Poesiefestival Berlin

Schreiben nach der Flucht

Porträtfoto der syrischen Schriftstellerin Rasha Abbas vor einer Wand mit Graffiti. Sie lebt momentan in Berlin im Exil.
Sie will keine "Flüchtlingsautorin" sein: Die syrische Schriftstellerin Rasha Abbas, die momentan in Berlin im Exil lebt. © privat
Von Tomas Fitzek · 07.06.2016
Der syrische Schriftsteller Ghayath Almadhoun genießt es, in Schweden zu arbeiten. "Es ist dunkel und einsam und daher optimal für einen Autor." Die junge Syrerin Rasha Abbas hingegen fürchtet, nur als "Flüchtlingsautorin" wahrgenommen zu werden. Auf dem Poesiefestival Berlin berichten Schriftsteller, wie sie im Exil leben und arbeiten.
Wie spricht man über die Sprache, wenn einem gerade diese abhandengekommen ist? Wie spricht man darüber, wie sehr sich die eigene, alte Sprache womöglich verändert, wenn einem noch keine neue zur Verfügung steht? Drei Dichter und eine Erzählerin trafen sich zum Erfahrungsaustausch darüber, was das Exil mit ihnen und ihrer Literatur macht. Gemeinsam ist ihnen die arabische Sprache, doch darüber hinaus unterscheiden sich ihre Fluchtgründe ebenso wie ihre Fluchtwege - und wurden sie in ihrer Heimat als Individuen wahrgenommen, fallen sie hier gleichermaßen alle unter die Rubrik, doch hier werden sie unterschiedslos als Flüchtlinge gesehen.
"Auf der einen Seite stört mich das Wort Flüchtling an sich gar nicht, im Gegenteil: Im Moment herrscht eher ein Gefühl, dass jeder sogar stolz darauf ist, ein Flüchtling zu sein."
Rasha Abbas stammt aus Syrien. Ein Stipendium hatte die Journalistin und Autorin von Kurzgeschichten 2014 nach Stuttgart gebracht.

Möglichst schnell in der Normalität ankommen

"Aber ich sorge mich, dass ich die Chance verpasse, einfach nur eine Autorin zu sein und keine Flüchtlingsautorin, dass ich in der Identitätsfalle feststecke und den Erwartungen, worüber ich schreiben müsse. Dabei möchte ich Krimis ebenso wie Science-Fiction schreiben können und - wenn nötig - auch über Krieg und Gewalt. Mehr will ich nicht."
Rasha Abbas hat sich bereits erfolgreich als Autorin in Deutschland präsentiert. Ihre Erzählungen, darunter die witzige Auseinandersetzung mit den Tücken der deutschen Sprache, sind erst als E-Book und vor wenige Wochen auch in Papierform in deutscher Übersetzung erschienen. Geschrieben hat sie auf Englisch.
"Man fühlt sich freier, auch in der Verwendung neuer Themen, und trotzdem ist es nicht mein Ziel, in einer neuen Sprache zu schreiben. Denn es ist wichtiger, über kontroverse Themen auf Arabisch zu schreiben, und ich fühle mich dem Arabischen sogar jetzt noch viel mehr verbunden. Mein sprachliches Bewusstsein hat sich geschärft für all die Feinheiten. Die neue Sprache brauche ich, um mich zu verständigen und vielleicht journalistische Artikel zu schreiben, das wäre ok."
Rasha Abbas möchte möglichst schnell in der Normalität ankommen. Bei allen guten Absichten würden die vielen Aktionen mit Flüchtlingen - gerade im Kulturbetrieb - diese womöglich noch länger im Zustand des Flüchtlings und Exilanten festhalten.

"Das Beste, was einem als Autor passieren kann."

Für Ghayath Almadhoun, der bereits vor acht Jahren aus Syrien nach Schweden emigrierte, ist dies wiederum ganz im Gegenteil der beste Zustand überhaupt für einen Autor:
"Das ist das Beste, was einem passieren kann als Autor. Im Exil sein und so die Dinge aus einer anderen Perspektive betrachten zu können, also weder Teil der neuen Gesellschaft sein, noch der eigenen Herkunftsgesellschaft. Schweden ist ein guter Platz, um zu lesen und zu schreiben. Es ist meist dunkel und einsam und daher optimal für einen Autor."
Ein Sprachwechsel kommt für Ghayath Almadhoun daher überhaupt nicht in Betracht.
"Ich erfreue mich 475 Millionen potenzieller Leser in 22 Ländern. Sie lieben dein Buch vielleicht in Kairo, hassen es in Libyen, loben es im Irak. Ich reise damit auf die Buchmesse in Abu Dhabi, danach nach Beirut und Amman. Das ist wirklich toll und ich bedauere eher all meine europäischen Kollegen, die auf eine kleine Nation und Sprache begrenzt sind. Auf Arabisch zu schreiben ist wirklich eine Freude."
Verschwunden sind ihre Freunde, die Angehörige, die Erinnerung, so vieles, nur eines ist anders als zu früheren Exilzeiten: Heute genügt, das hat die ziemlich einmütige Veranstaltung gestern deutlich gezeigt, ein USB-Stick, um das ganze Werk eines Autors in der Hosentasche mit sich zu tragen.
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