Provenienzforschung

Warum es richtig ist, dass die Gurlitt-Taskforce mehr Zeit braucht

Taskforce-Chefin Ingeborg Berggreen-Merkel vergleicht am 04.12.2014 in Berlin in den Räumen des Taskforce-Büros Kopien der Varianten des Bildes "Reiter am Strand" des Malers Max Liebermann. Aufgeklärt werden soll der Kunstfund des verstorbenen Münchner Kunstsammlers Cornelius Gurlitt und welche Stücke daraus aus NS-Raubkunst stammen. Foto: Britta Pedersen/dpa (zu dpa-Reportage vom 12.12.2014 "Taskforce - Schwabinger Kunstfund")
In der Kritik: Taskforce-Chefin Ingeborg Berggreen-Merkel © picture alliance / dpa / Britta Pedersen
Von Carsten Probst · 02.12.2015
Es ist davon auszugehen, dass wesentliche Teile der Gurlitt-Sammlung Raubkunst sind. Doch seit zwei Jahren liefert die eingesetzte Taskforce quasi keine Ergebnisse. Doch mit einer Verschleppungstaktik hat das wenig zu tun, kommentiert Carsten Probst.
Es gibt einen Grundverdacht gegenüber der Provenienzforschung, vor allem, wenn sie von staatlicher Seite betrieben wird. Dieser Verdacht lautet: Die Provenienzforschung ist viel zu langsam, so langsam, dass man fast von Ergebnisverweigerung sprechen könne. In der Vergangenheit hatte es oft den Anschein, als würde sich manches Museum lieber jahrelang an bürokratischen Details festhalten, als ein hochverdächtiges Werk endlich den rechtmäßigen Besitzern zurückzugeben.
Bei der Bildersammlung von Cornelius Gurlitt kann man davon ausgehen, dass sie wesentlich aus zu Unrecht enteigneten Kunstwerken besteht. Dass die Gurlitt Task Force seit zwei Jahren praktisch keine Ergebnisse liefert, erscheint von außen betrachtet daher seltsam. Manche vermuten, dass die Ergebnisverweigerer vom Dienst dahinterstecken. Die Indiskretionen aus den Reihen der Task Force, die unlängst anonym an die Presse lanciert wurden, nähren den Verdacht. Von monatelangem Nichtstun ist da die Rede, von Heimlichtuereien, Inkompetenz und Maulkörben, die Ingeborg Berggreen-Merkel, die Leiterin der Task Force, an Mitarbeiter verteile.
"Es ist kein Nichtstun"
Hat also die Task Force versagt, hat sie sogar der Klärung entgegengearbeitet? Alle, die jetzt mehr und schnellere Ergebnisse einfordern, könnten einem Trugschluss aufgesessen sein. Die Bilderlisten zum Schwabinger Kunstfund waren vom Bayerischen Zoll zusammengestellt, nicht von Kunstexperten. Viele Bilder aus den Beschreibungen der Zollbeamten mussten also zunächst eindeutig identifiziert werden. Das dauert, ist nicht spektakulär – es ist aber auch kein Nichtstun.
Die Datenlage zur Provenienz der Bilder scheint in vielen Fällen auch noch sehr dünn zu sein. Aber wer will hier Schnellschüsse ohne hinreichende Absicherung in allen verfügbaren Archivdaten? Was, wenn es diese Archivdaten tatsächlich nicht mehr gibt?
Alle, die jetzt lautstark von einer Blamage der Task Force sprechen, übersehen, dass von Opfervertretern bislang keine Kritik an ihrer Arbeit kommt. Das Versprechen schnellerer Ergebnisse allein muss auch nicht zwangsläufig von größerer Lauterkeit der Bemühungen zeugen. Das zeigt sich an jenem lukrativen Geschäftszweig, bei dem gut bezahlte Anwälte als Provenienzjäger im Selbstauftrag kostspielige Klagen gegen vermeintlich renitente Museen inszenieren. Ihre Methode ist die Skandalisierung. Im Fall Gurlitt ist es zu früh für einen neuen Skandal.