Radiokonzert mit der Robert-Schumann-Philharmonie Chemnitz

Gehaltvolle Unterhaltung

Das Orchester steht in Abendrobe und Instrumenten im hellen Foyer des Opernhauses und schaut leicht nach oben in die Kamera.
1833 wurde die Robert-Schumann-Philharmonie als Stadtorchester gegründet. © Robert-Schumann-Philharmonie Chemnitz / Nasser Hashemi
Moderation: Stefan Lang · 07.05.2021
Mozarts Vater mahnte den Sohn, seine Musik solle "angenehm in die Ohren gehen". Ähnlich sah das auch Harald Genzmer 200 Jahre später: „Musik soll vital, kunstvoll und verständlich sein“. Das ist das Motto des Abends mit Werken von Mozart, Genzmer und Hindemith.
Exklusiv spielt die Robert-Schumann-Philharmonie Chemnitz ein Radiokonzert für Deutschlandfunk Kultur.
Mozarts Musik bestimmt den ersten Teil des Abends, der mit seiner Konzertarie "Ch‘io mi scordi di te? – Non temer, amato bene " KV 505 beginnt. Den Solo-Gesangspart der Chemnitzer Aufführung übernimmt die ägyptische Sopranistin Fatma Said, die auf den internationalen Opern- und Konzertbühnen gleichermaßen zuhause ist und 2017 bereits als Solistin in Felix Mendelssohn Bartholdys "Lobgesang" in Chemnitz beeindruckte.
Eine junge Frau mit langen, dunklen, welligen Haaren und schulterfreiem, roten Kleid sitzt vor einem Notenheft und schaut lächelnd darauf, wobei sie mit einer Hand den Takt zu schlagen scheint.
Fatma Said hat in Chemnitz überzeugt und wird somit gern eingeladen.© Fatma Said / Felix Bröde
Der Vater gab Mozart viele wichtige Ratschläge. Und Mozart nahm sich dessen an, wenn er sich vornahm, dass Kenner und Musikliebhaber gleichermaßen "Satisfaction" erhalten sollen.

Abschiedsgeschenk für eine Sängergröße

Die englische Sopranistin Anna Selina Storace, die sich als Künstlerin Nancy Storace nannte, kam 1783 im Alter von 18 Jahren als Hofsängerin nach Wien. Das Publikum lag ihr zu Füßen, die Komponisten schrieben ihr seitenweise Rollen auf den Leib. 1786 war sie die erste Susanna in Mozarts Oper "Le nozze di Figaro".
Ihren bevorstehenden Abschied aus Wien nahm er zum Anlass, ihr die leidenschaftliche Arie zu widmen, die von Liebe und Treue handelt. Und natürlich ließ er es sich nicht nehmen, den Klavierpart bei ihrem Abschiedskonzert am 23. Februar 1787 im Theater am Kärntnertor persönlich zu spielen.

Der Chef am Klavier

Am Klavier begleitet der Generalmusikdirektor Guillermo García Calvo persönlich, der auch den Klaviersolopart im anschließenden Konzert übernimmt. Mozarts Konzert Nr. 12 A-Dur KV 414 eroberte mit seinem kantablen, leichtfüßigen Stil und einem wunderbar klangvollen Streichersatz sofort die Sympathie der Zuhörer.
Vielleicht hatte ihn sein privates Glück, das ihm 1782 in Form der Heirat mit seiner geliebten Constanze zuteilwurde, dazu inspiriert.

