Peter Schaar: Strafe für heimliche Gentests im Gesetz festschreiben

Moderation: Nana Brink · 16.04.2008
Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Peter Schaar, will im geplanten <papaya:addon addon="d53447f5fcd08d70e2f9158d31e5db71" article="202040" text="Gendiagnostikgesetz" alternative_text="Gendiagnostikgesetz" /> Strafen für heimliche Gentests festschreiben lassen. Ein Verbot, das letztlich keine Konsequenzen habe, werde sich sonst nicht durchsetzen lassen, sagte Schaar. Deshalb müssten solche Konsequenzen in einem solchen Gesetz noch festgelegt werden.
Nana Brink: Und wir sind jetzt verbunden mit Peter Schaar, dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz. Schönen guten Tag, Herr Schaar!

Peter Schaar: Guten Morgen!

Brink: René Röspel von der SPD hat als künftiger Vorsitzender des Ethikbeirates bei uns gesagt, es geht im Wesentlichen um das Selbstbestimmungsgesetz. Also im Klartext, jeder hat das Recht, seine eigenen genetischen Befunde zu kennen oder sie auch nicht kennen zu wollen und über die Weitergabe der Daten zu entscheiden. Ist denn das überhaupt möglich?

Schaar: Das ist heute noch möglich. Und es muss auch in Zukunft möglich bleiben. Aber dazu brauchen wir eben eine klare gesetzliche Regelung, die das auch absichert. Und das, was jetzt heute im Kabinett, es ist ja kein Gesetzentwurf, sondern es ist nur ein Eckpunktepapier. Und von einem Eckpunktepapier zu einem Gesetz ist es noch ein durchaus nicht unbedeutender Weg. Das muss alles noch konkretisiert werden.

Brink: Da gibt es ja dann bestimmt auch Hemmschwellen oder, sagen wir mal, auch mögliche Geschichten, die wirklich schief laufen können. Ich denk da mal an das Arbeitsrecht. Da werden ja genetische Untersuchungen auf Verlangen des Arbeitgebers grundsätzlich verboten. So sieht es das Eckwertepapier ja vor, und auch Versicherungsunternehmen wird untersagt, vor Vertragsabschlüssen genetische Untersuchungen der Kunden zu verlangen. Wie löchrig sind denn solche Passagen in der Praxis? Oder wie muss es denn formuliert sein, dass es wirklich wasserdicht ist?

Schaar: Da liegt der Teufel wirklich im Detail. Denn genau um diese Ausnahmen geht es. Man wird wahrscheinlich auch in Zukunft nicht verbieten können, dass der Arbeitgeber, wenn es um Fernfahrer geht zum Beispiel testet, ob diese Person farbenblind ist, weil die Rot-Grün-Blindheit im Straßenverkehr sicherlich problematisch ist. Das ist im Prinzip schon ein Gentest. Nicht nur die molekulargenetische Untersuchung ist ein genetischer Test. Wie gesagt, so etwas muss in Zukunft zulässig bleiben.

Aber auf der anderen Seite muss es dem Arbeitgeber versagt werden, verboten werden, den Bewerber zum Beispiel darum zu bitten, doch mal sich genetisch untersuchen zu lassen. Selbst wenn der Betroffene einwilligt, ist das ja alles andere als freiwillig. Deshalb finde ich es auch gut, dass in diesem Eckpunktepapier vorgesehen ist, dass solche Zumutungen, würde ich sagen, in Zukunft unterbleiben und gegebenenfalls strafbar werden.

