Politische Karikaturen

"Die arabisch-islamische Welt ist nicht humorfrei"

Jemand liest eine ältere Ausgabe von "Charlie Hebdo" mit einer Mohammed-Karikatur auf dem Titel.
Auch wenn Mohammed-Witze ein Tabu sind, gibt es eine lange Tradition der arabischen Karikatur (hier eine ältere Ausgabe von "Charlie Hebdo") © AFP/Martin Bureau
Stefan Weidner im Gespräch mit Joachim Scholl  · 13.01.2015
Auch in der arabischen Welt seien Witz und Spott beliebt, sagt Islamwissenschaftler Stefan Weidner. Oft würden Karikaturen gegen ideologische Gegner eingesetzt. Auch in religiösen Zusammenhängen seien sie kein Tabu.
"Man muss ja auch sehen, dass man die Witze am liebsten über die anderen erzählt und nicht über sich selber", sagte der Schriftsteller und Übersetzer Stefan Weidner im Deutschlandradio Kultur. "Genau das tun die Araber mit großer Vorliebe." Sie erzählten gerne Witze, nicht nur über Nicht-Araber, sondern auch über Politiker oder andere Gegner.
Gerade die Karikatur habe seit der Einführung der Zeitungen Ende des 19. Jahrhunderts eine lange Tradition in der arabischen Welt. "Und seitdem gab es, genauso wie bei uns, Karikaturen", sagte Weidner. Da es in der arabischen Welt große Probleme gab, habe es auch immer sehr viel zu karikieren gegeben. "Das ist eine politische Waffe gewesen", betonte der Autor, der selbst aus dem Arabischen übersetzt. Es habe großartige Karikaturen gegeben, aber natürlich immer mit einer eigenen Perspektive. "Es hat immer eine bestimmte politische Richtung ihre Gegner karikiert."
Karikaturen über den "Islamischen Staat"
Auch religiöse Zusammenhänge seien dabei kein Tabu. "Es gibt mittlerweile sehr viele Karikaturen, die sich zum Beispiel über den Islamischen Staat, über diesen Pseudo-Kalifen Baghdadi lustig machen, über bigotte Religionsprediger – das ist relativ stark verbreitet." Aber es gebe natürlich auch die Tabuzone Mohammed. "Man nimmt Mohammed nicht auf den Arm", sagte Weidner.
Das sei nicht üblich und hänge zusammen, dass jeder Muslim seinen eigenen Mohammed verinnerlicht habe. Es handele sich dabei nicht nur um ein Verbot und Karikaturisten hätten davor nicht etwa Angst. "Der Mohammed ist für sie keine reale Figur, sondern ist sozusagen die eigene Idealvorstellung, so ein diffuses Vorbild." Wer sich darüber lustig mache, treffe sich selbst.
Einige säkulare Moslems amüsieren sich auch über Mohammed-Karikaturen
Auf den Spott der Anderen werde empfindlich reagiert, besonders dann, wenn man selbst große Probleme habe. "Das heißt aber nicht, dass die arabisch-islamische Welt humorfrei wäre", sagte Weidner. Es gebe sicher auch säkulare Moslems, die sich über Mohammed-Karikaturen amüsiert hätten, aber das mache man nicht öffentlich. "In dem Moment, wo man sich damit identifiziert und das irgendwie gut findet, macht man sich sehr angreifbar." Gerade die autoritären Regime seien sehr dankbar dafür, wenn sie jemanden wegen eines Religionsdelikts anklagen könnten.
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