Populisten im Aufwind

"Eine Bedrohung für die Wirtschaft"

Thomas Mayer, ehemaliger Chef-Volkswirt der Deutschen Bank
Thomas Mayer war 2010-2012 Chefvolkswirt der Deutschen Bank. Danach hat er für die Vermögensverwaltung Flossbach von Storch eine Denkfabrik mit aufgebaut. © imago stock & people
Thomas Mayer im Gespräch mit Liane von Billerbeck · 26.05.2016
Trump & Co: In den USA, aber auch in Europa sind Populisten auf dem Vormarsch. Was bedeutet ihr wachsender Einfluss für unsere wirtschaftliche Entwicklung? Thomas Mayer, Ex-Chefvolkswirt der Deutschen Bank, sieht Anlass zur Sorge.
Wirtschafts- und Finanzkrisen begünstigen den Aufstieg von Populisten - davon ist Thomas Mayer überzeugt. Der Gründungsdirektor des "Flossbach von Storch Research Instituts" nimmt jüngste Warnungen von Investoren ernst: "Man macht sich Sorgen, dass mit dem politischen Populismus unsere liberale Wirtschaftsordnung so langsam zurückgedrängt wird."
Nach der Finanzkrise 2008/09 hätten viele Menschen diese Wirtschaftsordnung für ihre persönliche Lage verantwortlich gemacht und deshalb antiliberale Populisten gewählt - vor allem aus dem rechten Lager. Deren starke Ausrichtung auf Nationalstaaten komme in Zeiten der Angst vor der Globalisierung gut an. Mayer spricht von einer "Bedrohung für unsere weitere positive wirtschaftliche Entwicklung".

Ähnlichkeiten zur Depression der 30er-Jahre

Nach Ansicht Mayers ist die Größe der jüngsten Finanzkrise vergleichbar mit derjenigen der Jahre 1929/30 und der anschließenden Depression: In den USA habe sie damals zu einem "enormen Linksrutsch für dieses Land und diese Zeit" geführt - mit dem Aufstieg der Roosevelt-Administration und dem sogenannten New Deal. In Deutschland seien die Nationalsozialisten an die Macht gekommen, so Mayer:
"Was wir jetzt gesehen haben in der Nach-Zeit der Finanzkrise: Die wirtschaftliche Zuversicht der durchschnittlichen Arbeitnehmer ist deutlich zurückgegangen. In den USA rechnen die Leute nicht mehr damit, dass sie wirtschaftlich aufsteigen. Bei uns fühlen sich einige systematisch benachteiligt. Deshalb sehen Sie so ein bisschen - Gottseidank in abgeschwächter Form - (…) diese Entwicklung wieder, die wir nach der Depression der 30er-Jahre sahen."

Das vollständige Interview im Wortlaut:

Liane von Billerbeck: Wer als Nächster ins Weiße Haus einziehen wird, das weiß der Himmel. Dass aber Donald Trump Kandidat der Republikaner wird für dieses Amt, das steht fest. Und wenn die Möglichkeit besteht, dass so ein Mann ins Weiße Haus kommt, dann macht man sich schon seine Gedanken. Nicht nur was das politisch bedeutet, sondern auch was es wirtschaftlich heißen könnte. Die IT-Kids aus dem Silicon Valley haben gestern schon mal verkündet, keine Sympathien für Trump zu hegen.
Aber wir müssen ja nicht nur über Trump reden: Wenn wir uns Europa ansehen, dann sind auch hier von Lettland über Ungarn bis Finnland vielerorts Populisten am Drücker. Da interessiert uns, was ein Mann der Wirtschaft und des Geldes von ihnen hält! Professor Thomas Mayer ist Gründungsdirektor des Flossbach von Storch Research Institutes und zuvor war er Chefvolkswirt der Deutschen Bank. Schönen guten Morgen!
Thomas Mayer: Guten Tag, Frau von Billerbeck!
von Billerbeck: Populisten vertreiben Investoren aus Europa, so hat gestern die Tageszeitung "Die Welt" getitelt und beschrieben, warum manche Investoren aus Angst vor Populisten Gelder aus europäischen Aktienfonds abgezogen haben. Nun sind allerdings nur wenige Populisten in Europa tatsächlich an der Macht. Noch. Ist das die Angst der Investoren vor Gespenstern?
Mayer: Das sind keine Gespenster. Man macht sich Sorgen, dass mit dem politischen Populismus unsere liberale Wirtschaftsordnung so langsam zurückgedrängt wird. Diese liberale Wirtschaftsordnung ist unter Druck gekommen aus der Finanzkrise, viele Leute zweifeln an dieser Wirtschaftsordnung, sie glauben, dass ihre persönliche Lage eben gerade damit was zu tun hat, mit der sie nicht zufrieden sind, dass wir marktwirtschaftlich, liberalwirtschaftlich organisiert sind. Weil sie das glauben, begünstigen sie den Aufstieg der antiliberalen Populisten, das wiederum stellt eine Bedrohung dar für unsere weitere positive wirtschaftliche Entwicklung.

