Präsidentendekret zur Staatsarchitektur

Ein Angriff auf die Moderne und die Vielfalt

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President Donald Trump während einer Rede vor dem Kapitol Gebäude anläßlich des 37th Annual National Peace Officers' Memorial Service am 15. Mai 2018
Vorbild oder Vorgabe: Donald Trump schätzt den klassizistischen Architekturstil, wie beim Kapitol in Washington. © Kevin Dietsch / Consolidated News Photos
Von Torsten Teichmann · 16.02.2020
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In den USA sollen staatliche Bauten ab sofort ausschließlich im Stil des Klassizismus errichtet werden. So heißt es in einem Dekret Donald Trumps. Befürworter meinen, Architekten, die öffentliche Gelder bekommen, müssen ihren Kunden dienen.
Mehr Säulen und mehr Kapitäle – ist es das, was Washington derzeit braucht? Nach einem Entwurf der Trump-Administration sollen Bundesbehörden und neue Gerichtsgebäude in der US-Hauptstadt und der näheren Umgebung wieder den Arbeiten griechischer und römischer Architekten sowie deren Nacheiferern folgen.

Klassizismus versus Brutalismus

"Zum einen schützt der Entwurf die klassische Erscheinung von Washington, indem Klassizismus zum Standard wird. Wer davon abweicht, muss dies rechtfertigen. Außerhalb von Washington gibt es keinen vorgeschriebenen Stil, mit der Ausnahme von Brutalismus und Dekonstruktivismus, die der Entwurf als Architekturformen ausschließt", sagt Marion Smith von der National Civic Art Society. Dabei handele es sich um eine kleine Randgruppe, die aber das Gehör von US-Präsident Donald Trump gefunden habe, wie deren Kritiker sagen.
Außenansicht des FBI Hauptquartiers in Washington D.C., USA
Das Gebäude des FBI Hauptquartiers in Washington D.C. ist Donald Trump schon lange ein Dorn im Auge.© imago stock&people
Legendär ist Trumps Schmähung der Steinfassade des FBI-Hauptquartiers in Washington, die im Stil des Brutalismus gestaltet ist und dringend saniert werden muss. Die Idee, bestimmte Architekturstile komplett von öffentlichen Ausschreibungen auszuschließen, stößt auf Kritik.
"Der Vorschlag schafft Scheuklappen", erklärt der Architekt und Kolumnist Roger K. Lewis aus Washington. "Man schränkt von vornherein ein, obwohl Architekten Möglichkeiten und freie Ausdrucksformen kreativ herausfinden sollten. Das widerspricht meiner Meinung nach dem, wofür Amerika steht, nämlich Freiheit."

Angriff auf Moderne und Vielfalt

Architekt Lewis wägt in seiner Kritik ab. Andere sehen dagegen nur noch rot: Der Entwurf der Trump-Administration sei ein Angriff auf die Moderne und die Vielfalt, titelt die "New York Times". Die "Washington Post" fürchtet, dass Künstler, Architekten und Ingenieure, die direkt vom Bau oder Umbau von Bundesgebäuden betroffen sind, nicht an öffentlichen Debatten teilnehmen dürfen.
Die meisten Architekten empfinden die geplante Richtlinie für Bundesgebäude als Einschränkung. So ist sie wohl auch gemeint. "Architekten müssen dem Kunden dienen. Das ist sicher eine ältere Sicht von Architektur. Nur durch die Bauhaus-Bewegung und modernistische Architekturschulen ist der Gedanke entstanden, dass der Kunde keine Rolle mehr spielt", so Smith.

Die Mehrheit verlange nach Schönheit

Es sind die gleichen Geister, die auch in Europa wieder spuken: Smith nimmt in Anspruch, für eine Mehrheit zu sprechen, die nach Schönheit verlange. Im Internet veröffentlicht er dazu Tortendiagramme: Während 99,95 Prozent der Wohnhäuser im traditionellen, klassisch-einheimischen Stil errichtet worden seien, folgten 99,95 Prozent öffentlicher Bauten in Amerika einem modernistischen Stil.
"Die Idee, das Architekten, die auf öffentliches Geld angewiesen sind, komplett unberührt bleiben von der Öffentlichkeit, die in dem Fall der zahlende Kunde ist, hat keinen Platz in einer Demokratie. Das funktioniert in einem totalitären oder autoritären Regime", meint Smith.
Die Rede ist von einer Architektenelite, die abgehoben entscheide und zeichne. Die National Civil Art Society versucht mit dem angeblich Wunsch nach mehr Schönheit, ihrer Schmähung der Moderne Allgemeingültigkeit zu verschaffen. Das ist Populismus und das eindeutig der Stil der Zeit.
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