Phosphor in der Landwirtschaft

Forscher experimentieren mit Futter und Tier

Düngen mit Gülle auf einem Feld bei Bremen
Problempotenzial beim Phosphor: Bei zu viel Zufütterung kommt es über die Gülle in den Boden und ins Grundwasser. © dpa / picture alliance / Ingo Wagner
Von Silke Hasselmann · 14.11.2017
In der Landwirtschaft ist Phosphor ein wichtiges Mineral, die Nachfrage steigt. Forscher wollen nun das Futter optimieren und Tiere züchten, die Phosphor besser verwerten können. Denn Deutschland ist fast komplett vom Import abhängig – auch wegen der Politik.
Zähne, Knochen, Immunsystem, Stoffwechsel, Erbgut – ohne Phosphor geht nichts. In landwirtschaftlichen Kreisläufen ist Phosphor nach Stickstoff das zweitwichtigste Mineral. Die Nachfrage als Düngemittel und Futtermittelzusatz steigt weltweit jährlich um zwei bis drei Prozent.
Zudem schwinden die natürlichen Vorkommen und Deutschland ist fast vollständig vom Import aus anderen Ländern abhängig. In Mecklenburg Vorpommern wird nun versucht, darauf zu reagieren. In der Forschung ist dafür das Leibniz-Institut für Nutztierbiologie in Dummerstorf bei Rostock zuständig.

Genomforschung in Dummersdorf

Henry Reyer schaltet eine Zentrifuge an, die nun in hoher Geschwindigkeit ein mit Schweineblut gefülltes Röhrchen im Kreis dreht. Dadurch fallen die festen Blutbestandteile und das flüssige Serum auseinander, und genau so will es der junge Genomiker vom Leibniz-Institut für Nutztierbiologie haben.
"Weil: Das Serum ist die Grundlage für unsere weiteren Analysen, wenn wir zum Beispiel Phosphor bestimmen wolle."
Henry Reyer (links) und Christian Gerlinger bereiten am Leibniz-Institut in Dummerstorf Blutproben vor
Henry Reyer (links) und Christian Gerlinger bereiten Blutproben vor© Silke Hasselmann
Freilebende Tiere holen sich den lebensnotwendigen Phosphor normalerweise aus ihren natürlichen Futterreserven. Doch Nutztiere hätten einen anderen Anspruch an die Nahrung, sagt Henry Reyer. Beispiel: Das Hausschwein.
"Es wächst halt schneller als ein Wildschwein im Wald. Dadurch braucht es natürlich auch mehr Phosphor für diesen Zeitraum."

Lücken in der Verwertungskette

Doch Phosphor ist ein rares Importgut, und so gehört der promovierte Biologe Reyer zur Arbeitsgruppe PEGaSus am Dummerstorfer Leibniz-Institut, die Lücken bei der Phosphorverwertungskette von Schwein und Geflügel schließen will. Institutsleiter Klaus Wimmers hat dafür gerade 300.000 Euro vom Bundesforschungsministerium zugewiesen bekommen.
Gut angelegtes Geld angesichts des Phosphorbedarfs in der Nutztierhaltung, aber auch angesichts der Gülle, die Millionen Schweine, Legehennen, Gänse und Puten hinterlassen. Genutzt als Düngemittel, sorgt zu viel enthaltener Phosphor letztlich für unerwünschtes Algenwachstum in unseren Gewässern.

Zu viel zugefüttertes Phosphor im Gewässer

Das Problem, so der Professor Klaus Wimmers: Geflügel und Schweine zählten wie die Menschen zu den Monogastriern. Sie seien im Gegensatz zu den Wiederkäuern nur mit einem Magen ausgestattet und verdauten deshalb 80 Prozent des in Pflanzen vorkommenden Phosphors nicht.
"Um das Tier dennoch zu versorgen, müssen wir mineralischen Phosphor zulegen. Und dabei geht man in einigen Fällen sicher zu großzügig vor. Ich sag mal nach dem Motto `Sicher ist sicher, ich leg´ mal was rein.‘ führt das dann dazu, dass dieser zu viel zugefütterte Phosphor dann auch wieder unmittelbar ausgeschieden wird und sich in der Gülle wiederfindet. So, und dann gelingt es im Boden und in der Pflanze auch wieder nur unvollständig, den überschüssigen Phosphor zu binden. Er geht dann eben über das Grundwasser irgendwann auch in unsere Gewässer rein."

