"Pegasus"-Recherche

Bisherige Regeln für Spionagesoftware reichen nicht aus

15:19 Minuten
Eine Tastatatur mit einer Anti-Spionage-Taste, die ein durchgestrichenes Fernglas zeigt.
So eine Taste müsste es geben, um sich vor Spionage zu schützen - bis dahin müssen neue Regeln her. © IMAGO / Panthermedia
Moderation: Jenny Genzmer und Tim Wiese · 24.07.2021
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"Pegasus" soll eigentlich Behörden dabei helfen, Kriminelle zu jagen. Einmal auf dem Handy installiert, wird die Software zum digitalen Spion, der alles und jeden unbemerkt überwachen kann. Sie kann also auch gegen kritische Stimmen eigesetzt werden.
Es braucht eben keinen dubiosen Link mehr, auf den die Besitzer klicken, sondern die Installation passiert ganz heimlich – ohne eigenes Zutun. Normalerweise bemerken Betroffene nicht einmal, dass "Pegasus" auf ihrem Handy ist, erklärt Frederik Obermaier von der "Süddeutschen Zeitung". Er gehört zum Team, das aufgedeckt hat, in welchem Umfang unter anderem Politikerinnen, Journalisten und Menschenrechtlerinnen mit der Software ausspioniert wurden.
Sobald "Pegasus" ein Handy befallen hat, kann es nicht nur alle Nachrichten – ob ein- oder ausgehend – auf allen Kanälen mitlesen, sondern auch Telefonate aufzeichnen, Fotos auswerten und auch Passwörter knacken. Verschlüsselungen sind kein Hindernis mehr. Zusätzlich reicht es schon, dass das Telefon im Raum ist, um bei fremden Unterhaltungen stilles Mäuschen zu spielen.

Auch autoritär regierte Staaten nutzen die Software

Angefangen hat alles mit einer Software, mit der Handys aus der Ferne gewartet werden können. Dann seien Geheimdienste auf den "NSO"-Gründer Shalev Hulio herangetreten und hätten Interesse an der Technologie gezeigt, heißt es. "Wir wissen ehrlich gesagt nicht, ob diese Erzählung stimmt oder ob Herr Hulio einfach ein ganz guter Geschichtenerzähler ist", sagt Frederik Obermaier.
Die Behörden dutzender Länder hätten mittlerweile diese Software eingekauft, um damit auf Verbrecherjagd zu gehen. Diesen Nutzen hat das Unternehmen nämlich offiziell für die Software vorgesehen. Zu den Kunden zählen demokratische Länder wie Belgien oder die Niederlande, sagt Obermaier. "Was wir aber auch sehen, sind Länder, die nicht einmal versuchen, sich als Demokratie zu bezeichnen, weil es einfach ganz klar autoritäre Staaten sind, wie zum Beispiel Saudi-Arabien oder die Vereinigten Arabischen Emirate."
Bei solchen Regimen sei schon lange bekannt, dass sie gegen Menschenrechtlerinnen, Journalisten und kritische Stimmen aus der Zivilgesellschaft vorgehen. Damit sei auch klar, wofür diese wahrscheinlich "Pegasus" nutzen. Deshalb fragt sich Obermaier, ob das Unternehmen da einfach naiv ist oder bewusst wegschaut.
Eigentlich behält sich die israelische NSO Group vor, Lizenzen zu sperren, sollten Behörden gegen die Nutzungsregeln verstoßen. So heißt es zumindest auf deren Website. Nach der Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi hatte NSO zwar zunächst die Kundenbeziehung zu Saudi-Arabien eingestellt, allerdings gehören sie heute wieder zu den Nutznießern von "Pegasus".

Snowden fordert Moratorium für Handel mit Cyberwaffen

"Wir sind alle in der digitalen Welt von sicherer Kommunikation anhängig", meint Kilian Vieth-Ditlmann von dem Thinktank "Stiftung Neue Verantwortung". Deshalb gäbe es ja auch Grundrechte, die eigentlich schützen und verbriefen, dass wir vertraulich kommunizieren können. Dank einer Software wie "Pegasus" gerät diese Überzeugung in der Bevölkerung ins Wanken.
Deshalb hat unter anderem der Whistleblower Edward Snowden nach den Enthüllungen ein sogenanntes Moratorium für den Handel mit Cyberwaffen wie "Pegasus" gefordert. Das könnte bedeuten, dass es eine Art globale Übereinkunft darüber geben soll, wie die Software genutzt wird und wer diese eben nicht nutzen darf. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel spricht sich für Verkaufsbeschränkungen von "Pegasus" aus.

Auch der BND nutzt Hackingtools

Forderungen, die Kilian Vieth-Ditlmann unterstreichen kann. Doch er geht auch noch einen Schritt weiter: "Kann es gelingen, dass so eine Spionage-Software immer nur von den Guten genutzt wird? Und was wäre denn eine legitime Nutzung von so etwas wie Pegasus?"
Er weist darauf hin, dass auch der Bundesnachrichtendienst (BND) mit solchen Hackingtools unter anderem Journalistinnen und Politiker im Ausland ausspähen darf. Ein Beweis dafür, dass auch diese legitime Nutzung ihre Tücken hat und es auch dafür klare Regelungen braucht.
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