Pleite-Kandidat Zypern übernimmt EU-Ratspräsidentschaft

30.06.2012
Nach Ansicht der Politologen Hubert Faustmann von der Universität Nikosia ist die morgen beginnende EU-Ratspräsidentschaft Zyperns nicht von vornherein ein verlorenes halbes Jahr. Der seit Jahren in Zypern lehrende Wissenschaftler widersprach entsprechenden Befürchtungen.
Zwar sei es natürlich ein denkbar schlechter Start, wenn man gleich zu Beginn unter den Rettungsschirm schlüpfen müsse. Aber die größte Aufgabe während der zypriotischen Ratspräsidentschaft sei es, das EU-Budget für die Jahre 2014 bis 2020 auszuhandeln. "Da sieht sich Zypern eigentlich eher in einer positiven Rolle, weil es als kleines Land, das nicht sehr starke Interessen in vielen Gebieten hat, hofft, so eine Rolle als ehrlicher Makler spielen zu können. Wenn der Republik Zypern das gelänge, dann wäre bei allen negativen Stimmungen, die jetzt natürlich durch die schlechten Nachrichten hochkommen, auch eine sehr erfolgreiche Präsidentschaft denkbar", betonte Faustmann.

Allerdings seien sowohl die innenpolitische Lage als auch die finanzielle Situation des Inselstaats "katastrophal", räumte Faustmann ein. Der Präsident sei innenpolitisch völlig diskreditiert und habe stark abgewirtschaftet: "Was ihm dann im Kontext der Ratspräsidentschaft gelingt, das bleibt einfach abzuwarten. Ich denke, da sollte man den Zyprioten eine faire Chance geben."

Potenzielle Schwierigkeiten für die EU durch die zypriotische Ratspräsidentschaft sieht Faustmann vor allem, was die Verhandlungen mit der Türkei angeht, die die Republik Zypern nicht anerkennt. "Die Türkei hat bereits angedroht, und sie wird es auch umsetzen, dass sie ihre Beziehungen auf offizieller Ebene einfrieren wird." Es gebe allerdings Hoffnung, dass "das Ganze von allen Seiten ein bisschen vernünftig gehandhabt wird" und es abgesehen vom Einfrieren der Verhandlungen zu keiner weiteren Eskalation komme. Die griechischen Zyprioten jedenfalls hätten bereits klargemacht, dass sie versuchen wollten, das Zypernproblem aus der Ratspräsidentschaft herauszuhalten, so der Politikwissenschaftler: "Es bleibt abzuwarten."

Sie können das vollständige Gespräch mit mindestens bis zum 30.11.2012 in unserem Audio-on-Demand-Angebot hören. MP3-Audio