Privatsphäre

"Nur ein erster symbolischer Akt"

Ein mit "PRIVAT" gekennzeichneter Ordner auf dem Bildschirm eines Computers.
Die UNO-Resolution zum Schutz der Privatsphäre ist nur ein symbolischer Akt, findet Thilo Weichert. © Karl-Josef Hildenbrand/dpa
Thilo Weichert im Gespräch mit Gabi Wuttke · 27.11.2013
Die UN-Resolution zum Schutz der Privatsphäre ist nur ein erster Schritt, sagt der Datenschutzbeauftragte Schleswig-Holsteins, Thilo Weichert. Er fordert, es müsse "eine globale Menschenrechtscharta im digitalen Raum" geschaffen werden.
Gabi Wuttke: Zwei Frauen waren so richtig sauer. Dilma Rousseff sagte ihren Besuch im Weißen Haus ab, als sie erfuhr, dass sie von der NSA abgehört wurde. Die andere reagierte gegenüber den USA weniger scharf – Angela Merkel, die mächtigste Politikerin der Welt. Aber gemeinsam mit Brasilien trieb Deutschland eine UN-Resolution zum Schutz der Privatsphäre in der digitalen Welt energisch voran. Der Entwurf hat nun in New York die entscheidende Hürde genommen, und zwar einstimmig. Claudia Sarre fasst zusammen:
UN-Resolution zum Schutz der Privatsphäre angenommen
Wuttke: Das ist womöglich eine gelbe Karte für Barack Obamas Geheimdienste oder aber doch nur eine politische Symbolik, denn die bindende Resolution, die ist etwas ganz anderes. Der internationale Datenschutz, er steht bei den Vereinten Nationen unter Beobachtung, aber freiwillig bleibt er trotzdem. Thilo Weichert ist am Telefon, der Datenschutzbeauftragte von Schleswig-Holstein. Einen schönen guten Morgen!
Thilo Weichert: Ich grüße Sie! Einen schönen guten Morgen!
Wuttke: Saugen Sie als engagierter Datenschützer aus diesem Resolutionstext irgendwie Honig oder sind Sie vor allem froh, dass Datenschutz im Internet überhaupt bei den Vereinten Nationen angekommen ist?
Weichert: Also ich denke, es ist schon ein Fortschritt, dass man wirklich jetzt hier auch von der UNO und auch in den relevanten Gremien über Datenschutz diskutiert wird. Aber das ist ein ganz kleines Pflänzchen, zartes Pflänzchen, das weiterentwickelt werden muss. Und dass ist bei Weitem noch nicht verbindlich, im Gegenteil. Wenn also die USA dem zustimmen können, weil das dann entsprechend auch abgeschwächt worden ist, ist wirklich nichts anderes als ein erster symbolischer Akt.
Wuttke: Was müsste denn passieren, damit dieses Pflänzchen nicht vertrocknet?
Weichert: Das muss natürlich jetzt weiter kultiviert werden. Die Transparenz ist ein ganz wichtiger Punkt, insofern ist der angesagte Bericht ja sehr wichtig. Ich gehe aber mal davon aus, dass die UNO, die eben ja keine besonderen Untersuchungsbefugnisse hat, da jetzt nichts anderes tut als das zusammenzufassen, was öffentlich ohnehin schon bekannt ist. Es muss dann, als nächster Schritt muss tatsächlich so etwas wie eine weltweite, also eine globale Menschenrechtscharta im digitalen Raum geschaffen werden. Wir haben so eine Menschenrechtserklärung 1949 nach dem Zweiten Weltkrieg gehabt – jetzt leben wir in der Informationsgesellschaft, und da müssen Informationsfreiheit und Datenschutz, Privatsphäre, Computergrundrechte und Ähnliches müssen jetzt international anerkannt werden.
Der schleswig-holsteinische Datenschutzbeauftragte Thilo Weichert
Der schleswig-holsteinische Datenschutzbeauftragte Thilo Weichert© picture alliance / dpa / Thilo Weichert
Wuttke: Das klingt schön, das ist sicherlich auch wünschenswert, aber wir haben ja gerade gehört, dieser Entwurfstext ist eine Abschwächung des eigentlichen Entwurfs. Dass er einstimmig durch den Menschenrechtsausschuss ging, lag daran, dass er abgeschwächt wurde, für die USA, wahrscheinlich auch für Großbritannien. Also, die Hoffnung, die Sie haben, stützt sich auf wie viel Zweckoptimismus?
Weichert: Sie stützt sich definitiv nicht auf die US-Regierung, leider auch nicht auf die deutsche Regierung, die sehr, sehr zahm jetzt auch mit der US-Regierung und mit dem britischen und dem US-amerikanischen Geheimdienst umgeht. Sie stützt sich viel stärker auf die öffentliche Meinung, auf die Medien und auf einige Regierungen, denen das auch nicht passt, insbesondere dann aber auch die Europäische Union, die sehr viel härter und klarer reagiert hat und die mit einer europäischen Datenschutzgrundverordnung wirklich etwas entgegengesetzt hat gegen das Nicht-Existieren von Datenschutz in den USA.
