cool war, nach einem Jahr, das hat viel mit einem gegenseitigen Aufeinanderzugehen zu tun."

Homestories: "Hi, ich heiß Achmed, ich bin in Essen geboren, ich will euch mal wat erzählen."

"Hi, ich bin der Paul, ich komme aus Kasachstan. Ich habe immer nur Scheiße gemacht. Ich habe Leute geärgert und verarscht."

In den "Homestories" erzählen 20 Jugendliche aus dem Arbeiterviertel Essen-Katernberg Geschichten aus ihrem Alltag. Sie berichten vom Streit auf dem Schulweg, von der ersten Liebe und dem ersten großen Liebeskummer.

Musik: "Siehst du nicht, dass ich ohne dich nicht leben kann? Siehst du nicht? Und jeden Tag wird der Schmerz schlimmer …"

Das Bühnenprojekt stand gleich mehrfach auf dem Spielplan des Essener Grillo-Theaters, war fast immer ausverkauft. Für die Jugendlichen ein Erlebnis, das sie bis heute nicht vergessen haben, erzählt Hassan, der mittlerweile 21 ist und gerade seinen Schulabschluss nachholt:

"Um ehrlich zu sein: Es war früher so, also bevor ich bei diesem Projekt mitgemacht habe, da sind wir einfach nur durch die Straßen gelaufen, haben Eier auf Fenster geworfen. Das war einfach schlimm. Also, wir hatten keine Beschäftigung, sagen wir mal so. Die ganzen Jugendhäuser drohten, geschlossen zu werden. Durch dieses Projekt habe ich eine Zuflucht gefunden, um in meiner Freizeit was Sinnvolles zu erledigen."

Als im Jahr 2007 die Bewerbungsphase der Kulturhauptstadt begann, lag es für die Macher von Homestories zunächst nahe, das erfolgreiche Projekt in größerem Rahmen aufzuziehen – eine Art Homestories Ruhr in verschiedenen Städten, erinnert sich Thomas Laue:

"Das fand ich drei Tage lang super. Und dann haben wir uns ein bisschen geschämt, weil wir gemerkt haben, jetzt ist das, was bei Homestories gut war, nämlich, dass man neugierig ist, gar nicht mehr gegeben. Sondern man sucht eigentlich nur nach dem, was man sowieso schon einmal gefunden hat. Gleichzeitig führt so etwas zu dieser komischen voyeuristischen Selbstghettoisierung, dass man sagt: Guck mal, so sind die Leute im Norden. Und dann ist man in diesem Habitus, dass man die nächste theater-kompatible Randgruppe über die Bühne jagt. Das ist uninteressant, das finde ich auch doof."

Also entstand die Idee für die Zukunftshäuser, die die Teilnehmer ganz unterschiedlich gestalten und mit Inhalt füllen sollen. Das Ergebnis ist offen, klar ist nur: Am Ende sollen zehn Premieren stehen. Thomas Laue suchte den Kontakt zu Künstlern und bestehenden Jugendprojekten in Herne, Bochum, Essen und Duisburg. Er fand zehn Partner, die nun ihrerseits jeder für eines der Zukunftshäuser verantwortlich sind.

Den großen Bogen zwischen den einzelnen Orten wird der Homestories-Regisseur Nuran Calis schlagen. Er will die Häuser besuchen und mit Teilnehmern aus allen Projekten zusätzlich ein gemeinsames Theaterstück erarbeiten. Denn wie die jungen Hip-Hoper aus Bochum haben auch Jugendliche in Essen, Herne oder Duisburg kaum Kontakte zu Gleichaltrigen in den Nachbarstädten, obwohl die in dieser Gegend quasi alle ineinander übergehen. Erstmal jedoch müssen die einzelnen Zukunftshäuser mit Ideen gefüllt werden, nicht alle sind schon so etabliert wie die Hiphop-Band in Bochum-Wattenscheid.

"Wie kann eine 68er-Revolution Vorbild sein oder das, worauf man sich bezieht, wenn man eine neue macht? Keine Revolution kann als Plagiat funktionieren, das ist glaube ich per Definition Quatsch."

"Aber der eine Punkt ist doch dabei richtig: Eine überragende Parole der 68er war: Weg mit den Vätern, beziehungsweise die Angst, so zu werden wie die Väter."

Im theaterwissenschaftlichen Seminar von Professorin Ulrike Hass an der Ruhr Universität Bochum ist die Generationen-Debatte voll entbrannt. Es geht um den Vergleich des Bildungsstreiks 2009 mit den 68er-Protesten. Die Ruhr-Universität Bochum ist mit mehr als 30.000 Studenten eine der großen Hochschulen im Ruhrgebiet. In den 60er-Jahren als Bildungseinrichtung für die Kinder der Stahlarbeiter und Bergleute gegründet, ist sie heute eine durchschnittliche deutsche Massenuni. Auf dem riesigen Campus kann man sich schnell zwischen den gesichtslosen Betonklötzen der Hörsäle und Institute verlaufen.

Obwohl das Theaterseminar offiziell um 14.15 Uhr begonnen hat, schleichen bis viertel vor drei immer noch verspätete Teilnehmer durch die Tür, blicken schuldbewusst zu Boden. Vorn am Pult beugt sich die Professorin über einen Stapel kopierter Texte. Um sie herum sitzen die Studenten auf Stühlen im Halbkreis. "Talking about my generation" – Reden über meine Generation – ist der Titel der Veranstaltung. Die Studenten wollen nichts Geringeres als den theoretischen Überbau für "Next Generation" liefern. Am Ende soll ein szenisches Chorprojekt stehen. Doch zunächst einmal geht es darum, überhaupt das Thema einzugrenzen. Und das scheint bisher noch nicht so ganz gelungen.

