Polizei beim Fußball

Bremen weigert sich weiter, für Risikospiele zu zahlen

Die Polizei versucht am 01.03.2014 am Weserstadion in Bremen Fans des Hamburger SV daran zu hindern, zu den Fans von Werder Bremen zu gelangen.
Risikospiele wie hier gegen den Hamburger SV fordern in Bremen über tausend Polizisten - das Land will die Kosten nun erstattet bekommen. © picture alliance / dpa / Carmen Jaspersen
Von Franziska Rattei  · 07.12.2014
Bremen bleibt dabei: Bei besonders brisanten Fußballspielen will der Stadtstaat nicht für die zusätzlichen Polizeikosten aufkommen. Das sorgt für Ärger mit der Deutschen Fußball-Liga (DFL), auch die Polizeigewerkschaft kritisiert die Entscheidung.
Björn Tschöpe, Fraktionsvorsitzender SPD Bremer Bürgerschaft: "Wir sind der Meinung, dass derjenige, der den wirtschaftlichen Nutzen aus Veranstaltungen hat, auch für die Kosten dieser Veranstaltungen aufkommen muss."
So fasst es Björn Tschöpe zusammen. Mit "derjenige" meint der SPD-Fraktionsvorsitzende in der Bremer Bürgerschaft die Deutsche Fußballliga. Mit „Veranstaltungen" meint er Fußballspiele, die sein Partei-Kollege, Innen- und Sportsenator Ulrich Mäurer, mit drei G's charakterisiert.
Ulrich Mäurer, Senator für Inneres und Sport, SPD: "Es muss eine Großveranstaltung sein. Das ist das erste G. Das zweite G: es muss eine gewinnorientierte Großveranstaltung sein. Und es muss hinzukommen, dass es eine Veranstaltung ist, wo gewalttätige Ausschreitungen erwartet werden."
Kurz: es geht um die Fußballspiele, bei denen traditionell verfeindete Fans aufeinandertreffen: Werder Bremen – Hamburger SV etwa oder - wie am kommenden Samstag: Werder Bremen– Hannover 96. Zu solchen Gelegenheiten holt sich Bremens Polizei Verstärkung aus ganz Deutschland. Mehr als eintausend Beamte sind dann im Einsatz. Jochen Kopelke, Landesvorsitzender der Polizeigewerkschaft in Bremen.
Kritik am Bremer Vorstoß
Jochen Kopelke, Landesvorsitzender der Polizeigewerkschaft in Bremen: "Meine Kolleginnen und Kollegen gehen in Einsätze, die 15 bis 20 Stunden dauern, werden geschlagen, getreten, bespuckt und dann in Körperschutz-Ausrüstung, behelmt. – Rivalisierende Fangruppen, die sich schlagen, mit Leuchtspur-Geschossen beschießen, mit Eisenstangen aufeinander losgehen und das meist nicht nur am Stadion, sondern auch schon auf der Anreise, wenn sie aus Hannover, aus Hamburg den Weg nach Bremen suchen. Also auf einmal ist der ganze Norden Deutschland gefordert für ein solches Risikospiel, und dieser Aufwand hat sich ja dann in unserem Fall der Senator für Inneres angeschaut und hat gesagt: so kann es nicht weitergehen."
Da sind sich der Polizeibeamte und der Senat noch einig. Ansonsten kritisiert Kopelke, übrigens genauso wie der GDP-Bundesvorsitzende, den Bremer Vorstoß. Es gehe darum, gemeinsam Lösungen gegen die Gewalt zu finden – vor allem präventiv, zusammen mit den Vereinen, der DFL und allen Bundesländern. Bremens Alleingang sei ein Schritt in Richtung Isolation und verbreite Missstimmung. Es gibt weitere Kritik, von der politischen Opposition, aber auch von Bremens Fußball-Verein Werder.
Klaus Filbry, Geschäftsführer Werder Bremen: "Wir verurteilen natürlich das Vorgehen des Bremer Senats hier aufs Schärfste und sind anderer Meinung. Wir sind der Meinung, dass es verfassungsrechtlich nicht zulässig ist, und dementsprechend wird die DFL, zusammen mit Werder Bremen, natürlich auch alle juristischen Schritte wahrnehmen, um dagegen vorzugehen."