Wuttke: Da hab ich jetzt Falten auf der Stirn, denn die EU, die hat gerade das Safe-Harbour-Abkommen mit den USA als nicht zu beanstanden erklärt.
Weichert: Das ist definitiv nicht das letzte Wort. Es gab jetzt im Augenblick eine Evaluierung von Safe Harbour, und da ist leider nicht viel rausgekommen. Gleichzeitig hat aber auch die Kommissarin Viviane Reding ganz klar signalisiert, dass die Geschäftsgrundlage für Safe Harbour für das Daten-Übermitteln in die USA weggefallen ist mit der NSA-Ausspähaffäre. Und das muss definitiv weiterverhandelt werden. Der nächste Schritt ist aber, jetzt erst mal die europäische Datenschutzgrundverordnung zu verabschieden. Die wird von der Bundesregierung gebremst. Und wenn die verabschiedet ist, dann muss es Verhandlungen zwischen Europa und den USA geben, wann wirklich Daten ausgetauscht werden dürfen. Grundrechte müssen auch in den USA anerkannt werden, und auch die digitalen Grundrechte.
Wuttke: Zum Schutz der Sicherheit im digitalen Zeitalter haben Sie ja eben auch gesagt, dass ist wichtig, dass die Medien darüber berichten, dass die Öffentlichkeit Druck macht. Nun haben wir Edward Snowden. Und offensichtlich hat es die "New York Times" auch Edward Snowden zu verdanken, dass wir einen kleinen Einblick in den Kontrollwahn der NSA bekommen haben. Das Strategiepapier bis 2020 ist in Grundzügen am Wochenende veröffentlicht worden. Hilft denn so was tatsächlich, auch aus Ihrer Sicht jetzt, den politischen Druck zu erhöhen, dadurch, dass es diese Öffentlichkeit gibt?
Weichert: Ohne diesen politischen Druck würde gar nichts passieren. Hätte es Edward Snowden nicht gegeben, hätte es diese Resolution nicht im Entwurf gegeben und auch jetzt nicht in dieser Beschlussfassung des Ausschusses und wäre sie nicht entschieden worden. Es ist absolut wichtig, ich glaube, die zentrale Erwägung, dass die Öffentlichkeit hier eben Druck ausübt. Und die deutsche Öffentlichkeit ist sehr wichtig, weil nämlich der Datenschutz, glaube ich, in Deutschland eine besonders hohe Bedeutung hat. Also insofern sind die Medien und ist die Öffentlichkeit hier aufgefordert, weiterhin die Regierung vor sich her zu treiben.
Wuttke: Das heißt, Sie erwarten was im Koalitionsvertrag?
Weichert: Ich erwarte das im Koalitionsvertrag, ich erwarte auch, dass die Bundesregierung Edward Snowden hier in Deutschland politisches Asyl gewährt. Das wäre eine Art politisches Faustpfand gegenüber den USA. Das würde auch die Ernsthaftigkeit von unseren Datenschutzbemühungen unter Beweis stellen. Leider gibt es derartige Signale weder von der SPD noch von der CDU.
Wuttke: Ja – aber eben genau deshalb, weil man untergepflügt hat, dass die Universität Rostock gerne an Edward Snowden den Professortitel verleihen würde, weil er sich für die Freiheit und für die Transparenz eingesetzt hat. In Deutschland ist doch da nichts zu holen, das müssen wir beide doch jetzt, am Tag, an dem der Koalitionsvertrag steht, schon mal einsehen?
Weichert: Ich glaube, politische Prozesse sind nichts Statisches, sondern etwas Dynamisches, und ich habe die ganz große Hoffnung, dass diese politische Dynamik dazu führt, dass früher oder später in Europa es ein Land geben wird, das Snowden Asyl gibt. Ich hoffe, es ist Deutschland, weil wirklich Deutschland es gut zu Gesicht stehen würde. Dann kann auch Herr Snowden in Rostock seine Ehren entgegennehmen und kann im Prinzip dafür auch Dank entgegennehmen, was er in der Vergangenheit, im letzten halben Jahr gemacht hat. Er hat nämlich wirklich ja die öffentliche Meinung in Sachen Datenschutz ganz weit vorangebracht. Und er hat insbesondere etwas offengelegt, was niemand so richtig glauben wollte, dass die USA eben die gesamte Welt bespitzelt.
Wuttke: Wenn wir nicht nur dasitzen und der Welt zugucken, wie sie sich dreht, dann kann sie auch gut werden. Thilo Weichert, der Datenschutzbeauftragte von Schleswig-Holstein im Interview der Ortszeit von Deutschlandradio Kultur. Herr Weichert, ich danke Ihnen sehr – bleiben Sie bei Ihrem Zweckoptimismus!
Weichert: Ich danke Ihnen auch!
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