Politiker-Dynastien der USA

Fast königliche Familien

Von Andreas Horchler · 01.02.2016
Als dem ersten US-Präsidenten die Krone angeboten werden sollte, lehnte George Washington ab. Die USA wurden zur Republik. Trotzdem brachten es immer wieder einige Familien zu großer politischer Macht − zum Beispiel die Kennedys.
Die Vereinigten Staaten entstanden aus der Rebellion gegen Adel und angestammte Rechte, gestatteten es einigen wenigen Familien, zu Macht und Reichtum zu gelangen. Das ähnelte durchaus europäischen Vorbildern. Nur auf einen Adelstitel mussten die Dynastien verzichten.
Auch deutsche Familien bildeten politische Dynastien in der neuen Welt. Theologe Theodorus Jacobus Frelinghuysen stammte aus Lingen, wurde Pfarrer in der niederländisch-reformierten Kirche und erreichte 1720 die britische Provinz New Jersey. Sein Enkel wurde Senator und leitender Staatsanwalt von New Jersey. Sechs Familienmitglieder aus sechs Generationen prägten den Bundesstaat am Atlantik. Heute ist Republikaner Rodney Frelinghuysen Kongressabgeordneter für den 11. Distrikt New Jerseys.
Ein Nachbarstaat ist Pennsylvania. Als William Penn Ende des 17. Jahrhunderts Pennsylvania gründete, besiedelten neben englischen Quäkern viele deutsche Pietisten das Land. Heinrich Melchior Mühlenberg hatte in Göttingen Theologie studiert und erreichte Amerika 1742. Immer mehr deutsche siedelten in Pennsylvania. Die Sprachbarriere hinderte die Neuankömmlinge daran, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Die Politik erschien vielen Siedlern suspekt.
Von Penn über Mühlenberg bis zu den Roosevelts
"Zur Zeit der Revolution stellten sie mehr als ein Drittel der Bevölkerung Pennsylvanias. Das war eine große Macht der Wählerschaft. Der erste Sprecher des Repräsentantenhauses war ein Mühlenberg."
Die Mühlenberg-Dynastie konnte sich deshalb entwickeln, weil sich Heinrich Melchior Mühlenberg und seine Nachfahren aus der deutschen Isolierung in Amerika befreiten, analysiert Stephen Hess.
"Die Mühlenbergs wurden von ihrer Kirche entsandt. Sie machten es für ihre Religion, kamen in Pennsylvania an und wurden Pennsylvania Dutch genannt, ein falscher Begriff für Deutsch. Das war eine außergewöhnliche Familie. sie brachten die deutschen Emigranten zusammen. Das war ja eine riesige Welle von Zuwanderern nach Amerika. Es gab auch einen großen Streit in der Familie, ob der Gottesdienst in Deutsch oder in Englisch abgehalten werden sollte. Die Mühlenbergs entwickelten sich zu einer wahrhaft amerikanischen Familie – sehr wichtig."
Ärzte, Hochschulpräsidenten, Kongressabgeordnete – über vier Generationen prägten die Mühlenbergs Politik und Gesellschaft in Pennsylvania und darüber hinaus.
Das 20. Jahrhundert brachte die wohl eigenwilligste Dynastie hervor, die Familie Roosevelt. Obwohl Theodore und Franklin Delano Roosevelt nur entfernt verwandt waren, sprach Amerika von der "königlichen Familie", die angeblich mit zehn weiteren US-Präsidenten blutsverwandt war. Republikaner Theodore Roosevelt wurde 1901 zum 26. Präsidenten gewählt. Mit dem neuen Jahrhundert begann eine neue Politik. Die stets gepflegte Verbindung von Geld und Macht büßte ihre Allgemeingültigkeit ein.
Die Menschen staunten, als der Präsident 1904 die Prinzipien seiner Politik erläuterte: "Unser Ziel ist es, den Wohlstand schnell für alle zu schaffen. Aber dagegen gibt es Widerstand. Wir wollen gute Löhne für die Arbeiter und vernünftige Preise für die Verbraucher sicherstellen. Wir werden uns nicht den Vorstellungen der Besitzenden beugen, deren Wohlstand durch geringe Löhne und hohe Preise zu vergrößern. Wir wenden uns auch gegen die Großunternehmen und die Investoren, die unfaire Vorteile gegenüber kleinen Betrieben haben."