Klaus Filbry, Geschäftsführer von Werder Bremen. Zwar soll -laut Senat- die Deutsche Fußball Liga für die Polizei-Mehrkosten bei Risikospielen aufkommen. Aber die DFL hat angekündigt, die Kosten an Werder weiterzureichen. Und – sozusagen als zusätzliche Drohgebärde – hat die Deutsche Fußball Liga Bremen im November kurzerhand das Länderspiel gegen Gibraltar entzogen. Reinhard Rauball, Präsident des Ligaverbandes:
Reinhard Rauball: "Denn es kann nicht sein, dass wir Bremen etwas Gutes tun und im Umkehrschluss fürchten müssen, dass wir für bestimmte Kosten von dort aus in Anspruch genommen werden."
"Wer den Vorteil hat, der muss auch für die Kosten aufkommen"
Doch. Genau das muss die DFL fürchten. Davon ist Bremen überzeugt. Der Jurist Joachim Wieland pflichtet Deutschlands kleinstem Bundesland bei. Er kennt es, weil er Bremens Prozessbevollmächtigter in der Länderfinanzausgleichklage ist. Außerdem hat Wieland einen Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Finanz- und Steuerrecht an der Uni in Speyer. Es ist eigentlich gar nicht so kompliziert, sagt er.
Joachim Wieland, Jurist: "Wer den Vorteil hat, der muss auch für die Kosten aufkommen. Das ist ein Grundsatz, der durchzieht eigentlich das gesamte Polizeirecht, in solchen Fällen, wo die Polizei zu Gunsten eines Privaten eingreift, der auch einen wirtschaftlichen Vorteil hat. Dann soll der auch bezahlen. Ein klassisches Beispiel ist etwa der Hauseigentümer, der eine Alarmanlage hat, und die löst einen Fehlalarm aus. Wenn die Polizei dann ausrückt, dann muss der Hauseigentümer 120 Euro bezahlen für die Kosten, die der Polizei entstanden sind. Weil man sagt: das ist sein Vorteil, dass in einem solchen Fall die Polizei auch kommt, und es fällt in seinen Verantwortungsbereich, wenn die Alarmanlage losgeht, ohne dass Einbrecher da waren."
Partie gegen Hannover ist kein Risikospiel mehr
Auf die DFL kämen allerdings etwas mehr als 120 Euro zu. Statt ein paar hundert Polizisten sind bei Risikospielen mehr als eintausend Beamte im Einsatz. Die Mehrkosten belaufen sich auf mehrere hunderttausend Euro. Das Spiel am kommenden Samstag- Werder Bremen gegen Hannover 96 - hätte genau so ein Spiel werden können. Doch nun hat sich Innensenator Ulrich Mäurer entschieden, die Partie nicht als sogenanntes "Rot-", sondern als „Gelb-Spiel" zu klassifizieren. Die gewaltbereiten Hannover-Fans tummelten sich seit Kurzem eher in der zweiten Liga. Für das Derby am 13. Dezember erwarte man keine Krawalle. Aber die Vermutung, dass Bremen Angst vor der eigenen Courage bekommen hat, liegt nahe.
Senator Ulrich Mäurer: "Nein, wir wollen ja, dass unsere Spiele hier auch mit einem Minimum an Personal ablaufen. Dass sie friedlich bleiben, das ist unser primäres Ziel. Wir wollen nun nicht irgendwie den Polizeieinsatz künstlich hochfahren, damit wir Kosten geltend machen können. Sondern wir wollen Kosten vermeiden. Und deswegen werden wir ein Spiel, was als "gelb" sich jetzt abzeichnet nicht als 'rot' hochstufen."
Die DFL wird ihre erste Rechnung aus Bremen also voraussichtlich erst im April erhalten. Dann spielt Werder gegen Hamburg. Die anderen Bundesländer, die sich bislang noch nicht getraut haben, König Fußball in Frage zu stellen, können sich den 29. Spieltag der Bundesliga schonmal vormerken. Denn wenn danach ein Rechtsstreit ins Rollen kommt und Bremen gegen die DFL gewinnt, werden andere Bundesländer nachziehen. Dann können sie sicher sein, dass die Mehrkosten für Polizeieinsätze bei Risikospielen künftig aus Frankfurt bezahlt werden.
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