Politikformate im Fernsehen

"Wie viele gute Serien gibt es in Deutschland überhaupt?"

Der Schauspieler Bernhard Schütz posiert am 25.03.2015 in Berlin neben einem Filmplakat. Vorgestellt wurde der ZDF-Vierteiler "Eichwald, MdB", der ab 16. April im ZDF Neo, ab Mai im ZDF ausgestrahlt wird.
Wurde auf der Konferenz als Positivbeispiel für Politik in deutschen Serien genannt: der Vierteiler "Eichwald, MdB" auf ZDFneo. © picture alliance / dpa / Stephanie Pilick
Von Hendrik Efert · 28.11.2015
Warum kommt Politik bei deutschen Fernsehzuschauern offenbar nur in Comedy-Shows an, nicht aber in Serien - wie etwa in Amerika bei "House of Cards" oder "Homeland"? Es gebe kaum gute deutsche Serien, kritisierte der Autor Stefan Stuckmann bei der Konferenz "Formate des Politischen". Ausnahme: eine ZDFneo-Serie.
Bis auf den letzten Platz gefüllt war der kleine Tagungsraum in der Bundespressekonferenz. "The West Wing", "Homeland", "House of Cards" haben auch hierzulande viele Fans. Wie stehen diese Serien als fiktionale Produktionen zur Realität, fragte Politikberater Julius van der Laar und zog das Fazit:
"Ich glaube, es spiegelt einfach das wider, was Leute im Moment wahrnehmen."
Auch US-Präsident Obama hat unlängst im amerikanischen Fernsehen zugegeben: So wie bei "House of Cards" ist die Wirklichkeit nicht – sie ist viel ineffektiver und – langweiliger.
Im zweiten Teil hob dann Medienwissenschaftler und Fernsehforscher Andreas Dörner die Veranstaltung auf die deutsche Ebene: Warum – so seine Ausgangsfrage - funktioniert aktuelle Politik in Deutschland anscheinend nur in Comedy-Shows, nicht aber in Serie?
"Liegt es daran, dass die Medienakteure - also Autoren, Produzenten, Regisseure, Programmverantwortliche - das einfach nicht können?"
Dörner beantwortet diese Frage mit einem klaren Nein. Die Politsatire "Eichwald MdB" des ebenfalls anwesenden Autors Stefan Stuckmann beweist das. Also stellt sich die zweite Frage:
"Wollen die Leute keine fiktionale Politikunterhaltung?"
Der oft gesellschaftliche Themen aufgreifende Tatort oder auch einige ZDF-Produktionen kämen allerdings nach Zahlen sehr gut beim Publikum an. Interessant sei der Blick auf die vor zehn Jahren im ZDF ausgestrahlte Politserie "Kanzleramt" - eine deutsche "The West Wing"-Kopie, die grandios beim Publikum durchfiel. Für Dörner lag der Grund darin, dass die Charaktere zu positiv gezeichnet waren.
"Das scheint das deutsche Publikum nicht zu goutieren. Beim Tatort, natürlich auch bei der Lindenstraße, ist der Blick auf die etablierte Politik und ihre Akteure in der Regel skeptisch. Die Eliten werden meist entweder als unfähig oder als unmoralisch dargestellt."
Gute Politik sei, so Dörner, in deutscher Fiktion immer die von unten. Professionelle Realpolitik werde nur in Comedy- und Satireformaten thematisiert, wie "Die Anstalt", "Neo Magazin Royal" oder die "heute-show".
Eignet sich das trockene deutsche Politiksystem für Serien?
Im dritten Teil der Veranstaltung diskutierten nun passenderweise der als "heute-show"-Außenreporter bekannte Carsten van Ryssen mit Eichwald-Autor Stefan Stuckmann. Und so erwidert Stuckmann Medienwissenschaftler Dörner auch gleich:
"Ich glaube, diese Thesen sind immer total schwierig - weil in Deutschland kommt noch dazu, man kann jetzt fragen: Wie viele gute deutsche Serien gibt es in Deutschland überhaupt? Da ist ja fast nichts, 'ne? Ich glaube tatsächlich, wenn man den richtigen Zugang findet, kann man fast alles erzählen."
Denn oft werde angeführt: Im Gegensatz zur präsidialen, auf Persönlichkeiten basierenden Politik in den USA sei das parlamentarische System in Deutschland doch sehr trocken. Und das eigne sich eben nur wenig zur dramatischen Nacherzählung. Genau das lässt Stuckmann nicht gelten:
"In Deutschland haben wir halt diese deutsche Kompromissfähigkeit, diese Nüchternheit in der Politik, trotzdem kann man, gerade deswegen natürlich tolle Geschichten erzählen."
Was er auch selbst mit "Eichwald, MdB" bewiesen hat, wie die meisten Kritiker bescheinigten. Auf Senderseite habe man ihm im Vorfeld jedoch wenig vertraut: Die Serie bekam Geld aus dem überschaubaren Etat des für experimentelles Fernsehen vorgesehenen Kleinen Fernsehspiel des ZDF.
"Das sind etwa 40 Leute, die da mehrere Monate dran beschäftigt sind. Und ich selber drei Jahre Vollzeit und ich glaube ich habe 35.000 Euro damit verdient und ich habe drei Jahre meines Lebens da rein gesteckt."
Und wie steht es in Deutschland mit dem Politischen in Comedyshows, im Speziellen in der "heute-show"? Die erreicht mit der satirischen Darstellung der Realpolitik viele und mutmaßlich ist sie für einige – meist jugendliche Zuschauer – sogar die einzige Informationsquelle für deutsche Politik.
Verändert politische Fiktion die Wahrnehmung der realen Politik?
Im vierten und letzten Teil wurde die Frage erörtert, inwieweit politische Fiktion die Wahrnehmung der realen Politik verändert. Natürlich, so waren sich die Gesprächsteilnehmer einig, müssen Politiker auch in Deutschland langsam die Bühne der Comedy und Unterhaltung nutzen. Und sollten sich da auch besser beraten lassen. Carsten van Ryssen von der "heute-show" erinnert an das Interview von Angela Merkel mit dem Youtube-Star LeFloid:
"Das war der große Fehler von Angela Merkel, das bei sich zu machen, im Kanzleramt. Warum nimmt sie sich da nicht die Zeit, und geht mit ihm in seine abgerockte Bude und spricht dort mit ihm und kommt auf ihn zu? Nein, es wird alles schön inszeniert in dieser wunderbaren Pracht, und das Gespräch wird von Anfang an nicht ernst genommen, jedenfalls nicht von der Jugend."
Letztendlich stellt sich natürlich die Frage, warum Politik überhaupt auf der Unterhaltungsebene abgebildet und Politiker überhaupt in Unterhaltungsformaten auftreten müssen – schließlich sollen sie nur gute Politik machen. Medienwissenschaftler Dörner erwidert darauf jedoch eindeutig:
"Politik ist doch in hohem Maße Kommunikation. Und wenn ich mir vorstelle, dass jemand so rumstottert, in politischen Gremien oder Verhandlungen auch nicht in der Lage ist, klar und pointiert zu sprechen, dann wäre mir schon angst und bange. Und deshalb glaube ich auch, dass bei der Rekrutierung und Auswahl des politischen Personals diese Fähigkeit doch zunehmend wichtig ist."
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