"PR 2" lebt

Franziska Rattei · 27.03.2013
Ein Roboter der Popcorn herstelltet. Wer braucht das, fragt man sich. Aber bereits in zehn bis 15 Jahren sollen diese Roboter schon viel mehr können und einfache Pflegedienste für hilfsbedürftige Menschen übernehmen. An der Universität Bremen wird fleißig daran gearbeitet.
In der Versuchsküche der Uni Bremen steht ein Roboter. "PR 2", ein sogenannter "personal robot" ist etwa eins sechzig groß. Er hat einen hellgrauen, kastenförmigen Körper, einen kleinen, viereckigen Kopf und metallene Arme mit Greifern. Vor ihm: eine kleine Kochinsel. Rechts und links Schubladen und Regalfächer, in der Mitte ein Ceran-Kochfeld. "PR 2"’’s heutige Aufgabe: Popcorn herstellen. Für Menschen ein Kinderspiel, sagt Michael Beetz, wissenschaftlicher Leiter des europäischen Forschungsprojektes "RoboHow". Aber:

"Man muss sich einfach bewusst sein, dass eben die Fähigkeiten, die Umwelt so zu manipulieren, wie wir das können, durch die Evolution über hunderte von Millionen Jahren entwickelt worden ist. Und obwohl es uns nicht bewusst ist, wie viel Rechenleistung wir in all diese Dinge reinstecken, ist die Rechenleistung da und die Aufgaben sind so kompliziert."

Das heißt: "PR2" muss alles, was er kann, erst einmal lernen. In der Versuchsküche sitzen fünf junge Männer vor Laptops und Monitoren. Einige von ihnen beschäftigen sich mit den Armbewegungen des Roboters. Noch erklären sie "PR 2" in Programmiersprache, was er tun soll. Das Ziel ist aber, dass der "personal robot" auch Anweisungen in menschlicher Sprache versteht, erklärt Moritz Tenorth, der technische Leiter des Projekts "RoboHow".

"Also dass er weiß, welche einzelnen Aktionen nötig sind, um zum Beispiel einen Pfannkuchen zu backen oder um Popcorn zu machen. Wo er die Objekte in der Umgebung findet, wie er sie aus der Schublade raus bekommt und so was."

Genau darum geht es jetzt. – Via Computertastatur und Kabel bekommt "PR 2" den Befehl, Popcorn herzustellen. Ab jetzt arbeitet er selbstständig. Langsam, kontrolliert und vorsichtig senkt sich sein rechter Oberarm. Ein metallener Greifer öffnet sich und holt einen Topf aus dem Regal der Kochinsel. Den stellt "PR2" etwas unsanft auf der Kochfläche ab. Das Zusammenspiel von Farb- und Tiefensehen und die Rückkopplung zwischen Bewegung und Sehen beherrscht der Roboter noch lange nicht so gut wie der Mensch, sagt Michael Beetz:

"Eine der Hauptschwierigkeiten ist dabei, dass die Sensoren und auch die Kamera, die der Roboter benutzt, relativ ungenau sind, also mehrere Zentimeter Ungenauigkeit haben und manche Dinge gar nicht sehen können, und dass er deshalb eben alles das, was der Mensch im Schlaf macht, mit den Daten, die er hat, eigentlich gar nicht richtig hinkriegen kann."

Auf dem Kopf von "PR 2" sitzt ein sogenannter Kinect-Sensor, mit dem der Roboter seine Umgebung beobachten kann. Auf Augenhöhe befinden sich mehrere Kameras – deren Bilder werden an die umstehenden Monitore gesendet und dort von Informatikern überwacht.

Außerdem hat "PR 2", etwa in der Halsgegend, einen Laserscanner. Der bewegt sich in einer rollenden Bewegung ständig auf und ab und liefert Tiefen-Informationen. So schafft es der Roboter, eine Schublade zu öffnen, einen Teller mit Maiskörnern herauszuholen und diese in den Topf auf dem Herd zu schütten.

Geräusche: Körner rieseln in Topf, Teller abstellen, Topf schließen

"PR 2" stellt den Teller neben dem Herd ab, schaltet die Platte an, greift den Topfdeckel und schließt den Topf. Jetzt muss er warten, bis das Popcorn gar ist. "Hören" kann der Roboter nicht, er stoppt einfach die Zeit. Popcorn herstellen ist erst der Anfang, sagt Michael Beetz. Er und seine Kollegen arbeiten daran, dass "PR 2" bald selbstständig lernt.

Die Programmierung von "PR 2" läuft seit etwa fünf Jahren. Dabei ist es ein großer Vorteil, dass der Roboter nicht einzigartig ist. Weltweit existieren rund 30 "PR 2"s, sagt Moritz Tenorth.

"Die Hardware, die Motoren und die Greifer sind identisch. Und dadurch kann man Lösungen, die man auf einem Roboter entwickelt hat, eben auch auf anderen Robotern ausprobieren. Das hat die Entwicklung massiv beschleunigt, weil man so auf Forschungsergebnissen anderer Gruppen leicht aufbauen kann. Wenn z.B. eine Gruppe daran arbeitet, die Bewegung der Arme zu planen, sodass er eben gut Objekte greifen kann, aus Schubladen zum Beispiel, dann können wir diese Sachen einfach einsetzen und auf unserem Roboter verwenden, ohne dass wir jetzt alles neu erfinden müssten."

Geräusch: Popcorn poppt

"PR 2" hat lang genug gewartet. Die Körner im Kochtopf platzen – das Popcorn ist fertig. Der Roboter stellt den Herd aus, rückt den Topf von der heißen Platte und nimmt den Deckel ab. Er leert das Popcorn in den bereitgestellten Teller und greift nach einer Salzmühle. Dass er die beim Mahlen zerstört, bemerkt er nicht.

Geräusch: Salzstreuer

Moritz Tenorth: "Was halt noch sehr schwierig ist für Roboter: Objekte mit beiden Händen zu manipulieren, also bei der Salzmühle den Deckel und den Hauptteil festzuhalten und beides zueinander zu bewegen. Das ist noch zu tun auf der Objekt-Interaktionsebene. Aber eine große Herausforderung ist auch, dass die Roboter noch sehr wenig Verständnis dafür haben, was sie tun."

Das heißt: "PR 2" kann momentan nur in genau dieser Versuchsküche mit genau diesen Küchen-Utensilien hantieren. In einem normalen Haushalt würde er sich nicht zurechtfinden. Aber das ist das Langzeit-Ziel, sagt Michael Beetz. Er sieht Roboter als Werkzeuge, die Menschen künftig mehr zur Hand gehen sollen; vor allem denen, die körperlich stark eingeschränkt sind.

"Was wir machen wollen ist eben: diese Leute unabhängig zu machen, sodass sie selbst einen Roboter instruieren können und sagen: ´Ich brauch jetzt das!` Und der Roboter würde das nur holen und bringen, aber das würde eben die Unabhängigkeit von Menschen verbessern können."


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