Petersilie

Von Udo Pollmer · 19.10.2008
Vor wenigen Wochen fand eine gemeinsame Tagung des Julius-Kühn-Institutes in Quedlinburg und der Deutschen Genbank in Gatersleben statt. Dort nämlich befindet sich eine besondere Sammlung: Die Weltkollektion Petersilie - insgesamt 219 Sorten, darunter viele alte Landsorten. Und die wurden nun auf ihre Verwandtschaftsbeziehungen untersucht.
Was kam dabei heraus? Zum Beispiel, dass die glatte Petersilie vermutlich älter als die krause ist oder dass die Wurzelpetersilien alle miteinander verwandt sind. Immerhin ergab die Analyse der ätherischen Öle, dass sich zwei Gruppen nach dem jeweiligen Hauptaromastoff unterscheiden lassen: Die Myristicin-Typen und die Apiol-Typen.
Was bitte ist Myristicin und Apiol? Das sind die Stoffe, denen dieses Kraut offensichtlich seine Bedeutung in unserer Küche verdankt. Das Myristicin wird in der Leber in ein Amphetamin umgewandelt, das chemisch dem Ecstasy verblüffend ähnlich sieht. Allerdings entfaltet es etwas andere pharmakologische Wirkungen. In höherer Dosis sorgt es für eine gewisse Gelassenheit, für ein entspanntes Gefühl. "Cool" würde man heute sagen. Das Myristicin spielt auch in Colagetränken eine zentrale Rolle. Und es ist auch für den guten Ruf deutscher Wurstwaren von Bedeutung. Denn auch hier sorgte ein Zusatz an Muskatnuss, die weitaus mehr Myristicin enthält als die Petersilie, für eine gewisse Kundentreue.
Aber ist es nicht der Geschmack, der hier im Vordergrund steht? So denkt das christliche Abendland; da gehört der Geschmack zu den Fallstricken des Teufels, der unser schwaches Fleisch verführen will. Wenn etwas auf Dauer angenehm schmeckt – dann ausschließlich deshalb, weil es der Körper etwas bietet, was dieser zu nutzen weiß. Es gibt keinen Gaumenkitzel ohne physiologischen Hintergrund. Beim ersten Mal schmeckt das Kraut so abstoßend wie Kaffee. Erst wenn unser metabolischer Sinn Gefallen daran findet, schmeckt es unserem Gaumen. So auch hier. Sonst hätte sich das ernährungsphysiologisch wertlose Blattwerk nie in unserer Küche durchgesetzt.
Aber Petersilie ist ein wertvolles Gewürz, ein altes Hausmittel Eben drum. Wenn das Kraut nicht sättigt, dann muss es dem Körper andere Dienste leisten. Aufgrund seiner zahlreichen Wirkstoffe wurde es in der Volksmedizin bei Verstopfung, Diabetes oder Demenz eingesetzt. In der Tat konnten entsprechende Effekte im Tierversuch bestätigt werden. Aber bitte Vorsicht bei der Anwendung. Aufgrund der unterschiedlichen Sorten und Anbaubedingungen sind jedes Mal andere Stoffe enthalten. Denn diese werden vorzugsweise zur Abwehr von Schädlingen wie Insekten oder Schnecken und Pflanzenkrankheiten gebildet. Da die Pflanzen sehr flexibel reagieren müssen, je nachdem welche Gefahr gerade droht, bilden sie jedes Mal andere pflanzeneigene Pestizide. Durch Züchtung haben wir die Gehalte an erwünschten Stoffen erhöht und die unerwünschten soweit es ging zurückgedrängt.
Was gibt es denn so an unerwünschten Stoffen? Zum Beispiel die Polyactylene. Sie sind für den bitteren Geschmack verantwortlich. Sie töten nicht nur Nematoden und die Erreger von Pilzkrankheiten, sondern sind auch für den Menschen ziemlich giftig. Da die Dosis bei unseren Kultursorten gering ist und wir durch Bitterkeit gewarnt werden, ist der Mensch, solange er nach Gusto speist, auf der sicheren Seite.

Eine zweite Stoffgruppe, die es in sich hat, sind die Furocumarine. Sie verursachen auf der Haut in Verbindung mit Tageslicht schwere Verbrennungen. Grad so wie beim Bärenklau. Es gab bei Feldarbeitern dadurch schon schwere Verbrennungen. Das ist zwar die Ausnahme, zeigt uns aber, dass die Pflanze durchaus in der Lage ist, chemisch flexibel auf Umweltherausforderungen zu reagieren.

Und last but not least sind die hormonell wirksamen Stoffe zu erwähnen. Das ist vermutlich einer der Gründe, warum diese Mischung an Giftstoffen früher zur Abtreibung verwendet wurde. Damit haben damals viele Schwangere auch ihr eigenes Leben aufs Spiel gesetzt.
Fazit: Wer aus Freude am guten Essen mit Petersilie würzt, ist auf der sicheren Seite, solange es ihm schmeckt. Wer damit jedoch seiner Gesundheit etwas Gutes tun will, der begibt sich in Gefahr.

Literatur:
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