Prozessauftakt gegen Peter Steudtner

"Vorwurf der Terrorunterstützung ist völlig absurd"

Menschenrechts-Aktivisten demonstrieren am 25.10.2017 vor einem Gericht in Istanbul (Türkei) mit einem Transparent mit Bildern der Angeklagten gegen den Prozess gegen elf Menschenrechtler, darunter auch der Deutsche Peter Steudtner (auf dem Banner der 2.v.r. unten).
Menschenrechts-Aktivisten demonstrieren am 25.10.2017 vor einem Gericht in Istanbul (Türkei) mit einem Transparent mit Bildern der Angeklagten gegen den Prozess gegen elf Menschenrechtler, darunter auch der Deutsche Peter Steudtner (auf dem Banner der 2.v © dpa-Bildfunk / AP / Lefteris Pitarakis
Jochen Neumann im Gespräch mit Dieter Kassel · 25.10.2017
Wegen angeblicher Terrorunterstützung drohen dem Menschenrechtler Peter Steudtner in der Türkei bis zu 15 Jahre Haft. Doch was hat er eigentlich getan? Das haben wir Jochen Neumann gefragt, Geschäftsführer des Bildungszentrums "Kurve Wustrow" und ein langjähriger Weggefährte Steudtners.
Mitten aus einem Workshop "Digitale Sicherheit und Informationsmanagement" waren der deutsche Friedensaktivist Peter Steudtner sowie neun weitere Menschenrechtler am 5. Juli in der Nähe von Istanbul festgenommen worden. Mitgliedschaft in einer bewaffneten Terrororganisation beziehungsweise Unterstützung einer solchen Gruppierung werfen die türkischen Behörden den Inhaftierten vor, darunter auch die Direktorin der türkischen Sektion von Amnesty International, Idil Eser. Am heutigen Mittwoch beginnt in Istanbul der Prozess gegen Steudtner.
"Wir wissen, dass es ihm den Umständen entsprechend gut geht", sagt Jochen Neumann, Geschäftsführer der Bildungs- und Begegnungsstätte "Kurve Wustrow", für die Steudtner Seminare veranstaltet. "Er tut viel für sich selbst, er joggt, er macht Tai Chi, er liest viel, aber er arbeitet auch - mit Papier und Bleistift - an einem Handbuch für die Trainings, die er für uns gibt in Gewaltfreiheit." Als Ausbilder für den Umgang mit Stress habe Steudtner die dafür erforderlichen Werkzeuge "zum Glück zur Hand".
Steudtner und Neumann kennen sich bereits seit mehr als 20 Jahren - aus dem Studium. Da hätten sie beide ihre berufliche Richtung gefunden, "also für Gewaltfreiheit, für Menschenrechte, Friedensarbeit sich einzusetzen". Steudtner bilde zum Beispiel Entwicklungshelfer aus, die mit dem Schwerpunkt Konfliktarbeit in Krisenländer gingen. "Er ist aber auch Fotopädagoge, er macht Reportagen", so Neumann. Auch sei Steudtner eng mit Mosambik verbunden, dort habe er seinen Zivildienst abgeleistet und mit Kindersoldaten gearbeitet. "Diese ganze psychologische Arbeit ist eben auch etwas, was er gut beherrscht. Er ist ein sehr einfühlsamer Mensch und kann sich den Menschen sehr schnell nähern."

Trotz gründlicher Risikoanalyse die Gefahr unterschätzt

Später dann sei er auch zum Thema digitale Sicherheit gekommen - dem Gegenstand des Workshops, in dessen Rahmen Steudtner dann verhaftet wurde. Offenbar ließ sich das damit verbundene Risiko im Vorfeld nicht richtig einschätzen.
Porträt Peter Steudtner
Porträt Peter Steudtner© privat
"Er hat eine sehr gründliche Risikoanalyse gemacht, auch vor diesem Einsatz, das weiß ich", sagt Neumann. Aber es sei nicht abzusehen gewesen, "dass diese wirklich angesehene Menschenrechtsorganisation mit ihren Landesdirektoren oder Geschäftsführern aus einem solchen Fortbildungsseminar einfach alle ins Gefängnis gesteckt werden", betont er. Der Vorwurf der Terrorunterstützung sei jedenfalls völlig absurd. "Und daher wurde dieses Risiko nicht für realistisch eingeschätzt zu der Zeit. Das sehen wir heute natürlich anders. Auch in anderen Kontexten muss man sich da jetzt vorsichtiger bewegen." (uko)
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