Philosophischer Wochenkommentar zum Weltlachtag

"Lachen ist Welterschließung"

"White Dinner" in Berlin: Weiß gekleidete Menschen amüsieren sich beim Picknick unter freiem Himmel vor dem Olympiastadion.
Lachen ist grundsätzlich mit Bedeutung verknüpft, schreibt David Lauer. Man sollte es nicht auf das körperliche Phänomen reduzieren. © picture alliance / dpa / Hannibal Hanschke
Von David Lauer · 06.05.2018
Im Lachen aus Nervosität, Freude oder Schadenfreude erfährt der Mensch seine eigenen seelischen Regungen. Es stiftet Beziehung zu Anderen. All dies blende das Kommando-Lachen am Weltlachtag aus. Übrig bleibe eine reine Zwerchfellübung, findet David Lauer.
Das Lachen hat die Philosophie immer beunruhigt. Und das nicht nur, weil sie sich selbst als möglichen Gegenstand des Gelächters fürchtet, seit Platon den legendären Joke mit Thales und der thrakischen Magd zum Besten gab: Schrulliger Philosoph betrachtet grübelnd die Sterne und fällt dabei in den Brunnen – ein Brüller, bis heute.
Das Lachen ist für die Philosophie auch deshalb ein ambivalentes Phänomen, weil es so manche Unterscheidung überspielt, die die Philosophie traditionell sehr ernst nimmt, zum Beispiel die zwischen Affekt und Vernunft. Einerseits ist das Verstehen von freiwilliger oder unfreiwilliger Komik eindeutig vernunftgebunden, Ausdruck von Intelligenz und Persönlichkeit. Andererseits bleibt das Lachen ein eruptiver körperlicher Affekt, der sich nur schwer kontrollieren lässt und uns überfällt, wie er will. Es lacht eigentlich nicht der Mensch, schreibt Helmuth Plessner in seiner Abhandlung über Lachen und Weinen, sondern "es lacht in ihm, er ist gewissermaßen Schauplatz und Gefäß für diesen Vorgang".

Das Lachen als bloße Erschütterung des Zwerchfells

Es ist diese Körperlichkeit des Lachens, die der Idee, sich am Weltlachtag zum grundlosen Lachen zu verabreden, zumindest eine gewisse Plausibilität verleiht. Es stimmt: Das Lachen, als bloße Erschütterung des Zwerchfells betrachtet, braucht keinen Anlass. Es kann durch Klatsch-, Dehn- und Atemübungen angeregt werden. Und was wäre daran lächerlich? Lachen, das weiß man schließlich, ist gesund. Es reduziert Stress, senkt den Blutdruck und stärkt das Immunsystem.
19.03.2015 // Halle Saale Pierre Häusler 51 ist der einzige Lachtrainer ( Trainer für Lach - Yoga Lachyoga ) , er hat den Lachclub Halle gegründet und trainiert die Clubmitglieder Lachyoga ( Hasya-Yoga oder auch Yogalachen ) ist eine Form des Yoga, bei der das grundlose Lachen ( Sanskrit hasya ) im Vordergrund steht. 
Lach Yoga-Gruppe beim Trainin (in Halle/Saale).© imago stock&people
Und dennoch lässt sich nicht übersehen, dass diese Betrachtung des Lachens sich einer brachialen Reduktion verdankt. Ja, Lachen ist ein Affekt. Es überfällt uns. Aber nicht wie ein Niesen. Lachen ist Welterschließung. Es entdeckt und antwortet situativ auf die Begegnung mit dem Lachhaften, es kennt Anlässe und Gründe, ist geknüpft an Sensibilität und Witz.
Lachen ist auch Selbstbegegnung. Im Lachen aus Nervosität, Erleichterung, Stolz, Erschöpfung, Empörung, Freude oder Schadenfreude erfährt der Mensch seine eigenen seelischen Regungen an sich selbst. Und Lachen stiftet Beziehung zu Anderen, im Guten wie im Schlechten. Am Lachen für sich betrachtet ist nichts Friedfertiges: Lachen verbindet oder es schließt – als Auslachen – andere aus. Es kann subversiv oder oppressiv sein, befreien oder demütigen.

Lachen ist grundsätzlich mit Bedeutung verknüpft

So enthüllt sich das Lachen als ein Modus des menschlichen Verstehens. Das bedeutet: Es ist grundsätzlich mit Bedeutung verknüpft. Alle positiven Attribute aber, die man dem Lachen allgemein zuschreibt, setzen diese Sinnhaftigkeit voraus. Insbesondere die vom Weltlachtag beschworene gemeinschaftsstiftende Kraft des Lachens beruht darauf, dass die Lachenden sich in diesem Moment als gemeinsam über etwas Lachende sinnvoll verstehen können – anders als wenn sie alle zufällig zur gleichen Zeit von einem Niesanfall geschüttelt würden.
Die Reduktion des Lachens auf ein bloß körperliches Geschehen, das dann als freie Verfügungsmasse wieder in den Dienst irgendwelcher zweckrationaler Zielsetzungen genommen werden soll – Glück, Gesundheit, Weltfrieden – zieht sich selbst den Boden unter den Füßen weg. Allerdings passt sie gut in eine Zeit, die alle möglichen Arten welterschließenden, beziehungsstiftenden Ausdrucksverhaltens um ihre Sinndimension zu erleichtern verspricht. Statt vom Lachen könnte in den Aufrufen zum Weltlachtag auch von Umarmungen oder von Sex die Rede sein, ohne dass sich eine wesentliche Änderung der Message ergäbe. Das ist nicht zum Lachen. Ein amüsiertes Schmunzeln über diese untergründige Ironie aber wäre ein passender philosophischer Beitrag zum Weltlachtag.
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