US-Präsident Franklin Delano Roosevelt (USA) während einer Radioansprache in Washington im Jahr 1938
US-Präsident Franklin Delano Roosevelt (USA) während einer Radioansprache in Washington im Jahr 1938© imago / UPI Photo
Demokrat Franklin Delano Roosevelt wurde im März 1933 32. US-Präsident. Wie vor ihm vielleicht nur George Washington und Bürgerkriegspräsident Abraham Lincoln hatte er gleich zu Beginn seiner Amtszeit mit einer Krise, der Weltwirtschaftskrise, zu tun. Ein Satz brannte sich in das amerikanische Gedächtnis ein: "Wir haben nichts zu befürchten als die Furcht selbst."
Acht Jahre später war Roosevelt noch immer im Amt. Nach Börsencrash und New Deal war die Lage noch viel bedrohlicher. In Pearl Harbor hatte Japan die Vereinigten Staaten offen angegriffen. Amerika trat in den 2. Weltkrieg ein. Präsident Roosevelt sagte damals:
"Gestern, am 7. Dezember 1941, einem Tag, der als Tag der Schande in die Geschichte eingehen wird, wurden die Vereinigten Staaten plötzlich und absichtlich von Marine und Luftstreitkräften angegriffen. Ich fordere den Kongress auf zu erklären, dass seit den nicht provozierten Attacken Japans am Sonntag, dem 7. Dezember 1941, Krieg zwischen den Vereinigten Staaten und dem japanischen Empire herrscht."
Ein Katholik und mit ihm eine ganze Familie - die Kennedys
Am 20. Januar 1961 wurde zum ersten Mal ein Katholik US-Präsident. Der 35. Mann im Weißen Haus hieß John F. Kennedy. Seine Mutter Rose Elizabeth Fitzgerald Kennedy stammte aus einer irisch-katholischen Bostoner Familie. Ihr Vater war Bürgermeister der Stadt, ihr Sohn wurde zum mächtigsten Mann der Welt. 1968, fünf Jahre nach dem Kennedy-Attentat in Dallas, erklärte sie den Ursprung der Kennedy-Dynastie:
"Mein Vater war im Kongress, seit ich fünf Jahre alt war. Ich war immer an der Politik interessiert. Ich bin in dieser Atmosphäre aufgewachsen. Es war immer die Rede davon, dass wir große Vorteile hätten. Wir müssten etwas Konstruktives für das Land und für andere Menschen tun. Wir waren sehr stolz, als sie sich für eine politische Karriere entschieden. Man muss eifrig studieren und viele Bücher lesen. So hat es mein Vater getan. Natürlich können sie nie vorhersagen, wer Präsident wird."

Ted Kennedy, der 2009 verstorbene Senator von Massachusetts und Bruder John F. Kennedys präsentierte 2006 Zahlen, die vermuten ließen, dass die Kennedys auch zukünftig noch ihre Rolle in Politik und Gesellschaft spielen werden.
"Wir sind eine große Familie - neun in unserer, 30 in der nächsten Generation, 100 in der darauf folgenden Generation. 70 von ihnen sind zwölf Jahre alt und jünger."
Caroline Kennedy ist US-Botschafterin in Japan und Tochter John F. Kennedys. 2008 entschied sich die Demokratin wie ihr Onkel Ted, nicht die etablierte Kandidatin Hillary Clinton für die Präsidentschaft zu empfehlen, sondern einen unbekannten Senator aus Illinois, der sie mit seinen Auftritten an ihren Vater und die besondere Familiendynastie der Kennedys erinnerte:
"Über die Jahre bewegten mich die Menschen, die mir erzählten, sie wünschten sich, inspiriert zu werden, Hoffnung für Amerika zu haben. So wie zu der Zeit, als mein Vater Präsident war. Diese Sehnsucht ist noch gewachsen. Glücklicherweise gibt es diesen einen Kandidaten, der den gleichen Sinn für Hoffnung und Inspiration anbietet. Ich bin stolz, Senator Barack Obama als Präsident der Vereinigten Staaten zu unterstützen."