Überraschende Kadenzwahl

Guillermo García Calvo wird in seiner Interpretation nicht die üblichen Kadenzen spielen, sondern Ausschnitte aus der "Musica ricercata" von György Ligeti aus den frühen 50er-Jahren. Im ersten Satz das Stück Nr. 1 über den Ton a, im zweiten Satz das Stück Nr. 2, das Stanley Kubrick in seinem letzten Film "Eyes Wide Shut" verwendete, und im dritten Satz das Stück Nr. 6.
Diese drei Stücke Ligetis beinhalten Töne, die in Mozarts Komposition in den jeweils letzten Takten vor den Kadenzen erklingen. Ligeti wollte in den insgesamt 11 Stücken der "Musica ricercata" mit sparsamsten Mitteln "eine Neue Musik aus dem Nichts heraus" entwickeln. So wird im ersten Stück zunächst nur ein Ton verwendet, zu dem am Ende noch ein zweiter dazukommt, das zweite Stück basiert auf drei, das dritte auf vier Tönen usw. bis zu zwölf Tönen im elften Stück.
Seitlich ist ein Dirigent mit ausgebreiteten Armen und erhobenem Kopf zu sehen, der vor dem Orchester steht und dirigiert.
Der Spanier Guillermo García Calvo ist seit Spielzeit 2017/2018 Chefdirigent der Robert-Schumann-Philharmonie in Chemnitz. © Guillermo García Calvo / Dieter Wuschanski
Guillermo García Calvo sagt zur Verwendung der Ligeti-Stücke in Mozarts Klavierkonzert: "Mit dieser Idee möchte ich zwei Komponisten verbinden, die durch Töne neue Welten geschaffen und damit uns allen Hoffnung gegeben haben."

Lehrer-Schüler-Beziehung

Den Ratschlag, den Leopold Mozart einst seinem Sohn gab, könnte sich auch Harald Genzmer zu Herzen genommen haben. Ihm und seinem Lehrer Paul Hindemith ist der zweite Teil des Konzertes gewidmet. Beide gehören zu den wichtigsten Komponisten des 20. Jahrhunderts.
Harald Genzmer, der Jüngere von beiden und Schüler des Älteren, wurde am 9. Februar 1909 in Bremen geboren. Beinahe ein ganzes Jahrhundert umfasste sein Leben, neben der Komposition wahr ihm die Lehre wichtig.

Immer währender Anspruch fürs Publikum

Der Komponist Genzmer stand stets in Verbindung zu anderen Disziplinen, seien es die Literatur, die Bildende Kunst oder auch die Naturwissenschaften. Sein Motto "Musik soll vital, kunstvoll und verständlich sein" setzte er in seinen Werken mit viel Fantasie sowie Einfühlungsvermögen in die technische und klangliche Ausdrucksvielfalt der einzelnen Instrumente um, auch in seinem Prolog II für Orchester von 1991.
Er beeindruckt durch den Kontrast zwischen fulminanten, von markanten Schlagwerk-Rhythmen getragenen Passagen und kantabel-schwelgerischen Solo-Episoden.

Carl Maria von Weber neu gehört

Auch die Sinfonischen Metamorphosen über Themen von Carl Maria von Weber von Paul Hindemith sind von einer lichten Klangwelt geprägt und gehören zu den populärsten Werken des Komponisten. Hindemith schrieb sie im Alter von knapp 50 Jahren 1943 in der Emigration in den USA. In vier Sätzen verarbeitet er Schauspielmusiken und Werke für Klavier zu vier Händen.
Das Besondere daran ist, wie Hindemith mit dem Weberschen Material umgeht. Ganz anders als beim klassischen Variationenprinzip präsentiert er die Themen vor der Veränderung zunächst nicht in Originalgestalt, sondern nimmt gleich eine Verwandlung in seinem Stil vor - neue Hörperspektiven für das Publikum.
Ein moderner Gebäudekomplet von 1974 mit Flachbau und Hochhaus spiegelt sich in einer davor liegenden Brunnenanlage an einem Tag mit blauem Himmel.
Die Stadthalle ist das Zuhause der Robert-Schumann-Philharmonie Chemnitz - von hier übertragen wir heute.© IMAGO / Hoch Zwei Stock/Angerer
Live aus der Stadthalle Chemnitz
Wolfgang Amadeus Mozart
Konzertarie "Ch'io mi scordi di te" KV 505

Klavierkonzert Nr. 12 A-Dur KV 414
Als Kadenzen: György Ligeti "Musica ricercata" Nr. 1, 2 und 6
Harald Genzmer
Prolog II für Orchester
Paul Hindemith
Sinfonische Metamorphosen nach Themen von Carl Maria von Weber
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