"Penthesilea" in Bonn

Eine mörderische Liebe als wuchtiges Klangdrama

Eine Rekonstruktion aus Gips (M) von Achilles und der Amazonenkönigin Penthesilea, sowie den beiden Marmorköpfen stehen am Donnerstag (02.09.2010) bei der Sonderausstellung "Amazonen - Geheimnisvolle Kriegerinnen" im Historischen Museum der Pfalz in Speyer.
Eine Rekonstruktion von Achilles und der Amazonenkönigin Penthesilea, zu sehen im Historischen Museum der Pfalz in Speyer © picture alliance / dpa / Ronald Wittek
Von Ulrike Gondorf  · 15.10.2017
Kleists Drama um die tödliche Liebe zwischen der Amazonenkönigin Penthesilea und dem griechischen Helden Achill hat Othmar Schoeck 1927 als wuchtiges Klangdrama komponiert. Musikchef Dirk Kaftan setzt es an der Bonner Oper kongenial um.
Ein tödliches Drama, das "vorüberrauschen soll wie im Sturmwind" – so hatte der Komponist Othmar Schoeck sich das vorgestellt. Und so erlebte das Publikum in der Bonner Oper das knapp eineinhalbstündige Musiktheater um die tragische, mörderische und selbstmörderische Liebe zwischen den antiken Helden Penthesilea und Achill.
Schoeck hat sich selbst das Schauspiel "Penthesilea" von Heinrich von Kleist eingerichtet: die Amazonenkönigin Penthesilea liebt den griechischen Helden Achill. Aber es gibt ein unerbittliches Gesetz in ihrer Gemeinschaft: eine Amazone muss den Mann besiegen, dem sie sich hingeben will. Achill aber besiegt Penthesilea und verfällt dabei der Liebe zu ihr.
Als er begreift, dass sie dem Gesetz nicht zuwiderhandeln kann, will er sie in einem zweiten Kampf gewinnen lassen. Sie zerfleischt ihn in einem besinnungslosen Blutrausch. "Küsse, Bisse, Das reimt sich, und wer recht von Herzen liebt, Kann schon das Eine für das Andre greifen" ist ihr verwirrter, grausig-unschuldiger Kommentar.

Peitschendes Schlagwerk

Eine extremere Geschichte ist kaum je erdacht worden. Und Schoecks Oper von 1927 inszeniert mit einem riesigen, dunkel getönten und mit peitschendem Schlagwerk besetzten Orchester ein Klangdrama von archaischer, überwältigender Wucht. Und zugleich mit aller sinnlichen Hitze und Betörung des spätromantischen Musiktheaters, das sich so intensiv den Pathologien des Eros zugewandt hat.
Dirk Kaftan am Pult des Beethovenorchesters nutzt das bei seiner ersten Premiere als neuer Musikchef für einen umjubelten Einstand. Er erweist sich als brillanter Klangregisseur, der virtuos und versatil mit Dynamik und Farbenregistern spielt und atemlose Spannung zu erzeugen weiß.
Ein eindrucksvoller Abend des Orchesters. Und ein Triumph für zwei großartige Sänger, die an Kraft, Farbenreichtum und Ausdrucksintensität dieselben Ausnahmequalitäten erreichen: der Bariton Christian Miedl als Achill und die Mezzosopranistin Dshamilja Kaiser als Penthesilea. Sie ist neues Ensemblemitglied des Bonner Theaters und wurde stürmisch gefeiert bei diesem Debut.

Konwitschny inszeniert klug und kalt zugleich

Der mit Spannung erwartete Regisseur Peter Konwitschny, der die Penthesilea in Bonn als Koproduktion mit dem Theater Linz inszeniert hat, platziert das Orchester auf die Bühne. Der Bühnenbildner Johannes Leiacker hat als Spielort vorn ein weißes Podest ins Bühnenportal gestellt, darauf die beiden von Schoeck fürs Orchester vorgesehenen Klaviere.
Das wirkt wie ein Setting für eine konzertante Aufführung und so ist es denn leider auch beinahe. Penthesilea und Achill agieren mit viel Körpereinsatz und ganz hervorragender Deklamation des Kleisttexts (der zum Teil auch als Melodram gesprochen wird.) Das mag ein Verdienst des Regisseurs sein.
Aber seine Idee, den Chor als Pseudo-Zuschauer in Abendgarderobe um das Podest zu platzieren und mit plakativen Aktionen eingreifen zu lassen, erschöpft sich schnell. Wenn diese "Opernbesucher" am Ende türenknallend den Saal verlassen, wirkt das geradezu albern.
Wie sollte man den erotisch-exzessiven Blutrausch von Kleist und Schoeck in Theaterbilder übersetzen? Konwitschnys Lösung ist klug, weil sie Peinlichkeiten vermeidet, aber sie ist auch kalt – und ein wenig mutlos.

Penthesilea
Oper von Othmar Schoeck
Nach dem Trauerspiel von Heinrich von Kleist in einem Aufzug
Musikalische Leitung: Dirk Kaftan
Inszenierung: Peter Konwitschny