Politische Eliten

Die da oben – kommen sie von unten?

Bundeskanzlerin Angela Merkel und US-Präsident Barack Obama im Weißen Haus in Washington. Im Hintergrund ein Kamin.
Bundeskanzlerin Angela Merkel und US-Präsident Barack Obama im Weißen Haus in Washington © dpa/ picture-alliance/ Kay Nietfeld
Von Alison Smale · 27.10.2016
Bill Clinton kommt aus kleinen Verhältnissen, Hillary Clinton auch - von Barack Obama ganz zu schweigen. Und in Deutschland ist Angela Merkel nun auch keine Erbin eines Millionenimperiums gewesen. Wie sehen die Machteliten in den USA und bei uns aus, wie sind sie strukturiert?
Auf einen Satz zusammengefasst und grob gesagt: Die deutschen Eliten sind Bildungseliten, die Eliten der USA eher Geldeliten. Wobei das in mancher Hinsicht fast auf das Gleiche hinausläuft. Denn eine gute Bildung ist den USA oft nicht allein durch Stipendien zu finanzieren, sondern durch viel eigenes Geld. Geld, dass die Studenten und ihre Eltern immer schwerer zurückzahlen können.
In Deutschland versucht man – zu Recht, wie ich finde –, immer noch sozial auszugleichen, zum Beispiel über eine relative hohe Einkommenssteuer. Private Schulen haben hier nicht den Anteil am Erziehungswesen, den sie zum Beispiel in England haben. In Deutschland hängt der Besuch einer guten Schule aber entscheidend davon ab, dass man es sich leisten kann, in einem besseren Stadtteil zu wohnen.

Aufstieg ist in beiden Ländern möglich - im Einzelfall

2015 hat "Die Zeit" acht Prominente befragt, die den sozialen Aufstieg beziehungsweise Berufserfolg trotz bescheidenem Familienhintergrund geschafft haben. Neben Frank Walter Steinmeier oder Museumsdirektor Martin Roth hat auch Cem Özdemir von seiner Kindheit erzählt und klargemacht, wie sehr er Vorurteile gegenüber seiner türkischen Herkunft überwinden musste. Bereits in der ersten Klasse sagte eine Grundschullehrerin seiner Mutter, dass man den Jungen sowieso in die Türkei zurückschicken würde. Das deutet auch auf strukturelle Probleme hin.
In den USA wird gute Bildung natürlich hoch gepriesen. Bill Clinton, seine Frau Hillary, der jetzige Präsident Barack Obama und seine Frau Michelle sind Musterbeispiele von Outsidern, die aus bescheidenen Verhältnissen stammen und es dank des Besuchs von Top-Universitäten zum großen Erfolg gebracht haben. Leuten aus der Mittelklasse fällt es allerdings immer schwerer, die Kosten eines Studiums aufzubringen. Hillary Clinton weiß, dass deshalb viele der jungen Leute zu Bernie Sanders übergelaufen sind, weil sie als verschuldete Studenten das Gefühl hatten, von ihm verstanden zu werden.

Geld kauft Einfluss auf die Politik

Wie viel Einfluss Geld in den USA kaufen kann, belegt eine 2014 veröffentliche Studie. Sie wies nach, dass die reichsten Amerikaner deutlich überproportional Einfluss auf die wichtigsten politischen beziehungsweise sozialen oder wirtschaftlichen Entscheidungen ausüben. Anhand von 1800 Entscheidungen aus den Jahren 1981 und 2002 kamen die beiden Professoren zu dem Schluss, dass die Ausarbeitung der Politik von mächtigen Geschäftsorganisationen und einer kleinen Anzahl wohlhabender Amerikaner dominiert wird. Wenn das so ist, dann sind die Ansprüche von Amerika, eine demokratische Gesellschaft zu sein, zumindest in Frage gestellt beziehungsweise aktiv bedroht.
Nur noch eine Bemerkung: In Deutschland sowie in den USA sind die Eliten überwiegend männlich. Hillary Clintons Aufstieg ist historisch. Schon 2004 hat sie stolz verkündet, dass ihr Versuch, das Weiße Haus zu erobern, 18 Millionen Risse in dem berühmt-berüchtigten Glass Ceiling (die Barriere, die angeblich keine Frau durchbricht) hinterlassen hat.
Wie viel oder wenig der politische Aufstieg einer Frau in der gesamten Gesellschaft bewirken kann, zeigt aber Deutschland, wo seit fast elf Jahren Angela Merkel regiert. Die Anzahl der Frauen in der Spitzenpolitik ist in ihrer Amtszeit gestiegen. Die Geschäftswelt aber ist nach wie vor von Männern dominiert. Und von einer proportionalen Vertretung der Geschlechter insgesamt kann immer noch keine Rede sein. Das haben die Eliten beider Länder nach wie vor gemeinsam.

Die Britin Alison Smale, Jahrgang 1955, ist Leiterin des Berliner Büros der New York Times. Zuvor arbeitete sie lange Jahre für den International Herald Tribune.

Journalistin Alison Smale
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