Dasselbe gilt auch für die Versicherungen. Hier gibt es auch ein grundsätzliches Verbot. Das begrüße ich. Aber auch da liegt der Teufel, wie gesagt, im Detail. Da geht es dann um die Frage zum Beispiel, wo muss der Betroffene, wenn er weiß um seine genetische Disposition, dem Versicherungsunternehmen das mitteilen. Ein Beispiel, das ich mir vorstellen könnte, das hier auch immer wieder diskutiert wird, ist, wenn jemand weiß, er hat eine Disposition, eine Veranlagung, zu einer tödlichen Krankheit, die demnächst mit großer Wahrscheinlichkeit ausbrechen wird, wenn der sich jetzt mit einer Million Euro oder noch höher lebensversichern ließe, dann würde das ja letztlich die Versicherungsgemeinschaft sein, die diese Bereicherung der Erben dann ermöglichen würde. So etwas würde dann auszuschließen sein.

Brink: Solche Sachen sind ja mit Sicherheit völlig einleuchtend. Nur zum Beispiel, ich denk ja an den Anstoß für dieses Eckwertepapier. Es war ja ein Fall 2002, der Falle einer Lehrerin in Hessen. Dort nämlich hatte das Land Hessen einen Gentest gefordert, weil sie eine Disposition für eine bestimmte Krankheit hatte, die ihr Vater schon hatte. Sie hat sich dagegen gewehrt. Können solche Fälle dann nicht mehr passieren nach diesem Gesetz?

Schaar: Ja, das ist eben genau die Frage. Das kann man dem Eckpunktepapier so bisher nicht entnehmen. Aber dem Gesetz nach wüsste man das ja nicht.

Brink: Ja genau, weil ja keiner diskriminiert werden darf wegen seiner Disposition.

Schaar: Richtig. Wenn ich sozusagen diesen Nichtdiskriminierungsgedanken weiter zu Ende denke, dann würde das zum Ergebnis haben, dass man einen solchen Fall ausschließt. Das wäre sicherlich eine Möglichkeit, auch wenn die Gerichte bisher in diesem konkreten Fall das für zulässig erklärt hatten.

Brink: Ausnahmen sollen akzeptabel sein, Sie haben es genannt, zum Beispiel beim Abschluss einer Lebensversicherung mit sehr hoher Prämie. Das leuchtet ja ein. Aber der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck, hat ja schon vor sozialer Chancenauslese gewarnt. Wer bestimmt denn dann diese Ausnahmen?

Schaar: Letztlich muss der Gesetzgeber möglichst klar definieren, wo da die Grenze ist, zum Beispiel in dem man eine Betragsgrenze für eine Lebensversicherung festlegt, von der an ein bekannter Gentest gegebenenfalls mitzuteilen ist, wenn er entsprechende Ergebnisse hätte. Aber es kann beispielsweise nicht darum gehen, dass man dann von den Versicherungsbewerbern generell einen Gentest fordert. Das darf es nicht sein.

Brink: Die Frage ist ja dann auch immer die Verwertung dieser Daten. Wir haben den Fall Lidl, die Überwachungskameras, die Detektive, die sind angeschafft worden zur Bekämpfung von Kriminalität. Das ist auch alles in Ordnung. Aber es war klar, dass es verboten ist, die Daten zu verwerten, um Arbeiter zu überwachen.
Schaar: Ja, da kommt es letztlich auch darauf an, einem solchen Gesetz Zähne zu verleihen, eine Strafandrohung für heimliche Gentests einzuführen.

Brink: Das ist in diesem Gesetz jetzt noch nicht vorhanden, in diesem Eckewertepapier?

Schaar: Nein, das ist ein Eckewertepapier, das grundsätzlich heimliche Gentests ausschließt, aber dann muss man dann entsprechend auch umsetzen in der Weise, dass das dann sanktioniert wird. Ein Verbot, das letztlich keine Konsequenz hat, wird sich auch nicht durchsetzen lassen. Deshalb müssen solche Konsequenzen in einem solchen Gesetz auch noch festgelegt werden. Sie sehen, es gibt eine ganze Reihe von Aspekten, die jetzt noch klärungsbedürftig sind. Und die Legislaturperiode ist ja nicht mehr so schrecklich lang.

Brink: Es gibt überhaupt sehr viele dehnbare Begriffe, finde ich, in diesem Gesetz. Zum Beispiel bei Kindern ist ein Gentest nur erlaubt, wenn es zum Wohle des Kindes ist. Ja, wer definiert das Wohl des Kindes?

