Protest von gestern

06.01.2010
Eine Gruppe von umweltbewegten Jugendlichen ist auf dem Weg zum gewaltfreien Protest nach Gorleben. Florian, Hauptfigur und Ich-Erzähler, erbeutet eine Dienstwaffe, erschießt schließlich einen Schäferhund - und kommt selbst zu Tode.
Gewinnend selbstironisch kommt der Titel dieses Romans daher, aber literarisch legt er seinem Autor Fesseln an: "Mein letzter Versuch die Welt zu retten" - diese adoleszente Pose, allzeit abgeklärt aufzutreten, rastet in einen neuen Horizont von Beschränktheit ein. Der Autor, ausgebildeter Romanschriftsteller und hauptberuflich tätig als Lektor, hat noch, wie Kafka sagen würde, "den letzten, davonfliegenden Zipfel des Mantels" des politischen Engagements zu fassen bekommen und erzählt, so könnte man denken, Schwänke aus seiner Jugend.

So ganz kommt die Altersdeckung mit den Figuren des Romans jedoch nicht hin, und so hofft man für den Autor, er habe sich hier ein Feld erarbeitet. Denn die Prosa, die Lendle schreibt, ist zunächst einmal tadellos. Psychologisch überzeugend, sprachlich ausgewogen – anschauliche Metaphern, wohldosiert. Eine Gruppe von umweltbewegten Jugendlichen auf dem Weg zum gewaltfreien Protest in Gorleben. Klare erzählerische Verhältnisse, möchte man meinen.

Aber der Autor hängt leider zu sehr am Zeitgeist. Die sogenannte "Generation Golf" definierte sich in Absetzung von genau jener letzten Generation des 68er-Protestes, die 1983 in Bonn demonstrierte und in Gorleben Krawall machte. Diese Vorgänger wurden gründlich exorziert: Von der Sprache bis zum Dresscode wurde die letzte verbliebene Ideologie entsorgt. Das mag eine Kränkung sein, aber ein Roman zum Thema sollte doch entschiedener auftreten. Nun ja, wird man sagen, ein Roman soll eben mehr darstellen als urteilen. Aber das Erzähler-Ich ist leider aus einer der beteiligten Figuren abgeleitet und auch ebenso schlicht in der Reflexion.

Florian, der Hauptfigur und dem Ich-Erzähler, widerfährt auf der Gorleben-Reise dies und jenes, er "erbeutet" eine Dienstwaffe, erschießt schließlich einen Schäferhund und – ja, er kommt zu Tode, wie uns schon der Klappentext verrät. Außerordentlich ärmlich ist der Usus, ein wesentliches Spannungsmoment auf dem Klappentext einzuführen. Wieso tritt ein für sein Debüt allseits gelobter Autor mit einem Plot an, der dem Buch "Kirillow" von Andreas Maier ähnelt? Wieso kommt ein erfahrener Lektor auf die Idee, einen leicht erzählten Stoff in eine Tragödie umkippen zu lassen – ein allzu simpler Schwere-Faktor? Unfreiwillig komisch etwa folgende Passage:

"Wir waren Atome, vereinzelt, geladen, erregbar, unter zu hohem Druck in zu großer Menge geballt, als dass es am Ende gut gehen konnte."

Unerwarteter als der 37. Abrechnungsroman mit der engagierten Vergangenheit wäre doch das Gegenteil: einmal zu zeigen, dass die Ökologie die einzig wirklich tragende Idee des 20. Jahrhunderts war.

Besprochen von Marius Meller

Jo Lendle: Mein letzter Versuch die Welt zu retten
Deutsche Verlags-Anstalt, München 2009
249 Seiten, 19,95 Euro