Prügelopfer

Tausende nehmen Abschied von Tugce

Mehrere tausend Menschen trauerten vor dem Klinikum in Offenbach am Main.
Mehrere tausend Menschen trauerten vor dem Klinikum in Offenbach am Main. © dpa / picture alliance / Boris Roessler
Von Ludger Fittkau · 28.11.2014
Sie ist zwei jungen Frauen zur Hilfe gekommen, nun ist sie tot: Die Studentin Tugce A. hat die Prügelattacke in einem Schnellrestaurant nicht überlebt. 3000 Menschen nahmen vor dem Offenbacher Klinikum Abschied.
Sie kamen mit Kerzen, Blumen und Luftballons mit angebundenen Zetteln, auf dem der Name Tugce steht: Rund 3000 Menschen nahmen heute Abend vor dem Offenbacher Klinikum an einer Mahnwache für die Gießener Lehramtsstudentin teil, die in den frühen Morgenstunden des 15. November Opfer eines Gewaltaktes wurde – nachdem sie zwei jungen Frauen zur Hilfe gekommen war, die in einem Schnellrestaurant von einer Gruppe junger Männer belästigt worden waren.
"Tugce zeigte Zivilcourage, zeigen wir ihr unseren Respekt", lautete das Motto der heutigen Veranstaltung, die von der Familie und Freunden Tugces organisiert wurde:
"Wenn ich da gewesen wäre, hätte ich vielleicht fünfmal überlegt, ob ich mich da einmische oder nicht. Und sie hatte halt Mut und von daher verdient sie auch unseren Respekt."
"Ich kenn Tugce nicht, ich bin nicht die Cousine, ich bin nicht die Schwester – aber ich meine: Gestern ist es ihr passiert, heute kann es mir passieren, morgen kann es jemand anderem passieren."
"Sie sind ihr dankbar, warum? - Ja, dass sie Zivilcourage gezeigt und das sie sich eingesetzt hat, obwohl sie das nicht musste."
Tugce lag im irreversiblen Koma
Seit einigen Tagen befand sich Tugce im irreversiblem Koma - zwei Ärzte hatten ihren Hirntod festgestellt. Heute Abend wurde bekannt, dass ihre Eltern entschieden haben, dass die lebenserhaltenden Geräte, an denen Tugce bis heute lag, abgeschaltet werden sollen. Viele Teilnehmer der Mahnwache hatten bis zuletzt die Hoffnung, das Tugce die Gewalttat überleben kann:
"Ich hoffe, sie werden die Maschinen nicht abschalten, ich hoffe, sie wird aufwachen. Aber es sieht schlecht aus."
"Ganz ehrlich: Ich wünsche mir, wenn sie die Maschinen ausstellen, dass sie anfängt zu atmen. Ich meine, man muss respektieren, was die Eltern sagen und machen, ich würde aber noch warten. Meine Tante liegt seit 14 Jahren im Wachkoma und deswegen bin ich auch hier, weil ich denke: Jeder hat eine Chance verdient. Ob kurzzeitig oder langwierig, das ist eigentlich irrelevant."
Eine Mahnwache an ihrem 23. Geburtstag
Ob Tugces Sterben oder die großen Mahnwachen in Offenbach, Gießen und Wiesbaden der letzten Tage gewaltbereite junge Männer beeindrucken werden – viele bleiben an diesem Abend skeptisch:
"Ich habe gar keine Hoffnung. Ich denke, die gehen drei, vier Jahre ins Gefängnis und Menschen sterben und die kommen nicht zurück. Die kriegen eine geringe Strafe, nur weil sie jung sind. Aber die, die gestorben sind, sind doch auch jung."
"Wenn man so was schon machen kann und in so einem Freundeskreis ist – glaube ich nicht, dass ihn so was berühren wird."
Doch nicht der mutmaßliche Täter, ein 18 Jahre alter Offenbacher, stand an Tugces 23. Geburtstag im Vordergrund bei der Mahnwache in Offenbach. Sondern sie sterbende Tugce und ihre Familie in der Klinik:
"Tugce - vielleicht kann sie es sehen, vielleicht wird sie es nicht sehen - aber fühlen, das wir hier sind. Auch wenn wir jetzt nicht bei ihr sein können, wir versuchen mit den Gedanken bei ihr zu sein und versuchen, mit ihr zu reden, innerlich. Vielleicht spürt sie das ja."
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