Politisch wirksamer als ihr Ruf: Luise von Preußen

Von Eberhard Straub · 23.03.2010
"Meine Hoffnung ruht auf der Verbindung alles dessen, was den deutschen Namen trägt". Das sagte Königin Luise zu ihrem ältesten Sohn, als er 1805 zum ersten Mal Uniform trug. Sie hatte sich im Laufe des Jahres in die antibonapartistische Stimmung eingelebt, die in Berlin unter denen heftig zunahm, die mit der Politik ihres Mannes, König Friedrich Wilhelms III., unzufrieden waren und in den Krieg gegen Napoleon zusammen mit Österreich und Russland eintreten wollten.
Sein Wille, den Frieden fast um jeden Preis zu wahren, empörte Prinzen des Hauses – vor allen Louis Ferdinand, in dem Soldaten und Frauen den Abgott ihrer Liebe feierten. Er warb ungeduldig für ein Bündnis der beiden deutschen Mächte, um Deutschland und Europa von dem Tyrannen zu befreien. Er argumentierte im Sinne des herkömmlichen Reichspatriotismus, der allerdings in Preußen erst jetzt populär wurde: um den Kaiser geschart und den Feldherrn des Reiches, Erzherzog Carl, Deutschland vor seinem Untergang und seiner Auflösung in Einzelstaaten zu bewahren. Aber die Rede war nicht mehr vom übernationalen Reich, sondern von Deutschland. Kleist war die mächtigste Stimme, die diesem neuen deutschen Patriotismus mit kräftigen Schlagworten Aufmerksamkeit verschaffte, nach 1806, nach der Niederlage gegen Frankreich.

Königin Luise gehörte zu den wenigen norddeutschen Prinzessinnen, die Süddeutschland kannten. Sie wuchs mit ihrer Schwester Friederike, berühmt geblieben durch Schadows Denkmal der Geschwister, bei ihrer Großmutter, der verwitweten Landgräfin, in Darmstadt auf. Sie war immerhin bei zwei Kaiserkrönungen in Frankfurt dabei und deshalb unmittelbar mit der festlich-feierlichen Vergegenwärtigung des Reiches vertraut. In Frankfurt, in der freien Reichsstadt, wohnte sie bei der Mutter Goethes, der Witwe eines Kaiserlichen Rates.

Deren Sohn war gleichsam die Chiffre für ein neues Deutschland, das durch Literatur und Wissenschaft und der von beiden geprägten Sprache eine Vorstellung der Zusammengehörigkeit empfing. Die Prinzessin und Königin Luise schrieb ausschließlich Französisch und sprach es meistens auch im privaten Umgang, schon weil sich ihr Mann nur schlecht auf Deutsch auszudrücken verstand. Immerhin las sie Wieland und Goethe, lernte Schiller kennen und öffnete sich auch den neuen Bewegungen in der Musik, der Wiener Schule und in der Architektur dem Klassizismus. Ihr Mann fand die deutsche Musik abscheulich, aber er ließ sie wie seine Untertanen gewähren.

Überhaupt hatte die wenig sorgfältig erzogene Königin ein gut Berliner Bedürfnis, sich zu bilden, und aus sich etwas zu machen. Für Politik hatte sie sich bislang wenig interessiert. Das sagen ihre etwas weltfremden Biographen. Denn die Königin hatte ein Vorrecht, das sie von allen Ministern und Beamten unterschied: Sie konnte beim Frühstück, bei einer Landpartie oder beim Tee ihrem Mann "Vortrag" halten, der ihr viel über Politik und Militär erzählte, ihre Diskretion erbittend und voraussetzend. Was die beiden unter sich erörterten, ist unbekannt.

Der schüchterne und vorsichtige König wusste, dass in Preußen viel verändert werden musste. Um ihn herum debattierten ununterbrochen die später so berühmten Reformer. Die Königin hielt sich an Hardenberg, Scharnhorst, Stein, doch dem zaudernden König waren diese unruhigen Geister keineswegs verdächtig. Als perfekte Königin alten Stils, vertraut mit der Etikette, um Intrigen elegant zu Ende zu führen, konnte sie dabei helfen, Minister zu stürzen, die der König fallen lassen wollte, und anderen den Weg zu bereiten.

Doch sobald die Prinzen des Hauses in Übereinstimmung mit den unzufriedenen Elementen zu Mitteln griffen wie in Schillers Wallenstein, um die Stimmen der Beamten und Offiziere zu vereinigen und den König massiv unter Druck zu setzen, dann reagierte Luise königlich. Drohung und Ungehorsam erschienen ihr pöbelhaft, obwohl sie den Krieg gegen Frankreich herbeisehnte. Wie der König war sie davon überzeugt, dass in Preußen mit Ruhe und Bedacht Reformen eingeleitet werden müssten, die Frankreich ins Chaos und, um da herauszufinden, in schlimmste Despotie verwickelt habe.

Die Königin blieb immer eine große Dame. Sie hasste Napoleon, fand ihn aber sehr charmant, als sie ihn kennenlernte. Sie liebte die Franzosen nicht mehr, verzichtete aber nie darauf, auch weiterhin französisch zu reden. Sie war nie eine moderne Nationalistin. Dafür liebte sie zu sehr den guten Geschmack, Anmut endlos niederregnend. "Wie groß du warst, das ahndeten wir nicht", beteuerte Kleist. Nur ihr Mann, der König, wusste das.

Eberhard Straub, geboren 1940, studierte Geschichte, Kunstgeschichte und Archäologie. Der habilitierte Historiker war bis 1986 Feuilletonredakteur der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" und bis 1997 Pressereferent des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft. Heute lebt er als freier Journalist in Berlin.
Buchveröffentlichungen u. a. "Die Wittelsbacher", "Drei letzte Kaiser", "Albert Ballin" und "Eine kleine Geschichte Preußens" sowie "Das zerbrechliche Glück. Liebe und Ehe im Wandel der Zeit".
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