"Plattner-Bau statt Plattenbau"

Von Axel Flemming · 18.06.2012
Potsdams Stadtbild bietet nicht nur barocke Prachtbauten, sondern auch Hinterlassenschaften der DDR-Moderne. Eine solche wollte Software-Milliardär Hasso Plattner abreißen lassen, um dort eine Kunsthalle zu errichten. Nach Protesten wollte er an den Stadtrand ausweichen. Doch nun demonstrierten prominente Potsdamer wie Günther Jauch, Wolfgang Joop und Nadja Uhl für den Standort im Zentrum.
Der alte Markt in Potsdam ist ein markanter Platz, lässt man den Blick hier schweifen. Gleich neben dem Fluss Havel entsteht das alte Stadtschloss neu, um demnächst den Landtag Brandenburg zu beherbergen.

Dass dort nicht nur ein Neubau in den Maßen des alten Knobelsdorff-Gebäudes entsteht, sondern auch die alte Fassade im neuen Glanz erstrahlt, ist Hasso Plattner zu verdanken, der dafür 20 Millionen aus seinem auf Milliarden geschätzten Privatvermögen lockermachte.

Wendet man den Blick weiter vorbei am alten Rathaus, in das das Stadtmuseum wieder einziehen soll, stößt man auf die Nikolaikirche, deren hohe Kuppel die Stadt überwölbt. Richtung Westen an das Stadtschloss schließt sich der alte Marstall an, in dem heute das Filmmuseum untergebracht ist.

Und noch ein bisschen weiter, mitten im heute betonierten ehemaligen Lustgarten steht ein Neubau, ein 17-stöckiges Hochhaus aus Beton; das ehemalige Inter-Hotel aus DDR-Zeiten; heute das "mercure". Die meisten der Demonstranten sind der Meinung: Das muss weg!

"Das hatte seine Zeit, die ist vorbei. es soll jetzt weg. Es ist eine einmalige Chance, die Potsdam bekommt und die soll man nutzen. Auch wenn es für manche schwer ist, was ich manchmal verstehen kann aber es gibt's nicht noch mal. Deshalb soll das jetzt so sein, wie der Herr Plattner uns das anbietet."

"Um Gottes Willen , bin froh, dass es weg kommt. Ick wäre froh, wenn et wegkommen würde jetzte, dasse endlich mal wat machen."

"Wat soll ick davon halten, ick meine ick hab damit nüscht zu tun, dat Scheiß-Stadtschloss hier versperrt mir die Sicht, ja, aber sonst?"

"Plattner-Bau statt Plattenbau", bringt ein Transparent die Mehrheitsmeinung auf den Punkt. Die Kunsthalle, die Hasso Plattner der Stadt im April großzügig angeboten hat, so die Forderung der Demonstranten, solle hier im Zentrum wie ursprünglich angekündigt entstehen. Mäzen Plattner hatte sein Projekt in bester Potsdamer Innenstadt-Lage umsetzen wollen.

Dies rief jedoch Protest bei alteingesessenen beziehungsweise schon älter eingesessenen Potsdamern hervor, die die Reste einer DDR-Stadtpolitik erhalten wollen, die in den Bauten aus der Zeit des Königs Stein gewordene Zeugnisse des preußischen Militarismus sah.

Er wolle die Kunsthalle nicht gegen den Willen eines einzigen Potsdamers errichten, erklärte Plattner und verkündete daraufhin einen Standort am Stadtrand auf einem Areal am Jungfernsee, das ihm bereits gehöre. Zur Überraschung vieler war er auf der Demonstration anwesend und überwältigt vom Zuspruch:

Plattner:"Ich hab total überschätzt, wieviel dagegen sind. Das hab ich falsch eingeschätzt. Und ich glaube zumindest eins jetzt sagen zu können, dass wir die Sache noch mal angucken. Dann soll das an mir nicht liegen ..."

Hasso Plattner hat eine umfangreiche persönliche Kunstsammlung, die er nicht in New York, London oder Paris, sondern in Potsdam zeigen will. Die Halle soll wechselnden Ausstellungen von Bildern und Skulpturen dienen. Als erste feste Ausstellung sei "Kunst der DDR" geplant, sagte Plattner. Dafür habe er bereits begonnen zu sammeln.

