phanTECHNIKUM in Wismar

Staunen, entdecken, experimentieren

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Flugzeug-Abteilung im PhanTECHNIKUM: Spielerisch lernen © picture alliance / dpa / Jens Büttner
Von Silke Hasselmann · 30.11.2017
"phanTASTISCH – phanTASIEVOLL - phanTECHNIKUM" – mit diesem Slogan wirbt das Landestechnikmuseum Mecklenburg-Vorpommern um Besucher. Vor genau fünf Jahren wurde es eröffnet und ist ein Lernort für Erwachsene und Kinder gleichermaßen.
Freitagvormittag, kurz nach zehn. Das phanTECHNIKUM hat gerade erst seine Pforten geöffnet und Christiane Demian ist bereits mit rund 20 Drittklässlern unterwegs. Erste Station: "Luft, Wind, Luftfahrt". Eben noch herrschte helle Aufregung, weil zwei Schüler probieren durften, wie man Pedalen tretend Turbinen antreiben kann.
Demian: "Habt ihr jetzt erst mal bis hierhin noch Fragen? Sonst gehen wir nämliche eine Etage weiter."
Junge: "Dürfen wir da nachher noch alle rauf?"
Demian: "Es kommt darauf an, wie ihr euch das einteilt. Wir haben noch so viele Stellen, wo ihr was ausprobieren könnt. So, kommt mal weiter!"
Bald hält Frau Demian unter einem Storch-Modell. Auf großen Schautafeln an der Wand: Ein Löwenzahn-Foto und eine wunderschön gezeichnete Pusteblume.

Warum kann der Storch fliegen?

"So, jetzt gucken wir hier bitte noch mal. Vorhin habe ich euch erklärt, dass an diesem Storch Otto von Lilienthal untersucht hat, warum fliegt der Storch, und hat danach sein Fluggerät gebaut. Jetzt seid ihr wieder gefragt. Mal sehen, ob das einer rauskriegt: Ihr wisst alle, wenn der Löwenzahn verblüht ist, hat er diese Pusteblume. An welches Fluggerät erinnert euch der Samen der Pusteblume? Nun bin ich ja gespannt."
Mädchen: "Propeller?"
"Nee, der hat doch keinen Propeller dran."
Junge: "Heißluftballon?"
"Auch nicht."
Junge: "Fallschirm."
"An einen Fallschirm, richtig. Ein Fallschirm hat ja auch keinen Rotor dran und wird vom Wind getrieben. Das heißt, die Menschen haben sich immer was in der Natur gesucht, was sie dann nachgebildet haben."

Die Aufmerksamkeit der Kinder lässt nach

Die frühere Chemie- und Russischlehrerin spürt, dass die Aufmerksamkeit der Kinder langsam nachlässt. Doch eines möchte sie unbedingt noch unterbringen und zeigt auf einen Spruch an der Wand. Der hat mit dem sogenannten Hummel-Paradoxon zu tun, denn nach den Gesetzen der Physik kann die Hummel eigentlich nicht fliegen.
"Zu dick und zu wenig Flugkraft. Aber da die Hummel das nicht weiß, fliegt sie trotzdem."
Großartig erklärt, freut sich da die Klassenlehrerin, die sich als "Frau Stolz" vorstellt.
"Ich find` das auch ganz toll, dass wir ´ne Führung haben. Ich kann das gar nicht so genau erklären. Ich habe den Fokus auf anderen Sachen. Also ich finde das immer ganz gut, wenn man professionelle Hilfe hat."
Auf dem Weg in die Abteilung "Wasser" erzählt Frau Stolz, dass sie in der Grundschule Herrnburg am äußersten Rand von Westmecklenburg arbeitet und oft die Autobahnstunde Richtung phanTECHNIKUM fährt.
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Schülergruppe im Landesmuseum: "Das habe ich nicht gewusst"© Deutschlandradio / Silke Hasselmann
"Meine Kollegin und ich fahren immer mit der 3. Klasse hierher, weil das aufregend und spannend ist, dass die Kinder einfach mal selber entdecken können, wie das funktioniert. Wir haben jetzt die Hauptthemen in Sachkunde: Wetter, das ist auch Wasser. Und das bietet sich einfach an, hierher zu fahren. Kinder müssen in dem Alter selber erleben, ne."
Reporterin: "Und die sind ja offenkundig begeisterungsfähig."
Lehrerin: "Ja. Jedes Mal die Dritte. Da freuen wir uns schon: 'Es geht ins phanTECHNIKUM!'"
Das wiederum freut diesen Mann:
"Ja, André Quade. Ich bin hier Direktor am Technischen Landesmuseum und unserem Ausstellungshaus phanTechnikum hier in Wismar. Uns macht aus - wir sind ja ein Technikmuseum, seriös - dass wir die Mitmach-Elemente in die Ausstellung integrieren. Also wir haben keinen Extrabereich, wo man ein Experiment ..., sondern es steht eigentlich am Objekt und man kann daran erfahren: Aha - so funktioniert´s, so sollte es sein!"

