Professionelle Streicheleinheiten

Die Frau, die einsame Menschen berührt

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Berührerin Milka Reich mit einem Kunden. © picture alliance/dpa/Wolfgang Kumm
Christoph Möller im Gespräch mit Katja Bigalke · 08.04.2017
Was tun gegen Großstadteinsamkeit - oder gegen Einsamkeit generell? Vielleicht könnten ein paar Streicheleinheiten helfen. Milka Reich ist eine professionelle Berührerin und bietet sanftes Streicheln als Dienstleistung an. Unser Autor hat es ausprobiert.
Manche Menschen - alleinlebend aus den unterschiedlichsten Gründen - leiden sehr darunter, dass sie nie berührt werden. So sehr, dass sie die Fassung verlieren, wenn sie gestreichelt werden. Milka Reich bietet in Berlin solche Berührungen als professionelle Dienstleistung an. Mit Prostitution hat das nichts zu tun, Milka Reich nennt sich Berührerin. Ein offzielle Ausbildung – anders etwa als bei einer Masseurin - gibt es dafür nicht.
Zu ihr kommen Menschen, die einsam sind, das Gefühl haben, zu wenig berührt zu werden. Oder Menschen, die schlechte Erfahrungen mit Berührungen gemacht haben, und langsam wieder ihr Körpergefühl zurückerlangen wollen. Unser Autor Christoph Möller die Berührerin besucht, ihr Dienstleistung selbst ausprobiert – und spannende Erfahrungen gemacht:
"Was Milka Reich macht, nennt sie eine 'Ganzkörper-Reise' – da merkt man schon: Das ist viel mehr als nur eine Massage."

Aufregung vor der Begegnung

Er habe zuvor recherchiert, dass es durchaus auch zu intimen Berührungen kommen könne: "Ich war sehr aufgeregt, weil ich absolut kein Ahnung hatte, was mich erwartet."
Dann die Begegnung mit Milka Reich in ihrem kleinen Kreuzberger Laden. Die Berührerin ist doppelt so alt wie unser Autor.
"Das hat mich direkt verunsichert: Ist das jetzt vielleicht irgendwie ein Problem, dass ich viel jünger bin als sie – ich hätte ihr Sohn sein können. Das hat die eh schon heikle Situation nicht unbedingt besser gemacht."
Die Atmosphäre findet Christoph Müller dann aber durchaus angenehm – warm, mit kuscheliger Wolldecke und sanften Berührungen, die an den Füßen beginnen.
"Und, was ich extrem spannend finde: Sie ist Synästhetikerin. Das heißt in ihrem Fall auch: Sie kann spüren, wie es sich für mich anfühlt, von ihr berührt zu werden. (...) Naja … Und dann hat sie auch ihren ganzen Körper auf mich gelegt und mich an den nackten Beinen gestreichelt. Ich habe eigentlich an nichts gedacht – bis sie dann irgendwann eine Frage gestellt hat, die mich ein bisschen überrumpelt hat."
Es ist die Frage danach, wie weit Milka Reich sich beim Berühren erotisch vorwagen soll und darf.
"Mein Gott, also da hatte ich wirklich kurz Panik. Und so im Nachhinein fällt mir auf, dass ich gar nicht gesagt habe, dass ich es nicht möchte – aber sie scheint es an meiner Stimme gemerkt zu haben. Also so weit sind wir nicht gegangen."

Anrührende Geschichten von Einsamen

Milka Reich erzählt unserem Autor auch berührende, sogar erschütternde Geschichten von offenbar sehr einsamen Menschen, die zu ihr kommen:
"Ja, also das ist extrem spannend. Von einem Mann hat sie erzählt, dessen einzige Berührung über Jahre, oder sogar Jahrzehnte, war der Haarschnitt beim Friseur! Schon als sie den nur mit der Decke zugedeckt hat, hat der schon angefangen zu weinen."
Das Fazit unseres Autors:
"Auch, wenn man schüchtern ist. Es ist total unverbindlich. Und Milka Reich macht das wirklich klasse. Das einzige Manko ist – vielleicht ändert sich das irgendwann - dass die Krankenkassen sowas nicht übernehmen, das muss leider jeder selbst zahlen."
(Online-Bearbeitung: mkn)
Das komplette Gespräch sowie alle anderen Beiträge der Sendung "Echtzeit" vom 8. April 2017 können Sie hier nachhören:

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