Politisch korrekte Sprache

Warum Konservative anders als Linke reden

Heute ist der Ausdruck tabu: Das Wort "Negerkönig" in einem alten Pippi-Langstrumpf-Buch von Astrid Lindgren
Heute ist der Ausdruck tabu: Das Wort "Negerkönig" in einem alten Pippi-Langstrumpf-Buch von Astrid Lindgren © picture alliance / dpa
Von Susanne von Schenck · 20.01.2016
Aus Astrid Lindgrens "Negerkönig" wurde der Südseekönig, und die scharfe "Zigeunersoße" wird nur noch selten serviert. Was verbirgt sich hinter unserem Bemühen um eine politisch korrekte Sprache? Und warum ringen wir überhaupt um sie? Ein paar Denkanstöße.
Die vollschlanke Bekannte mit Migrationshintergrund ohne eigene Migrationserfahrung hat ein neues Begleittier: einen Hund. In der Rolle der menschlichen Fürsorgerin ist sie aufgeblüht. Ihr verhaltensorigineller Sohn, durch die Nachwirkungen der neuen Grippe noch sehr geschwächt, führt den Hund spazieren. Aber der reißt sich los und verschwindet.
Die dicke Ausländerin hat ein neues Haustier: einen Hund und ist als Tierbesitzerin aufgeblüht – so würde es möglicherweise der Nachbar ausdrücken. Die "neue Grippe", kennt er als Schweinegrippe, und dass er das nicht sagen soll, weil Muslime das Schwein als störend empfinden könnten, lässt ihn den Kopf schütteln.
"Korrekte Sprache kann es gar nicht geben"
Politisch korrekte Sprache möchte, einfach gesagt, niemanden ausgrenzen oder verletzen – und kann dabei zuweilen sperrig werden. Dazu Martin Haase, Sprachwissenschaftler an der Universität in Bamberg und Verfasser des Buches "Sprachlügen":
"Ich würde erstmal sagen, dass politisch korrekte Sprache auch ein Schlagwort ist, das vielleicht problematisch ist, denn korrekte Sprache kann es gar nicht geben. Wir haben ja in unserem Buch 'Sprachlügen' immer wieder darauf hingewiesen, dass kein Wort das wirklich richtige ist. Je nachdem, was man auswählt, ist auch immer eine gewisse Einfärbung dabei, die eigene Meinung spielt immer eine Rolle, also die Suche nach dem richtigen Wort, das ist nicht möglich. Das gab es mal im alten Griechenland, die sogenannte Etymologie, da ging es um die richtige Bedeutung, aber das hat man schon damals erkannt, dass es die richtige Bedeutung eigentlich nicht gibt, und damit gibt es auch nicht die korrekte Sprache, eben auch die politisch korrekte Sprache nicht. Von daher ist es schon an sich ein sehr schwieriger Begriff."
Aus "negro" wurde "black", später der "african american"
Political Correctness, politische Korrektheit - der Begriff hat seinen Ursprung in den USA. In den 1970er Jahren gelangte er dort im Gefolge von Bürgerrechts- und Emanzipationsbewegungen in die öffentliche Wahrnehmung. Zum Beispiel Schwarze: Sie wehrten sich gegen Diskriminierung, die auch über Sprache transportiert wird. Aus "negro" wurde "black", später der "african american" oder die "person of colour". Anfangs vor allem von den Linken gebraucht, wurde pc, politically correct, bald auch von Konservativen als Waffe gegen gesellschaftliche Veränderungen benutzt, wie der Dresdner Soziolinguist Joachim Scharloth erklärt.
"Der Ursprung der Bezeichnung als ein diskursives Phänomen ist eigentlich schon immer in der rechtskonservativen Auseinandersetzung mit liberalem Gedankengut zu sehen. Das war schon immer ein Schlagwort oder ein Kampfbegriff, der versucht hat, Sprache so zu gestalten, dass man Leute nicht ausgrenzt oder diskriminiert, zu beschreiben als eine Verengung der Denkmöglichkeiten. Die ging vor allem von einer rechtskonservativen Kritik an neuen sozialen Bewegungen der neuen Linken aus."
Sprache reflektiert nicht nur die Wirklichkeit, sondern erschafft sie auch. Sie bestimmt das Denken und die Wahrnehmung, sagen die Linguisten. Herrschende Verhältnisse sollen durch Sprachänderungen aufgebrochen werden. Aber wer darf eigentlich sagen, wann etwas verletzend ist? Natürlich erst einmal diejenigen, die Opfer von Diskriminierung sind.
Rede Kirchentag:"Sehr geehrte Damen und Herren, Inter- und Transmenschen, Genderfluid, Ciswomen …"
Eine Begrüßung, gehalten auf einer Veranstaltung des evangelischen Kirchentags 2015. Verständlich ist sie nur für Eingeweihte, sagt Holger Klatte, Geschäftsführer des Vereins Deutsche Sprache. Aber im Kontext gesehen macht sie Sinn.
"Ich denke, dass der größte Teil unserer Sprachgemeinschaft überhaupt nicht weiß, worum es hier eigentlich geht. Und hier sehen wir dann die Probleme, die durch solche kleinen Gruppen, die solche sprachlichen Neuerungen erfinden, entstehen, dass hier verunsichert wird. Dass die Sprachgemeinschaft nicht mehr weiß, wie muss ich hier sprechen, damit ich jetzt niemanden verletze und niemanden diskriminiere. Wenn es so durcheinander geht wie in dem Fall, dann ist da schon weit gegangen."
Im Zuge der Geschlechtergerechtigkeit sind Reden und Texte länger geworden
Wir leben im 21. Jahrhundert, im Zeitalter der politischen Korrektheit. Da wird genau darauf geachtet, wie etwas gesagt wird und wie bestimmte Sachverhalte ausgedrückt werden. Im Zuge der Geschlechtergerechtigkeit sind Reden und Texte länger und zuweilen holpriger durch Schräg- und Unterstriche oder Sternchen, nicht immer weiß man, welcher Begriff der richtige ist. Darf das Zigeunerschnitzel noch auf die Speisekarte? Der Wiener "Mohr im Hemd"? Geht gar nicht mehr, weshalb diese Süßspeise jetzt als "Heißer Schoko-Nuss-Gugelhupf mit Schokosauce und Schlagobers" angepriesen wird.
Angesichts der Sprache von manchen könne er kotzen, sagt der 2008 verstorbene US-amerikanische Kabarettist George Carlin, der in seinen Shows wie kein zweiter politisch korrekte, aber verlogene Sprache aufs Korn nahm. Nein, nicht kotzen, korrigiert er sich, sondern wie manche reden, das würde in ihm einen unfreiwilligen Protein-Überlauf provozieren.
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