"Ja, das es so was tatsächlich immer gibt. Äh, also die Form der Konzepte, äh, dass man das Gefühl äh, äh, hat, das gab es irgendwie alles schon und spätestens 68 war das alles schon mal da, dass es dann tatsächlich solche Leute gibt, die so etwas aus Nostalgiegründen machen."

Seit Beginn des Semesters setzen sich die Studenten mit Generationenkonflikten in verschiedenen Zeiten auseinander. Inzwischen bei 68 angekommen, drehen sich die Debatten im Kreis. Worauf die Diskussion hinauslaufen soll, weiß seit halb vier sowieso keiner mehr. Doch das tut der Begeisterung der Teilnehmer anscheinend keinen Abbruch.

"Generell finde ich es immer spannend, sich mit den Werten der Vorgängergeneration auseinanderzusetzen. Mit welchen Werten geht die Generation vor uns um? Wie wurden diese Werte an uns weitergegeben? Und inwiefern machen wir das halt auch anders? Ich finde das immer interessant zu sehen und zu untersuchen, wie wir uns als Generation begreifen und wie wir uns von der vorhergehenden Generation abgrenzen und uns neu definieren. Das zu untersuchen und zu analysieren, finde ich spannend."

Welche Werte ihre eigenen sind und was ihre Generation ausmacht, darauf scheint keiner hier eine Antwort zu haben. Im Seminar von Professorin Hass sitzen die Vertreter einer ratlosen Generation, auf der Suche nach einem eigenen Weg. Ein Text soll besprochen werden, verfasst von einer linken Studentengruppe vor rund 40 Jahren. Doch auf die Frage, wer ihn gelesen hat, geht gerade mal ein Finger hoch, "so halb" – lautet die verbale Einschränkung. Ulrike Hass zieht die Augenbrauen hoch, seufzt und beginnt, die zentralen Aussagen des Textes selbst vorzulesen:

"Das ist Seite 2, wenn sie da aufschlagen … Also: Der Student ist in einer provisorischen Rolle, wird da gesagt, ganz oben. Er ist in einer Art Einführungsphase, das ist ja auch bis heute so, ein Wesen, das zwischen einem gegenwärtigen und einem zukünftigen Status steht."

Ulrike Hass geht Seite für Seite durch, erläutert wichtige Textpassagen. Die Professorin weiß, wie schwer es für Ihre Studenten ist, sich heutzutage an der Uni und anschließend auf dem Arbeitsmarkt zu orientieren:

"Diese jungen Erwachsenen haben auch häufig keine Stimme, in diese Praktikums- und Weiterbildungsschlaufen geschickt. Und das ist eine Situation, mit der wir uns sehr bewusst inhaltlich befassen. Und die soll auch eigentlich Gegenstand dieses szenischen Projekts sein."

In der Pause stehen die Studenten auf dem Gang, das große Thema, das sie im Moment alle beschäftigt, ist der Bildungsstreik, mit dem sie und ihre Kommilitonen gegen die Studienbedingungen protestiert haben. "Hat es was gebracht?", fragt einer in die Runde. Allgemeines Schulterzucken. Im zweiten Teil des Seminars geht es weiter um den Text, den keiner gelesen hat. Die ersten Teilnehmer packen ihre Sachen, murmeln etwas von wichtigen Terminen und verlassen den Seminarraum. Die anderen kämpfen tapfer mit Kaffee gegen die Müdigkeit und hören ihrer Professorin zu:

"Ich glaube, jetzt haben wir den Punkt ganz gut rausgearbeitet, wo es Brüche gibt, aber auch einen Zusammenhang. Jetzt ist die Frage, wie es weitergeht."

Die Frage bleibt im Raum stehen, es ist kurz nach 18 Uhr, allgemeine Aufbruchsstimmung macht sich breit. Am nächsten Freitag soll es weitergehen, vielleicht hat dann ja auch jemand den Text ganz gelesen. Viel Zeit bleibt nicht. Denn Ende Januar ist der offizielle Auftakt von "Next Generation" geplant – mit ersten Aktionen für Besucher in allen Zukunftshäusern. Jede Gruppe soll dann auch schon eine Kostprobe ihrer Bühnenshow zeigen.

Der Dramaturg Thomas Laue bleibt zuversichtlich. Er weiß, dass künstlerische Projekte mit Jugendlichen ihre eigene Dynamik haben. Außerdem bleibt noch das ganze Jahr 2010, um den Begriff "Next Generation" mit Inhalt zu füllen:

"Ich hoffe, dass man etwas über die Vielschichtigkeit und die Gesamtheit von Jugend in dieser Region erfährt. Dass nicht immer nur so Container-Dörfer entstehen, wo immer sauber jeder Container nebeneinander steht. Und dass man sagt, das sind die Katernberger, das sind die Bredeneyer und das sind die Bochum-Wattenscheider. Jeder hat so seinen Container, und das hat alles nichts miteinander zu tun. Sondern, dass wir den Blick ein bisschen heben können, dass wir sagen: Wenn die sich begegnen, dann passiert was. Dann entsteht ein Gesamtbild, ein Panorama einer Generation in einer ganz speziellen Region, die das ja hier ist. Es ist nun mal das Ruhrgebiet."