Politologe über rechte Traditionen in den USA

"Katastrophe, wenn Herr Trump das Weiße Haus gewinnen würde"

Donald Trump nach seiner Wahl zum Präsidentschafts-Kandidaten der Republikaner
Donald Trump nach seiner Wahl zum Präsidentschafts-Kandidaten der Republikaner © dpa/picture alliance
Stephen Bronner im Gespräch mit Korbinian Frenzel · 08.08.2016
Donald Trump ist keineswegs nur ein schriller Sonderfall der amerikanischen Politik, meint der Politikwissenschaftler Stephen Bronner. Er verortet Trump in einer Traditionslinie rechtsextremer und reaktionärer Bewegungen der USA.
"In Europa hat man die Idee, dass Amerika irgendwie immer moderat war in der Politik, dass es keinen Extremismus gab und so. Und das stimmt einfach nicht", meint der Politikwissenschaftler Stephen Bronner von der Rutgers-Universität in New Jersey.

McCarthys rechte Hand Roy Cohn war Trumps Mentor

Beispielsweise habe es im 19. Jahrhundert die Bewegung der "Know Nothings" gegeben, die sich vehement gegen eine weitere Einwanderung von Nicht-Protestanten aussprach. Nach dem Sezessionskrieg habe sich dann der Ku-Klux-Klan gebildet. "Das war eine Massenbewegung, keine kleine Clique", betont der Politikwissenschaftler.
"In den 1920er-Jahren dann gab es verschiedene Rechtsbewegungen, die 'America Firsters'. Dann nach dem Zweiten Weltkrieg gab es Herrn McCarthy, der hat auch seine Massenunterstützung gehabt."
Ausgerechnet Joseph McCarthys rechte Hand, Rechtsanwalt Roy Cohn, sei Donald Trumps Mentor gewesen, so Bronner.
"Der Punkt ist, dass es eine Tradition für diesen Rechtsextremismus immer gegeben hat."

Unterschätzte Massenbasis für Trump

Auch was außenpolitische Unberechenbarkeit angeht, ist Trump offenbar kein Einzelfall: "Diese Art außenpolitische Unwissenheit und Inkompetenz gab es auch bei seinen Konkurrenten, bei Herrn Cruz - und Herr Carson ist wirklich auch nicht zu fassen."
Gerade wegen dieser Unberechenbarkeit wäre es eine Katastrophe, wenn Donald Trump ins Weiße Haus einziehen würde, warnt Bronner. Dass das geschehe, sei zwar unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich. Es gebe eine Massenbasis für Trump, die oft unterschätzt würde. So seien der Süden und der Mittlere Westen der USA traditionell reaktionär.

Das Interview im Wortlaut: (*)
Korbinian Frenzel: Sie kennen die Geschichte mit Donald Trump und dem Baby, oder? Das Baby, das zu viel schrie während einer seiner Reden vor ein paar Tagen?
((Donald Trump))
Schafft das Baby raus! Donald Trump, wie wir ihn kennen – unberechenbar. Aber seither muss man sagen, war nichts. Donald Trump hat zumindest für ein paar Tage Kreide gefressen oder Valium genommen, was auch immer. Wer weiß, wie lange er das durchhält, wer weiß, wie sehr wir uns noch mit diesem Mann beschäftigen werden müssen – trotz all des Gegenwindes, den er bekommt. Im Gespräch dazu jetzt live Stephen Bronner, politischer Philosoph und Professor unter anderem der Germanistik an der Rutgers University in New Brunswick. Ich grüße Sie, guten Morgen aus Berlin!
Stephen Bronner: Guten Abend aus New York!
Frenzel: Trump also ohne Skandal die letzten Tage, heute will er gemeinsam mit anderen, mit einem Kreis von Experten sein Wirtschaftsprogramm vorstellen. Ist der Mann am Ende doch team- oder sogar lernfähig, ist die One-Man-Show des Donald Trump vorbei?
Bronner: Da ist ein starker Druck von fast der ganzen republikanischen Partei, dass er irgendwie die verschiedenen Fraktionen zusammenbringt. Und das probiert er jetzt. Heute Nachmittag hat gerade Jeb Bush's Sohn ihn unterstützt, das war wirklich nicht zu erwarten, aber es sieht sehr, sehr schlecht für Herrn Trump aus.