Angst vor Globalisierung hilft Rechtspopulisten

von Billerbeck: Haben wir damit nicht das Problem von Henne und Ei? Also, wenn die Wirtschaft auf wackeligen Beinen steht, steigen die Erfolgschancen von Populisten, und wenn Populisten erfolgreich sind, dann wackelt die Wirtschaft?
Mayer: Nicht unbedingt. Das Problem ist, dass viele Leute nicht gesehen haben, dass es nicht an unserer liberalen Wirtschaftsordnung gelegen hat, dass die Finanzkrise gekommen ist, sondern dass wir unseren Finanzsektor falsch organisiert haben, indem wir nicht genügend darauf geachtet haben, dass Entscheidungen im Finanzsektor auch entsprechend mit der Haftung der Entscheider verbunden werden. Das ist eine Frage, dass wir eigentlich nicht wirklich marktwirtschaftlich unterwegs waren im Finanzsektor.
Diese Vermischung zwischen Entscheidungsfreiheit, aber der Möglichkeit, das Risiko weiterzuschieben, hat zu diesen Exzessen geführt. Das ist ein Problem, das für den Außenstehenden, für den Laien vielleicht nicht direkt erkennbar ist. Insofern macht er dann unsere liberale Wirtschaftsordnung für das Problem verantwortlich, er begünstigt Parteien, die antiliberal sind. Früher waren das eher linke Populisten, aber die Linken haben jetzt heutzutage ein schwaches Argument, weil, die Linken sind ja auch Internationalisten, sie wollen ja immer alles auf internationaler Ebene regeln.
Das verliert an Glaubwürdigkeit in einer Zeit, in der die Leute auch über die Globalisierung reden und vor der Globalisierung Angst haben. Und das begünstigt deshalb eher rechte Populisten, die die Globalisierung durch den Nationalstaat, durch das größere Gewicht auf den Nationalstaat wieder bekämpfen wollen.

Einige fühlen sich systematisch benachteiligt

von Billerbeck: Gibt es da tatsächlich einen Zusammenhang zwischen der Konjunktur und dem Erfolg von Populisten?
Mayer: Ich würde nicht sagen zwischen der Konjunktur. Konjunktur, da stellt man sich immer so das schön regelmäßige Auf und Ab der Wirtschaft vor. Ich glaube, es gibt einen Zusammenhang zwischen Wirtschaftskrisen oder Finanzkrisen und Populisten. Wir hatten jetzt 2008/09 – aber wir sind ja immer noch in den Nachwirkungen, mit den Nachwirkungen beschäftigt –, wir hatten 2008/09 eine Finanzkrise, die von ihrer Größe her vergleichbar war mit der Finanzkrise von 1929/30, die dann zur Depression geführt hat in den USA bis 33/34. Und wenn Sie sich da mal anschauen, was da an Populismus entstand …
Die Finanzkrise war sicherlich nicht ursächlich, aber hat doch begünstigt einen demokratischen Populismus in den USA, der Aufstieg der Roosevelt-Administration, New Deal, ein enormer Linksrutsch für dieses Land zu dieser Zeit. Und in Deutschland hatten wir am Ende die Nationalsozialisten. Natürlich war das nicht alles nur jetzt zurückzuführen auf diese Entwicklung, aber die Depression hat doch wesentlich dazu beigetragen.
Was wir jetzt gesehen haben in der Nach-Zeit der Finanzkrise, die Zuversicht, die wirtschaftliche Zuversicht des durchschnittlichen Arbeitnehmers ist deutlich zurückgegangen, in den USA rechnen die Leute nicht mehr damit, dass sie wirtschaftlich aufsteigen. Bei uns fühlen sich einige systematisch benachteiligt. Und deshalb sehen Sie so ein bisschen – Gott sei Dank in abgeschwächter Form – diese Entwicklung wieder, die wir nach der Depression der 30er-Jahre sahen.
von Billerbeck: Thomas Mayer war das, Unternehmensberater und einst Chefvolkswirt der Deutschen Bank. Ich danke Ihnen!
Mayer: Danke Ihnen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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