Philosophie im Kinderzimmer

05.12.2006
Kant für Kinder? Philosophie neben Playmobil? Nach seiner "kleinen Philosophie des Humors" legt Manfred Geier ein Taschenbuch vor, das sich vor allem kleinen, sprich: jüngeren Lesern zuwendet. Auf knapp 200 Seiten geht es um philosophische Fragen aus Kindermund und um Antworten bekannter Philosophen, die auf anschauliche Art und Weise, mitunter in fiktiven Dialogen, vermittelt werden.
Kinder fragen viel und gerne. Sie sind geborene Philosophen. Platon war davon überzeugt. Manfred Geier ist es auch.

"Philosophieren beginnt mit dem Staunen. Man muss Fragen stellen. Plötzlich ist etwas nicht ganz selbstverständlich. Und in dem Moment wenn man darüber anfängt nachzudenken, ist man Philosoph. Ich übersetze Philosoph auch lieber nicht mit der traditionellen Formulierung 'Liebhaber der Weisheit' sondern als 'jemand, der gerne denkt' - 'Gerndenker', das ist für mich ein Philosoph."

Mit seinem jüngsten Buch will der Linguist und Literaturwissenschaftler seine Leserschaft zum Gernedenken anstoßen und mitnehmen ins Wunderland der Philosophie. Sein Taschenbuch ist in elf Kapitel unterteilt, die allesamt mit Fragen überschrieben sind. Zum Beispiel: Ist alles nur geträumt? Können Maschinen denken? Darf ich auch lügen? Wo ist Gott geblieben?

Die erste Frage - Was schreibst du? - weist auf die Rahmengeschichte hin, in der Geier zugleich die Entstehungsgeschichte des Buches nachzeichnet. Es handelt sich um E-Mails und Briefe, Begegnungen und Gespräche mit Toni, dem achtjährigen Sohn einer Freundin. Sie dienen dem Hamburger Autor als Perlenschnur, als Aufhänger für philosophische Exkurse und Gedanken.

Anders als Jostein Gaarders Bestseller "Sofies Welt" unternimmt Geier keine kontinuierliche Reise durch die Philosophiegeschichte, sondern wendet sich je nach Fragestellung und philosophischer Kopfnuss den jeweils relevanten Denkern zu. Dabei wird mitunter deutlich, dass es sich beim Philosophieren um einen vergnüglichen Gedankensport handeln kann.

Bei der Frage etwa, ob ein wesentlicher Unterschied bestehe zwischen Tieren und Menschen, geht Geier auf drei Philosophen ein. Michel Eyquem de Montaigne war überzeugt, dass es nur eine Natur gibt, der Menschen und Tiere gleichermaßen angehören. Daher liege es nicht nur an den Tieren, wenn Menschen diese nicht verstehen. René Descartes hingegen sieht in Tieren "nur körperliche Wesen, die wie natürliche Automaten funktionieren ... ohne jeden Verstand und ohne Sprache."

Über diese klassischen Positionen hinaus bringt Geier kurz und prägnant Karl Poppers Theorie der drei Welten ins Spiel, mit der sich sowohl der zu optimistisch denkende Montaigne als auch der überhebliche Descartes kritisieren lassen. Welt 1 umfasst körperliche Dinge, Welt 2 Erlebnisse, Gefühle und Empfindungen, Welt 3 Produkte des menschlichen Geistes wie etwa Romane und Märchen, Filme und Videospiele. Tiere zählen zur Welt 1 und haben Anteil an der Welt 2. "Den Entwicklungssprung in die Welt 3 haben sie noch nicht geschafft."

Geiers Schilderungen und philosophische Gedankengänge sind durchaus in kindgerechter Sprache verfasst. Dennoch wird man fragen dürfen, ob Achtjährige ihm bei allen Antworten folgen können. Erwachsene Leser, die sich erstmals auf philosophisches Terrain wagen, finden in diesem Buch vermutlich mehr Anregungen und Gefallen am "Gerndenken" als bei den üblichen, trockenen Einführungen.

Das Buch, das sich bei aller Vorliebe des Autors für Kant nicht nur um den Königsberger Philosophen dreht, will Mut machen, selber zu fragen, auf grundsätzliche Fragen einzugehen und sich dabei seines eigenen Verstandes zu bedienen. Der Buchtitel, um ein kleines Wort ergänzt, ist für Geier gewissermaßen Programm: Was konnte Kant, was ich noch nicht kann.

Rezensiert von Thomas Kroll

Manfred Geier: Was konnte Kant, was ich nicht kann? Kinder fragen - Philosophen antworten
Rowohlt Verlag, Reinbek 2006
192 Seiten, 8,90Euro