Schaar: Ja gut, das ist dann noch einmal auch eine Frage, wie die Praxis das dann umsetzt. Ich finde das allerdings durchaus vernünftig, dass hier, wenn zum Beispiel ein Mensch, und das gilt nicht nur für ein Kind, sondern auch für jemanden, der vielleicht selber nicht entscheidungsfähig ist, dass dann praktisch vor einer Therapie, einer bestimmten Therapie, ein genetischer Test durchgeführt wird, wenn dieser Mensch schwer erkrankt ist, um eine günstige Therapieform herauszufinden.

Zum Beispiel, nehmen wir mal an, jemand ist an Krebs erkrankt. Dann gibt es heute Verfahren, die es erlauben festzustellen, ob jemand auf eine bestimmte Therapie mit einer großen Wahrscheinlichkeit anspricht oder nicht anspricht. Und wenn sicher ist, dass diese Person zum Beispiel auf eine Chemotherapie nicht ansprechen wird, dann ist es sicherlich sinnvoll, vorher zu testen, ob man zu diesem Personenkreis gehört oder nicht. So etwas finde ich absolut sinnvoll und würde das auch für mich selbst wünschen, wenn ich in eine solche Situation käme oder für meine Kinder.

Brink: Das heißt, Ihre Forderung ist dann im Endeffekt, dass es eine Kommission geben muss, die solche Sachen präzisiert?

Schaar: Es muss natürlich auch unabhängige Stellen geben, die dieses, was in einem Gesetz dann schon möglichst präzise definiert wird, dann umsetzt auf ganz konkrete Fallkonstellationen.

Brink: Wenn wir schon den Bundesbeauftragten für Datenschutz natürlich im Gespräch haben, müssen wir ihn noch zu einem anderen Thema bitten. Wir haben gerade von der Präzisierung von Gesetzen gesprochen. Ein Gesetz ist ja jetzt präzisiert worden, und zwar, wir haben es auch in den Nachrichten gehört, das BKA-Gesetz. Knackpunkt war ja immer die Online-Durchsuchungen, das heißt, unter welchen Bedingungen darf man denn Online-Durchsuchungen durchführen. Nun hat man sich darauf geeinigt, dass eine Manipulation der Rechner vor Ort nicht erlaubt werden darf. Das heißt, die Unverletzlichkeit der Wohnung soll gewährleistet bleiben. Können Sie damit leben? Ist das Gesetz jetzt verfassungskonform?

Schaar: Dazu müsste ich es ja auch erst kennen. Richtig ist, dass es wohl eine Einigung auf politischer Ebene gibt, nicht in Wohnungen einzubrechen seitens des Bundeskriminalamts. Das würde ich natürlich sehr begrüßen, dass man davon lässt. Aber das muss ich mir dann natürlich noch mal sehr genau anschauen, wie das dann auszusehen hat. Das Bundesverfassungsgericht hat ja klare Vorgaben formuliert, unter denen im extremen Ausnahmefall eben solche Online-Durchsuchungen sein sollen. Ich gehe davon aus, dass der Gesetzgeber sich an diese Vorgaben wirklich peinlich halten wird. Und wenn man jetzt in ein solches Gesetz eine Formulierung hineinschreiben würde, die einen Einbruch in die Wohnung ermöglicht, hätte man wieder das nächste verfassungsrechtliche Risiko, weil das in Artikel 13 Grundgesetz gar nicht vorgesehen ist.

Brink: Das darf für Sie in keinem Falle passieren?

Schaar: Das hielte ich für verfassungsrechtlich höchst problematisch.

Brink: Vielen Dank! Das war Peter Schaar, der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit. Und wir sprachen mit ihm über das Gendiagnostikgesetz, welches heute vom Bundeskabinett verabschiedet werden soll und über das bereits verabschiedete BKA-Gesetz.