Pflaster für jede Hautfarbe

12.07.2007
Er trägt Rasta-Locken und ist Absolvent der Elite-Universität Harvard: der afroamerikanische Schriftsteller und Journalist Colson Whitehead, 1969 in New York geboren. Kritiker vergleichen ihn mit William Gaddis und Paul Auster. 1998 erschien Whiteheads erster Roman, "Die Fahrstuhlinspektorin", eine kriminalistisch-soziologische Allegorie auf die US-Gesellschaft, 2004 folgte der 600-Seiten-Roman "John Henry Days". Und nun ist Whiteheads dritter Roman erschienen, mit dem schlichten wie zunächst rätselhaften Titel "Apex".
"Apex" ist in dem Roman der Markenname eines Heftpflasters, des beliebtesten Heftpflasters weltweit; man denkt "Heftpflaster" und sagt "Apex"; und "Apex" ist u.a. deswegen so erfolgreich, weil es politisch korrekt ist; man kann es in allen Hautfarben bekommen.

Der Erfinder dieses Markennamens "Apex" und jener Hautfarben-Idee ist die Hauptfigur des Romans, ein berühmter Werbetexter. Der hat einen neuen Auftrag bekommen, und zwar will sich eine amerikanische Kleinstadt mit Namen "Winthrop" umbenennen. So viel es aber in dem Roman um Namen geht, den Namen der Hauptfigur erfährt der Leser nicht.

Das Szenario wirkt zunächst bedrückend: ein anonymer, nicht besonders glücklicher Werbetexter in einer spießigen amerikanischen Kleinstadt; bewusst lässt Whitehead den Leser zusammen mit dem Helden durch eine sirupzähe ethnologische Betrachtung waten, was ein Kritiker so beschrieb: "wie Kafka mit Saxophon-Begleitung von Charly Parker". Wer Whitehead kennt, der weiß, dass er nicht enttäuscht wird:

"Apex" ist wieder mal ein durch und durch satirischer, oft zynischer und politischer Roman, der die Wahrnehmung der westlichen Welt seziert bzw. deren permanente Manipulation durch Sprache und Produkte. Die westliche Welt erscheint darin als Spielwelt aus Lego-Steinen, im Roman "Ehko-Steine" genannt, bevölkert mit Playmobil-Figuren, von Whitehead beschrieben als die "kleinen Moppel mit dem aufgemalten Lächeln"; eine Welt, in der zum Beispiel Massenentlassungen als "bedarfsgerechte Personalpolitik, Wertschöpfungskette," oder "Rightsizing" verkauft werden.

Colson Whitehead ist ein hervorragender Beobachter, seine Sprache mal experimentell und surreal:

"Er lauschte dem Geräusch der Kaffeemaschinen, ihrem Stakkatogegurgel. Es war schwarzes, aus der Erdkruste blubberndes Gold, der elementare Rohstoff."

Mal lakonisch und komisch zugleich:

"Es war ein guter Ort, um eine falsche Entscheidung zu treffen."

Whitehead scheint schriftstellerisch noch gereift zu sein, gleichzeitig ist er sich treu geblieben, stilistisch, politisch, und auch was sein Hauptanliegen betrifft, die Geschichte der schwarzen Bevölkerung in den USA.

"Apex" ist ein filigran komponierter aber auch angenehm kompakter Roman, ein bisschen Stephen King in einer Lego- und Playmobil-Welt, exzentrisch, spannend und unterhaltsam, mit einem enormen Sog ohne Leerlauf: "Gott segne unsere Garagen". "Apex" ist moderner Expressionismus, ist Pop-Art auf höchstem literarischen Niveau: Nachrichten aus dem Wunderland "Tantalasia", wie Whitehead die USA hier nennt, wo sogar die Pompons der Cheerleader "durchgeladen und gesichert" werden.

Rezensiert von Lutz Bunk

Colson Whitehead: "Apex"
Roman. Übersetzt von Nikolaus Stingl.
Hanser Verlag 2007
191 Seiten, 17.90 Euro