Vor dem Spaß kommt die Theorie

Derweil sagt Museumsführerin Christiane Demian den Kindern, sie könnten in Kürze den nächsten Selbstversuch starten.
"Aber wie so oft: Vor dem Spaß kommt die Theorie. Wozu braucht ihr jeden Tag Wasser?"
Waschen, trinken, kochen, Zähne putzen, Blumen gießen - rufen die Grundschüler und staunen, als sie hören, dass jeder Deutsche im Durchschnitt pro Tag 125 Liter Wasser verbraucht.
"So, und wenn wir unter die Dusche gehen, brauchen wir natürlich auch Seife. Weiß jemand, woraus man Seife herstellt? Aus Knochen."
Kinder: "Iiiih."
Museumsführerin: " Im Mittelalter hat man schon mit Asche gewaschen."
Kinder: "Bäääh ..."
Museumsführerin: "So, jetzt wird´s spannend. Man kann hier nämlich eine Seifenblase erzeugen ..."
Sie bittet einen Jungen in die Mitte eines Kreises von etwa einem Meter Durchmesser und umrandet von einem schmalen, mit Lauge gefüllten Außenring. Darin wiederum liegt eine Art Fahrradschlauch, der, wenn er schnell in die Höhe gezogen wird, eine riesige Seifenblase erzeugen kann.
"Jetzt ziehst du bitte mal gleichmäßig. Ja, richtig. Weiter, weiter, weiter!"
Es klappt: Der Junge ist kurz in eine Seifenblase gehüllt. Als die platzt, darf der nächste probieren. Der Lärmpegel steigt beständig. Dennoch findet die Klassenlehrerin Frau Stolz, dass das Experiment "Klassenfahrt ins Landestechnikmuseum" auch in diesem Jahr wieder gut funktioniert.

Alle Sinne werden angesprochen

"Obwohl sie die Themen in der Schule jetzt noch nicht hatten. Wir hatten 'Getreide', und wir hatten 'Ernährung'. Da war schon ein bisschen mit Wasser drin. Aber wir haben die Themen noch gar nicht gehabt. Trotzdem haben einige schon ein ganz schön hohes Grundwissen, finde ich."
Reporterin: "Warum würden Sie anderen Lehrern oder auch Eltern empfehlen, mit ihren Kindern hierher nach Wismar ins phanTECHNIKUM zu kommen?"
"Als Erstes müssen Kinder erleben. Sie müssen mit allen Sinnen angesprochen werden und nicht nur vom Vortragen, also hören. Sondern auch sehen, fühlen. Sie müssen das selber erleben. Desto eher wird das aufgenommen und die Kinder können viel, viel mehr lernen."
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Direktor Quade: Aha, so funktioniert's!© Deutschlandradio / Silke Hasselmann
Derweil ergeben viel Glas, viel Waschbeton sowie hohe, offene Räume eine beeindruckende Lärmkulisse. Ziehen Kinder durchs Museum, fühlt man sich rasch wie in einem gutbesuchten Spaßbad. Auch Direktor André Quade sagt:
"Also: Geräuschpegel - da wissen wir noch nicht mit umzugehen. Aber das muss man irgendwie anders gestalten."
André Quade, die Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden und die Lesebrille über der Stirn, führt mich nun durch einen engen, verspiegelten Gang. Gedämpftes Licht. Knisternde Geräusche aus den Deckenlautsprechern. Am Ende dann eine Wand in leuchtendem Orange: die Abteilung "Feuer".
Hier berichtet der Direktor von den Anfängen des phanTECHNIKUMs. In den 60er Jahren als "Polytechnisches Museum" gegründet, wurde es in den 90er Jahren umbenannt in "Technisches Landesmuseum Mecklenburg-Vorpommern". Als das Land einen festen Standort suchte, gewann Wismar die Ausschreibung und ließ die alte Kaserne am Stadtrand umbauen.