Optimales Futter gesucht

Die Dummerstorfer Forscher fragen nun: Wie muss man das Futter so zusammensetzen, dass der Darm der Tiere Phosphor besser nutzen kann? Und: Kann man Schweine und Hühner züchten, die die Phosphoraufnahme, Phosphorzwischenspeicherung und die Wiederverwertung in der Niere besser regulieren, und die deshalb vorneweg weniger Mineralzusatz im Futter brauchen und hintenraus weniger Phosphor ausscheiden?
Mittlerweile wüssten die Forscher, dass es zwischen den Rassen, aber auch unter Einzeltieren eine interessante Variabilität gibt, sagt Erbgut-Spezialist Henry Reyer.
"30 bis 40 Prozent dieser Variabilität macht die Genetik aus, unser Erbgut. Und das heißt: Wir haben Tiere im Stall, die haben die richtigen Schalter und können besser Phosphor verwerten oder besser nutzen."
Prof. Dr. Klaus Wimmers, Leiter des Leibniz-Institut Dummerstorf und des Projektes PEGaSus
Prof. Dr. Klaus Wimmers© Silke Hasselmann

Identifizieren und Züchten

Und so untersuchen Reyer und Kollegen nun Tier für Tier, wessen Erbgut über die "richtigen Schalter" für eine effiziente Phosphorverwertung verfügt. Und dann? Komme die Züchtung ins Spiel, bei der nur Tiere mit den gewünschten Eigenschaften für eine gezielte Fortpflanzung ausgewählt werden, so Projektleiter Klaus Wimmers.
"Das wird bisher für ein Merkmal wie Phosphoreffizienz nicht gemacht. Aber wir denken was ja unsere Untersuchungen auch tatsächlich bestätigen, dass da die Genetik doch eine erstaunlich große Rolle spielt, dass das ein Ansatz wäre, dieses Merkmal `Phosphoreffizienz` DNA-Marker-gestützt zukünftig in der Tierzüchtung zu berücksichtigen."

Ressourcenverschwendung

Ortswechsel: "Domgut Dehmen" bei Güstrow. Auf einer Kremserfahrt zeigt Geschäftsführer Martin Bohn den Gästen der Bio-Landpartie seine Hähnchen, Puten und Schweine. Die bekämen selbstangebautes Getreide, Gras und Erbsen zu fressen. Doch um den Bedarf der Tiere an Phosphor und tierischem Eiweiß zu decken, müsse man Futtermittelzusätze teuer importieren. Ein Grund laut Bohn: Die staatlich verordnete Ressourcenverschwendung.
Bio-Schweinezucht auf Domgut Dehmen
Bio-Schweinezucht auf Domgut Dehmen© Silke Hasselmann
"Wir können es uns in Deutschland leisten, Bio-Schwein oder Bio-Rind das Fleisch sehr teuer zu verkaufen, und müssen dann die Knochen kostenpflichtig verbrennen und entsorgen. Wir vernichten damit Eiweiß. Wir vernichten damit Phosphor, der endlich ist, und da muss ein Umdenken kommen, um einfach auch Ressourcen zu schonen."
Das findet auch Burkhard Roloff vom Bund für Umwelt und Natur in Schwerin. Angekommen am Waldesrand bei den englischen Puten, sagt er, die Politik sollte sich endlich dazu durchringen, sowohl phosphorreichen Klärschlamm als auch Tierknochen für eine Wiederverwertung freizugeben.

Folge des Rinderwahnsinns

"Ja, wir kommen da gar nicht dran vorbei. Es ist ja insbesondere der Phosphor, der in den Knochen abgelagert wird. Deshalb gab es ja früher auch die Knochenmühlen. Damit wurde gedüngt. Der Phosphor ist so knapp und das Problem ist, dass wir aus hygienischen Gründen durch BSE gebrannte Kinder sind in Europa."
Burkhard Roloff vom BUND Schwerin auf dem Domgut Dehmen
Burkhard Roloff vom BUND auf Domgut Dehmen© Silke Hasselmann
Tatsächlich brach Ende 2000 auch in Deutschland der sogenannte "Rinderwahn" aus, weil die Mischfutterindustrie das aus Tierknochen gewonnene Mehl samt tierischem Eiweiß auch in das Wiederkäuer-Futter gemischt hatte. Sofort wurde die Verfütterung von Tiermehl an sämtliche Lebensmittel produzierenden Nutztiere verboten.

Vor einigen Jahren lockerte die EU dieses strikte Verbot. Unter bestimmten Voraussetzungen dürfen Tierknochen wieder für Futterzwecke verwendet werden, was auch die Einfuhr von mineralischem Phosphor drosselt. Doch die Bundesregierung erlaubt dergleichen in Deutschland noch immer nicht. Dabei sei es technisch möglich, die Stoffkreisläufe für Monogastrier und Wiederkäuer sauber zu trennen, meint Mecklenburg-Vorpommerns Landwirtschaftsminister Till Backhaus.
"Ja, technisch ist das möglich; wird in anderen EU-Staaten ja auch gemacht. Das ist wieder ein Wettbewerbsnachteil für uns in Deutschland. Und außerdem – da stimme ich Herrn Bohn zu: Es ist eine ganz wertvolle Ressource, die wir sonst in die Heizkraftwerke oder Betonindustrie geben. Das ist Wahnsinn. Es wird verbrannt. Wird verbrannt!"
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