Provinzkontrolleure in Hannover

Von Volker Trauth · 30.12.2008
Bösel, der Kleinbürger, und Fellner, der Yuppie, sind drittklassige Wirtshauskontrolleure. Bei ihrer Fahrt durch die österreichische Provinz kommen sich die beiden näher, gestehen sich ihr mieses, verpfuschtes Leben ein. Der von den beiden Kabarettisten Josef Hader und Alfred Dorfer geschriebene Film "Indien" wird als Theaterstück im Ballhof eins in Hannover auf die Bühne gebracht.
Es ist das Verdienst der beiden bekannten österreichischen Kabarettisten Hader und Dorfer, die Formensprache des Kabaretts erweitert zu haben: von der Nummerndramaturgie des klassischen Kabaretts hin zu einer in sich geschlossenen Geschichte, die mit dramaturgischen Mitteln zusammengehalten wird.

In ihrem vielfach ausgezeichneten, 1991 geschriebenen Stück "Indien" ist es die Geschichte der beiden Kneipenkontrolleure Bösel und Fellner, die im Auftrag der Regierung drittklassige Wirtshäuser auf die Einhaltung von Hygiene- und Bauvorschriften untersuchen. Beider Weltsicht und Charaktere sind scheinbar unvereinbar: hier der ewig Schnitzel fressende, dumpfbackige Kleinbürger Bösel und auf der anderen Seite der ewig klugscheißende überehrgeizige Yuppie Fellner. Trotzdem kommen sich beide näher, gibt es doch zwischen ihnen auch Gemeinsamkeiten: das miese, verpfuschte Leben, die Entfremdung von Frau und eigener Lebensplanung. Die entstehende Übereinkunft hält auch, nachdem Fellner erfährt, an Hodenkrebs erkrankt zu sein.

Regisseur Metzen nennt seine Fassung "Roaddrama". Er will ganz augenscheinlich eine Synthese zwischen dem Theaterstück von 1991 und dem Film von 1993 herstellen, der ja als Roadmovie deklariert worden war und in dem die beiden Hauptdarsteller vor allem im Auto agierten, das sie von Ort zu Ort, von Kneipe zu Kneipe brachte. Das ewige Unterwegssein, die vergebliche Suche nach Lebenssinn und -mitte hatte den Gestus des Films bestimmt.

Metzen setzt die beiden nicht in ein Auto, sondern auf ein Motorrad, hinter dem ein Film von wechselnden Landschaften vorbeifliegt. Auf den Straßenschildern und Ortsbezeichnungen lesen wir in diesem Film nicht niederösterreichische, sondern niedersächsische Namen. Fellner philosophiert nicht - wie bei Hader und Dorfer - über die Silbe "kirch" als dem Stamm vieler Ortsnamen, sondern in einem hinzu geschriebenen Text über die Silben "hagen" als Endung vieler niedersächsischer Ortsnamen.

Gesprochen wird hochdeutsch und nicht niederösterreichisch und auch die Betätigungen der Figuren sind an den heutigen Zuschauer herangerückt worden. Fellner schlägt nicht mehr mit Pursuit-Karten die Zeit tot, sondern mit dem Nachspiel von Spielrunden aus Günter Jauchs "Wer wird Millionär?".

Von Statur und Physiognomie sind die beiden Hauptdarsteller Moritz Dürr (Bösel) und Marcel Metten (Fellner) auffällig den Darstellern der Uraufführung angenähert worden. Die Schauspieler aus Hannover bemühen sich redlich, ihren Figuren individuelle Züge zu verleihen, wie immer aber, wenn die Rollen von Künstlern kreiert worden sind, die zugleich deren Schreiber und Darsteller waren, kommt unübersehbar ein grundsätzliches Problem ins Blickfeld: Jeder nachfolgender Schauspieler muss "zweiter Aufguss" bleiben, wird nicht zum Typus, zum Muster wie es Dorfer und Hader geworden sind.

Sehr poetisch allerdings gelingen Dürr und Metten die Szenen, die das Zusammenwachsen der scheinbar heillos Zerstrittenen zeigen: wie sie sich auf der Toilette intime Dinge gestehen, die sie so noch keinem anderen erzählt haben oder wenn sie nach der Nachricht von Fellners Hodenkrebserkrankung auf die irrwitzigsten Einfälle kommen, um die tödliche Krankheit bagatellisieren zu können.