Dampfmaschinen, Fluggeräte, Schiffspropeller

Die Sammlung umfasst eine Chemikalien-Retorte aus dem 16. Jahrhundert, frühe Dampfmaschinen, Fluggeräte und auch den mit einem Durchmesser von über 9 Metern größten Schiffspropeller, der bislang in Mecklenburg-Vorpommern gegossen wurde. Bei der Anfahrt nicht zu übersehen, denn der liegt vor dem Museumsgebäude.
"Der hat ja so 40 Tonnen. Das ist schon ein Knaller, ein Hingucker. Und der große Bereich im Erdgeschoss ist dezidiert Schiffantriebstechnik."
Vieles auf den 3.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche hat mit Erfindern und Entwicklern aus Mecklenburg bzw. Vorpommern zu tun. Das Museum sammelt schon lange Patente von Leuten aus der Region oder von Menschen, die hier gewirkt haben.
Die Patent-Datenbank ist auf der Museums-Homepage einsehbar und war auch die Grundlage für den Ausstellungsteil "Blitzlichter - made in M-V", wo man unter anderem den Physiker Alexander Behm kennenlernt.
"Die empfangenen Echos ergaben eine Tiefe von 5.625 Metern oder 18.450 Fuß - die größte bisher in der Arktis festgestellte Tiefe. Auch das Luftschiff `Italia` wurde für die Polarexpedition des Umberto Nobile 1928 mit einem Behm-Lot ausgerüstet."
Der gebürtige Mecklenburger befasste sich vor rund hundert Jahren unter anderem mit Schall und Raumakustik. Nach dem Untergang der "Titanic" 1912 bastelte Behm an einem Eisberg-Ortungssystem. Das Echolot - oder auch Behmlot -, das er erfand, erkannte zwar keine Eisberge, überzeugt aber bis heute jeden Seefahrer als Tiefenmesser.
Quade: "Josefin, kannste mal aufschließen? Da sind wir jetzt in der Museumswerkstatt. Hier finden Workshops statt zu allen möglichen Sachen: Löten, Basteln, was weiß ich ..."
Damit das phanTECHNIKUM am Stadtrand von Wismar vor allem von den jüngeren Besuchern als genau so phantastisch empfunden wird, wie es gern sein möchte, kümmert sich derzeit vor allem Josefin Hagelstein um den Bereich Museumspädagogik. Mit Erfolg?
"Na, wir haben es ein bisschen gemischt. Wir haben viele Gruppen, die sind wirklich technikbegeistert und kommen gezielt hierher. Wir haben aber auch viele Familien, die einfach ihre Kinder ein bisschen an Technik heranführen wollen. Für Kinder ist es in der Regel ziemlich spannend hier. Gerade auch durch die vielen Experimentierstationen, die wir haben. Aber ich würde auch sagen, bei der theoretischen Aufarbeitung hapert´s bei Kindern. Kann man einfach so sagen. Aber bei den Erwachsenen sehe ich eigentlich keine Probleme. Die haben eigentlich viel Spaß hier."

Der Spielplatz ist noch nicht fertig

Übrigens: Im nächsten Sommer sollen endlich auch die Grünanlagen samt Außenausstellung und Spielplatz fertig sein. Zudem will das Landestechnikmuseum in Finnland ein großes Objekt kaufen und es "den Wismarern quasi zurückbringen". Mehr verrät Direktor André Quade nicht.
Egal, ein Besuch des phanTECHNIKUM Wismar lohnt sich auch so jederzeit. Schließlich lernt man nie aus, wie auch die Herrnburger Grundschüler zugeben:
Junge: "Ich hab´ nicht gewusst, dass man mit verschiedenen Sachen Licht machen kann. Also mit Strom auf jeden Fall und mit Feuer."
Anderer Schüler: "Das mit dem Schiffspropeller wusste ich noch nicht, dass die so schwer und so lang sind. Das war mir neu. Das fand ich ziemlich krass."
"Ich will wieder hin. Ich will wieder hin mit der Familie, weil ich das hier ziemlich cool finde und ich konnte noch nicht alles ausprobieren."
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