An der Demonstration haben sich auch zahlreiche Prominente beteiligt, die in Potsdam wohnen: Fernseh-Moderator Günther Jauch, Modedesigner Wolfgang Joop und Schauspielerin Nadja Uhl.

Jauch: "Zuvor haben tatsächlich mehrere Potsdamer das getan, was anscheinend zu dieser Stadt gehört wie der alte Fritz zu Sanssouci: Sie haben genörgelt. Sie haben Bedenken geäußert, sie haben Sand ins Getriebe geschüttet, sie haben zu verhindern versucht, um des ewigen Querulierens Willen. Diese Menschen - und das soll heute die Botschaft an Hasso Plattner sein - sind wenige. Es sind ganz wenige, denen es niemand irgendwann einmal Recht machen kann."

Joop: "Nietzsche bitte einmal Zitat zu geben: 'Wir haben die Kunst, um an der Wahrheit nicht zugrunde zu gehen.' Potsdam hat eine Wahrheit erfahren, an der es beinahe zugrunde gegangen wäre. Und ich brauche die schlimmen Finger nicht, die mich daran erinnern."

Uhl: "Was ich sagen will ist, dass ich immer öfter vor den Entscheidungen stehe, zu sagen, ich bedauere, dass es weg ist, weil ich den Ort meinen Kindern nicht mehr zeigen kann oder ich finde es toll, dass wir die Chance für etwas Neues haben, nämlich unserer wunderbaren DDR-Identität ein viel innovativeres tolles Denkmal zu setzen wie diese Kunsthalle, die unser Sein in der DDR viel umfassender und reichhaltiger reflektiert, als ein verpupstes Hotel!"

Der Streit um das Mercure schien nicht der einzige Punkt zu sein, der Plattner bewog, auch andere Plätze für die Kunsthalle zu suchen. Auch die Zusammenarbeit mit dem Schifffahrtsunternehmen Weiße Flotte gestaltete sich schwierig, die dort an den Ufern des Lustgartens ihren Sitz hat.
Der Streit scheint sich allerdings zu lösen. Auch Jan Lehmann, Chef der weißen Flotte sprach auf der Demonstration:

"Auch die weiße Flotte unterstützt das Projekt Kunsthalle am Standort Hotel mercure/Lustgarten. Die Kompromissbereitschaft unserer Flotte geht soweit, dass wir zugunsten der Kunsthalle auf das jetzige Hafengebäude verzichten werden."

Oberbürgermeister Jann Jakobs sagte, dass solle nicht das Problem von Plattner sein, er und die Stadtverwaltung werden sich künftig um die Belange der weißen Flotte kümmern. Der SPD-Politiker hofft auf eine weitere Attraktion von internationalem Ausmaß und eine Belebung in Potsdams Mitte.

Die Stadtverordnetenversammlung in Potsdam hatte sich für eine Kunsthalle in der Landeshauptstadt ausgesprochen. Ein halbes Dutzend Gegner der Kunsthalle stand ein paar hundert Befürwortern auf dem Alten Markt gegenüber. Viele Sprecher setzten sich mit deren Argumenten auseinander.

Plattner widersprach der Behauptung, er wolle sich zu Lebzeiten schon ein Mausoleum in der Landeshauptstadt bauen:

"Also, wer mich kennt, weiß, dass mir nichts ferner liegt als das, aber bitte. Wenn ein paar das mir unterstellen, dann muss ich heute damit leben, nachdem ich gesehen habe, dass es so wenige sind."

Hasso Plattner ist Gründer und Aufsichtsratschef des Softwarekonzerns SAP sowie Stifter aus Leidenschaft. Schon 1998 stiftete er der Stadt Potsdam und ihrer Universität für 200 Millionen Euro das Hasso-Plattner-Institut für Softwaresystemtechnik. Und als er Wind davon bekam, dass der neue Landtag im alten Schloss Titanzink für das Dach plante, legte Plattner noch einmal knapp zwei Millionen Euro auf den Tisch, um damit das wesentlich teurere Kupfer zu ermöglichen.