Acht Jahre Obama gehen ihrem Ende entgegen. Im November 2016 wird sein Nachfolger oder seine Nachfolgerin gewählt.
Vertreter der Präsidentenfamilien Clinton und Bush kämpften ums Weiße Haus
Zwei politische Familien wollen wieder ins Weiße Haus einziehen. Die Clintons und die Bushs. Während die Clintons erst im Begriff sind, sich zu einer demokratischen Dynastie zu entwickeln, gehören die Bushs bereits zu den erfolgreichsten politischen Familien. Prescott Sheldon Bush war Banker und von 1952 bis 1963 Senator von Connecticut. Sein Sohn George Herbert Walker Bush wurde 41. US-Präsident, sein Enkel George W. Bush Präsident Nummer 43. Jetzt bewirbt sich Jeb Bush für die Kandidatur. Dessen Umfragewerte sind schlecht. Schon einmal scheiterte er. Das war 2006, als er nicht Gouverneur von Florida wurde. Vater Bush war zutiefst betrübt.
"Die wahre Größe eines Mannes bemisst sich darin, wie er mit einem Sieg umgehen kann, aber auch mit einer Niederlage."
Niederlagen schmerzen die Bushs besonders. Jebs Mutter, Barbara Bush, die sich zunächst gegen die Kandidatur ihres ältesten Sohnes ausgesprochen hatte, stellt sich inzwischen hinter ihn: "Jeb ist für mich die Stimme der Vernunft", sagt sie.
Es scheint fraglich, ob sich Republikaner Jeb Bush im lauten Wahlkampfgetöse Gehör verschaffen können wird. Die Bush-Dynastie würde ein Scheitern Jebs beschädigen, aber nicht zerstören. Davon ist Barbara Bush überzeugt:
"Mein Leben ist perfekt, so wie es ist. Wir haben so viel Glück gehabt. Alle Bushs haben Glück gehabt."

Vielleicht ist dieses Glück für Jeb Bush ein Fluch. Viele Amerikaner bringen ihn mit der Politik seines Bruders zusammen, mit den langen Kriegen in Afghanistan und im Irak, mit der schweren Wirtschaftskrise. Im Radiointerview mit dem Sender WMUR9 machte er, was blieb ihm auch anderes übrig, gute Miene.
- "Wenn sie hören, wie die Leute über politische Dynastien reden, wünschten sie sich, ihr Name wäre Johnson?"
- "Nein, ich liebe meine Familie, meine Mutter, meinen Vater, ich bin stolz auf meinen Bruder und liebe ihn."
Hillary und Bill-Clinton im Wahlkampf
Hillary und Bill-Clinton im Wahlkampf© Timothy A. Clary / afp
Die andere Familie, eine Dynastie in Gründung, sind die Clintons. Hillary Rodham Clinton erklärte nach monatelangem Zögern im Frühsommer 2015 endlich ihre Kandidatur für die demokratische Partei:
"Ich weiß, wie hart dieser Job ist. Ich habe das aus der Nähe und persönlich gesehen. Alle unsere Präsidenten kommen ins Amt, sehen entschlossen aus und dann sehen wir, wie ihre Haare grauer und grauer werden. Ich bin vielleicht nicht die jüngste Kandidatin in diesem Rennen, aber ich werde die jüngste Präsidentin in der Geschichte der Vereinigten Staaten sein. Außerdem werde ich auch die erste Großmutter im Amt sein. Ein zusätzlicher Vorteil ist, dass mein Haar im Weißen Haus nicht weiß werden wird, weil ich es seit Jahren färbe."
