Pionierin der Lüfte

Von Ulrike Rückert · 03.08.2011
Vor etwa 70 bis 80 Jahren war die große Zeit der Flugpioniere. Ob London - Melbourne oder New York - Paris: Für einen neuen Rekord erntete man Ruhm, Sponsorengelder und Filmverträge. Unter jenen tollkühnen Pionieren waren auch einige Frauen - zum Beispiel Beryl Markham.
"Das Flugzeug sank steil ab und zog wieder hoch, wobei es die Telefonleitungen nur um drei Meter verfehlte. Dann kreiste es - und stürzte in den Sumpf."

Die kleine Maschine, die am 5. September 1936 über ein Fischerdorf an der kanadischen Atlantikküste hinweg taumelte, bohrte sich fast senkrecht in den Morast. Den Männern, die zu Hilfe eilten, stolperte eine Frau entgegen, das Gesicht blutüberströmt.

"Ich bin Mrs. Markham. Ich komme gerade aus England."

Von großen Jets, die täglich die Ozeane überqueren, träumte man noch nicht einmal. Aber immer neue Flugrekorde erweiterten die Grenzen des Möglichen, und die Piloten wurden umjubelt wie Popstars: Charles Lindbergh, der als erster allein den Atlantik von West nach Ost überflogen, und Amelia Earhart, die das als erste Frau geschafft hatte, waren weltberühmt. In umgekehrter Richtung ist der Flug wegen der Winde sehr viel schwieriger. Im Nonstop-Alleinflug war es nur dem Schotten Jim Mollison gelungen – und nun Beryl Markham. Zwei Tage später feierte New York sie mit einer Konfettiparade.

"New York Times: Frauen applaudieren Markham-Flug. Ruth Nichols sagt, diese Leistung beweist, dass Pilotinnen Männern ebenbürtig sind. Amelia Earhart sagte: 'Ich freue mich, dass noch eine Pilotin allein über den Ozean geflogen ist.'"

Beryl Markham, am 26. Oktober 1902 in England geboren, wuchs in Kenia auf, wo ihr Vater Rennpferde züchtete. Nach einer gescheiterten frühen Ehe arbeitete sie als Pferdetrainerin – bis sie das Fliegen entdeckte. Kaum hatte sie die Prüfung bestanden, flog sie allein von Nairobi nach London: über die Papyrus-Sümpfe des Sudan, Tausende Kilometer Wüste und das Mittelmeer. Und wieder zurück. Als einzige Frau in Afrika wurde sie Berufspilotin.

"Ich beförderte Post, Passagiere, Proviant für Safaris und was immer sonst befördert werden musste, in Richtung Sudan, Tanganijka, Nord-Rhodesien oder wohin sonst ein Auftrag mich führte. Rund tausendmal bin ich mit meiner Maschine gestartet, und wenn sie vom Boden abhob, spürte ich stets die Erregung des immer wieder neuen Abenteuers."

Mit ungenauen Karten und mit Landungen auf improvisierten Pisten oder mitten in der Wildnis, in einem kleinen Flugzeug aus Holz und Leinwand, ohne Funk. Mit einer solchen Maschine startete sie auch am 4. September 1936 von einem englischen Flugplatz in Richtung Amerika. Verspätet, weil ein Unfall die Rollbahn blockiert hatte. Über Irland brach schon die Nacht herein.

"Es regnet, unaufhörlich, und außerhalb der Kabine ist es völlig dunkel. Ich spüre, wie der Wind stärker, der Regen heftiger wird. Der Benzingeruch in der Kabine ist so intensiv und das Dröhnen des Motors so laut, dass mir davon gleichsam die Sinne ertauben."

Als es hell wurde, nahm ihr dichter Nebel die Sicht. Ihrer Berechnung nach befand sie sich nun unmittelbar vor der Küste Kanadas.

"Ich war jetzt müde, auch war mir kalt. Die Glasscheiben der Kabinenfenster wurden von einem dünnen Film aus Eis überzogen. Noch bevor ich das Land sah, bekam mein Motor Mucken. Er setzte aus, stotterte kurz, begann dann wieder zu arbeiten. Das Land ist jetzt unter mir. Wieder setzt der Motor aus. Aber diesmal springt er nicht wieder an. Die Erde eilt mir entgegen. Ich spüre, wie mein Fahrgestell aufsetzt. Die Gull steckt ihre Nase in den Dreck, und ich selbst knalle mit dem Kopf gegen die Kabinenglasscheibe."

Sie war nur 100 Meter vom Wasser entfernt.

"Es war ein großes Abenteuer. Aber ich bin so froh, dass es vorüber ist."

Vorbei war auch Beryl Markhams Karriere als Pilotin. Hollywood lockte sie mit einem Film, in dem sie sich selbst spielen sollte. Er wurde nie gedreht, aber sie blieb in Kalifornien, schrieb eine Autobiografie, die ein Bestseller wurde, und heiratete zum dritten Mal. Als auch diese Ehe zerbrach, kehrte sie nach Kenia zurück und baute wieder einen Rennstall auf. Zum 50. Jahrestag ihres Atlantikflugs plante die Royal Air Force eine große Feier. Dafür wollte Beryl Markham nach England reisen. Doch einen Monat zuvor, am 3. August 1986, starb sie, 83 Jahre alt. Ihre Asche wurde auf der Rennbahn von Nairobi verstreut.