Ein "October Surprise" ist möglich

Frenzel: Die Frage ist ja gerade, wenn wir auf Donald Trump schauen und all das, was uns hier in Europa um ihn herum bewegt, erleben die USA da gerade eine beispiellose – ich will mich so weit rauswagen mit dem Wort – Katastrophe, ein Mann so nahe an dem Weißen Haus, der da nicht reingehört, oder gab es so was auch schon mal?
Bronner: Ich meine, das wäre eine Katastrophe, wenn Herr Trump das Weiße Haus gewinnen würde, aber das ist jetzt … Vielleicht kann ich es so ausdrücken: Wahrscheinlich wird er nicht gewinnen, aber es ist möglich, dass er gewinnt. Dieser ganze Wahlkampf ist noch jung sozusagen, und es gibt die Möglichkeit, wie man bei uns sagt, für ein "October Surprise", das heißt eine Überraschung im Oktober. Und das weiß man. Aber wie es jetzt aussieht, wenn ich das ganz grob sagen kann, der hat es wirklich versaut. Vor zwei Wochen war der Wahlkampf ganz, ganz eng, und jetzt natürlich, nach diesen schrecklichen Bemerkungen und dieser absurden Bemerkung besonders über diese Gold-Star-Familie, wie man sagt …
Frenzel: ... die Familie des Veteranen, der gestorben ist.
Bronner: Ja … das ist ein echt Begriff bei uns, diese Gold Star Family. Und das war ein Riesenfehler, interessanterweise war es auch so bei Joseph McCarthy, den Demagogen aus den 50er-Jahren. Ein sehr großer Fehler, den er gemacht hat, war, dass er die Armee angegriffen hat. Er hat gesagt, dass verschiedene Kommunisten in der Verwaltung der Armee sind, und das war natürlich nicht der Fall, aber der Punkt war, dass er die Armee angegriffen hat. Und das war der Fehler, den Herr Trump auch gemacht hat.
Frenzel: Herr Bronner, Sie sagen, es ist nicht wahrscheinlich, aber es könnte durchaus passieren, dass Donald Trump am Ende ins Weiße Haus einzieht. Für mich ist die Frage, für viele ist die Frage hier auch aus der Ferne der Beobachtung: Ist Trump einfach nur ein sprunghafter, aber irgendwie harmloser Irrer, dem es reicht, wenn er am Ende mit der Air Force 1 durch die Welt jetten kann? Oder ist er im wirklichen politischen Sinne gefährlich wie eine Marine Le Pen, wie der Erdogan in der Türkei, wie ein Putin?
Bronner: Ich denke, er ist anders als Herr Putin, aber ja, der ist sehr gefährlich, gerade weil er so unberechenbar ist. In der Außenpolitik besonders ist sehr, sehr wichtig, dass man irgendwie eine Logik voraussetzen kann. Und wenn diese Logik nicht existiert, wenn das Unberechenbare wirklich im Vordergrund steht, das kann sehr, sehr schlimm sein. Und es ist auch wichtig zu wissen, dass der Herr Trump kein Unikum ist. Ich meine, diese Art außenpolitische Unwissenheit und Inkompetenz, das gab's auch bei seinen Konkurrenten, bei Herrn Cruz, und Herrn Carson ist wirklich auch nicht zu fassen.

Trumps Mentor war die rechte Hand Joseph McCarthys

Frenzel: Herr Bronner, der amtierende Präsident Barack Obama hat sich ja in dieser Hinsicht ziemlich klar geäußert, nämlich so:
Barack Obama: Somebody who makes those kinds of statements, doesn't have the judgment, the temperament, the understanding, to occupy the most powerful position in the world.
Barack Obama sagt das. Es geht immerhin um den mächtigsten Job der Welt. Stephen Bronner, kann es sein, dass vielen Amerikanern das nicht klar genug ist, oder ist es ihnen egal?
Bronner: Nein, ich denke, da ist – für Herrn Trump – da ist eine Massenbasis, die oft unterschätzt wird. Die Tea Party und die Gegenden, die für ihn stehen, die sind traditionell im Süden, mittleren Westen schon reaktionär. In Europa hat man die Idee, dass Amerika irgendwie immer moderat war in der Politik, dass es keinen Extremismus gab und so, und das stimmt einfach nicht. Wenn man zurückgeht ins 19. Jahrhundert, gab es eine Bewegung - Anfang des 19. Jahrhunderts -, die hieß "Know Nothings". Danach kam in derselben Gegend, nach dem Bürgerkrieg, der Ku-Klux-Klan, das war eine Massenbewegung, keine kleine Clique. Danach, in den 20ern, gab es verschiedenen Rechtsbewegungen, die America Firsters. Dann, nach dem Zweiten Weltkrieg, gab es Herrn McCarthy und er hat auch eine Massenunterstützung gehabt. In der Tat, die rechte Hand von Herrn McCarthy war der Mentor für Donald Trump, der hieß – der ist wirklich schon fies – der hieß Roy Cohn. Und der Punkt ist, dass es eine Tradition von diesem Rechtsextremismus immer gegeben hat.
Frenzel: Eine Tradition, Herr Bronner, in der Donald Trump steht. Ich danke Ihnen ganz herzlich für Ihre Einschätzungen, aus den USA Stephen Bronner im Gespräch, vielen Dank! Das Phänomen Trump.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
(*) Gegenüber der gesendeten Fassung wurden einige Stellen sprachlich geglättet.
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