Die Clintons - eine Partnerschaft aber keine Dynastie
Ehemann Bill Clinton war 42. US-Präsident. Obwohl er Gouverneur und Präsident, sie bereits First Lady, Senatorin und US-Außenministerin war, sind die Clintons noch keine Dynastie, so der Befund von Stephen Hess:
"Wenn ihre Enkeltochter Charlotte im Jahr 2040 gewählt wird - das ist das erste Jahr, in dem sie für ein öffentliches Amt kandidieren darf -, dann haben wir eine Dynastie. Ich nenne Bill und Hillary eine Partnerschaft. Das ist für sich genommen schon ziemlich einzigartig in der amerikanischen Politik. Von dem Moment ihrer Begegnung an gestalteten sie ihr Leben als Partnerschaft. Das ist ja eine komplizierte Sache mit Höhen und Tiefen. Aber diese Partnerschaft bedeutete schließlich für beide, dass Sie in öffentliche Ämter gewählt wurden."
Ex-Präsident Bill Clinton unterstützt seine Frau im Wahlkampf, bezieht aber nur sehr allgemein Stellung. In dieser besonderen Partnerschaft zwischen ehemaligem Präsidenten und aktueller Kandidatin sieht er sich als Berater:
"Ich denke, meine Rolle wird die sein, die ich immer gespielt habe, wie zu der Zeit, als ich Gouverneur oder Präsident war. Ich habe mit ihr über alles gesprochen. Ich fand ihren Rat unbezahlbar. Ich denke, wir werden über alles sprechen. Wenn sie ein ehemaliger Präsident sind, haben sie die Pflicht, alles zu tun, worum sie ein Nachfolger bittet, solange sie es mit ihrem Gewissen vereinbaren können. Ich habe auch ein paar Dinge für Präsident Bush getan. Auch wenn wir tiefe politische Differenzen haben, konnten wir doch eine sehr gute persönliche Beziehung entwickeln. Ich war froh, mich bei Ereignissen wie dem Tsunami oder beim Hurrikan Katrina einbringen zu können. Oder auch bei anderen Dingen, über die nicht so viel gesprochen wurde. Das gehört einfach dazu."
Und was bleibt von der Familie Obama? Hätte Sie das Zeug dazu, Dynastie zu werden? Stephen Hess:
"Ja, das könnte sein. Eine der großen Voraussetzungen für eine Dynastie besteht darin, viele Kinder zu haben. Manche dieser Familien hatten zehn und mehr Kinder. Das Problem der Clintons ist ja, dass sie nur eine Tochter haben. Die Lage ist für die Obamas mit zwei Kindern etwas besser. Es ist ein schöner Gedanke, dass die Nachfahren in beiden Fällen Frauen sind. Die Gleichberechtigung in den Vereinigten Staaten ist so weit gediehen, dass die Zukunft von Dynastien besser gesichert ist. Es gibt schließlich doppelt so viele Menschen, die ein Amt anstreben können. Sehen sie sich Nancy Pelosi an, die demokratische Minderheitsführerin im Repräsentantenhaus. Es handelt sich um eine Dynastie. Ihr Vater war Kongressabgeordneter, ihr Bruder war Bürgermeister. Das ist ein Trend, den wir beobachten. Mal sehen, wie sich das für die Clintons entwickelt."

Vielleicht wählen die Amerikaner im November 2016 zum ersten Mal eine Frau als Präsidentin, vielleicht entstehen mächtige weibliche Dynastien in Amerika. Dass die amerikanische Demokratie und Dynastien eigentlich in krassem Widerspruch zueinander stehen, hat einige mächtige Familien nicht daran gehindert, die Politik des Landes länger als 200 Jahre zu prägen.
Der Grund für den Aufstieg amerikanischer Dynastien liegt ironischerweise gerade im politischen System der USA begründet. Jeder kann für öffentliche Ämter kandidieren. Wer Erfolg hat, kann Spuren hinterlassen, möglicherweise Söhne und Töchter als Vorbild vom Sinn politischer Arbeit überzeugen. So entstanden demokratische Dynastien, ohne Adelstitel und Monarchie und obwohl das kaum mit Revolution, Befreiung vom Joch der britischen Krone, Unabhängigkeitserklärung und Verfassung vereinbar ist.
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