Räumliche Klangkunst im Berliner Martin-Gropius-Bau

Per Mausklick umgeben von Sound und Licht

lick in die Installation "Empty Formalism" von Brian Eno im "ISM Hexadome" im Martin-Gropius-Bau.
Blick in die Installation "Empty Formalism" von Brian Eno im "ISM Hexadome" im Martin-Gropius-Bau. © dpa / picture-alliance
Von Esther Schelander · 29.03.2018
Klangkünstler träumten schon früh davon, in 360-Grad-Klanglandschaften einzutauchen. Künstler wie Brian Eno oder Tarik Barri haben jetzt mithilfe moderner Software Installationen für den neuen Hexadome im Martin-Gropius-Bau in Berlin entworfen.
Martin Gropius Bau, Berlin. Im abgedunkelten Innenhof steht der Hexadome. Das sechseckige Stahlgerüst hat die Form eines Pavilions: Sechs übergroße, quadratische Screens umrahmen mich, unzählige Lautsprecher blicken mich von allen Seiten an. Mit Marie-Kristin Meier, einer der fünf KuratorInnen des Hexadomes, stehe ich mitten drin.
"'Immersive art' oder auch 'immersive Kunst' ist eigentlich immer dann gegeben, wenn die Besucher und Besucherinnen, die Rezipienten und Rezipientinnen die Möglichkeit haben, ein Kunstwerk zu betreten. Also wenn sie im Prinzip eintauchen in das Kunstwerk, das sie umgibt."
Der Wunsch in ein Klang- und Bildgeschehen einzutauchen, quasi Teil davon zu sein, kommt in den Neunziger Jahren in Mode, dank Computer, Gameindustrie und der aufkeimenden Virtual Reality. Doch die Sehnsucht nach Surroundsound, die Sehnsucht nach einem Klang der uns von allen Seiten erreicht, ist älter. Und auch die Technologie dahinter ist mitnichten neu. Kuratorin Marie-Kristin Meier:
"Der Kerngedanke, dass man ein Laustsprecher-Setup hat, das einen umgibt, ist realtiv alt. Das ist ja im Prinzip eine Technologie, die zurückgeht auf die 50er-, 60er-Jahre. Karlheiz Stockhausen besipielsweise hat mit dem Kugelauditorium schon sehr früh einen großen Pavillion entwickelt, in dem er Klänge elektronischer Musik verräumlicht hat. Das heißt das ist eine Entwicklung die schon relativ weit zurückliegt und sich seitdem permanent weiter entwickelt hat."

Software für Soundinstallation

Denn dank komplexer Algorithmen ist heute möglich, wovon Stockhausen und die elektroakustische Avantgarde nur träumen konnten. Mit der Maus klickt Benjamin Miller, einer der Toningenieure des Hexadomes auf den Bildschirm; zieht Zickzacklinien in einem 3D-Model. Die Software rechnete die Bewegungsbahnen in Klangsignale um und verteilt sie auf die 52 Lautsprecher.
"Das ist die Software Zirkonium, wo man die Klänge verräumlichen kann. Was da besonders ist, man kann die Trajektoren zeichen. Ich kann wirklich mit der Maus einfach die Trajektoren durch den ganzen Dom zeichnen. So dann kann der Klang zum Beispiel unten links anfangen, oben kommen und dann wieder rechts und dann über Zeit entscheiden, wo Klänge sich wie bewegen sollen."
Diese technischen Möglichkeiten werfen bei dem eingeladenen Klang- und Videokünstler Frank Brettschneider einige Fragen auf:
"Wie verteilt man das? Oder welche Strategie wählt man überhaupt? Man kann es ja auch statisch lassen - man muss es ja nicht bewegen - oder bewegt man's oder wie soll's sich bewegen?"

Augmented-Reality-Installation von Klangkünstler Brian Eno

Auch Brian Eno entwickelte eine Arbeit für den Hexadome. Mehreren Kunstsparten gilt er als Vorreiter: Das Genre "Ambient" mit seinen elektronischen, sphärischen, langgezogenen Klänge prägte er wie kein Zweiter. Als Musiker kooperierte er mit David Bowie, als Produzent begleitete U2 und Coldplay. Für Windows 95 entwarf er den Startton und 2009 schuf er eine fulminante Lichtinstallation für das Dach des Sydney Opera House. Marie-Kristin Meier sagt über ihn:
"Brian Eno ist ein Künstler, der sich schon sehr früh mit Technologien beschäftigt hat. Er hat zum Beispiel jetzt gerade auch eine Augmented Reality Installation gezeigt und ist immer sehr neugierig, was neue technologische Möglichkeiten angeht. Und er wird eine Ambientarbeit entwickeln. Sie heißt 'Empty Formalism' und knüpft im Prinzip an das an, was ihn seit Jahren beschäftigt und ist eine Weiterführung dessen."
Denn seit den 70er- Jahren faszinieren Brian Eno Klangformen, die keine Botschaft in sich tragen. Sie sollen in erster Linie auf den Körper wirken.

Virtuelle Klang- und Lichtuniversen

Insgesamt zeigt der Hexadome neun Werke und alle nutzen die audiovisuelle Installation anders: Holly Herndon und Matthew Dryhurst verschränken Livekameras mit Publikumsanweisungen zu einer partizipativen Performance. Tarik Barri entwickelte eine Software, die wie ein Flugsimulator funktioniert. Gemeinsam mit Thom York von Radiohead navigiert er die BesucherInnen durch ein virtuelles Klang- und Lichtuniversum. Lara Sarkissian sampelt YouTube-Fundstücke armenischer Musik.
Der Fokus der "Virtual Reality" lag bisher vor allem im visuellen Bereich. Doch das wird nicht so bleiben: Denn dank neuer Softwarelösungen lassen sich immer komplexer Klangbewegungen abbilden. Man kann gespannt sein, wohin die technologische Entwicklung geht. Fest steht: Von den Surroundsounds werden wir noch einiges zu Hören bekommen!
(mw)
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