Pavel Kroupa

Der Störenfried der Astrophysik

Dunkle Materie, aufgenommen vom Hubble Space Teleskop und dem Chandra X-Ray Observatorium. Auf dem Bild sind Sterne zu sehen und eine Art lila-rosafarbenen Nebels.
Dunkle Materie: Durch sie erklären Forscher, wie sich das Universum entwickelt hat. Pavel Kroupa setzt stattdessen auf die MOND-Theorie. © dpa / picture alliance / Landov
Von Jennifer Fraczek · 04.06.2015
Der Astrophysiker Pavel Kroupa hat eine andere Theorie über die Entstehung der Galaxie als die gängige. Wegen der starken Lobby der gebräuchlichen Theorie, bekomme er keine Forschungsgelder, sagt er. Er sei nicht der einzige ausgeschlossene Wissenschaftler.
Seit seiner Kindheit ist Pavel Kroupa fasziniert vom Weltall. Er wuchs in Südafrika auf, betrachtete jede Nacht die Sterne.
"Das hat mich wahrscheinlich fasziniert, jedenfalls habe ich da eine große Affinität gespürt. Und was mich doch auch damals begeistert hat, war das erste aufkommende Fernsehen in Südafrika. Wir hatten zu Hause keinen Fernsehapparat, aber eine Pizzeria hatte einen Fernsehapparat und dort lief einmal in der Woche eine Science-Fiction-Sendung. Ich glaube, das war sogar Raumschiff Enterprise. Und das hat mir gezeigt, dass es wohl auch andere Welten gibt."
Inzwischen ist Pavel Kroupa Professor an der Universität Bonn. Der Astrophysiker leitet eine Forschungsgruppe, die sich mit der Dynamik von Galaxien beschäftigt. Wie viele seiner Kollegen will er herausfinden, warum sich Sterne in unserer Milchstraße und in anderen Galaxien so bewegen, wie sie es tun. Die meisten Forscher nutzen dazu das Konzept der Dunklen Materie, also einer Materieform, die zwar nicht sichtbar ist, aber erklären könnte, wieso sich das Universum so entwickelt hat, wie wir es heute beobachten – und warum sich Sterne in Galaxien in der beobachteten Form bewegen.Das Konzept funktioniert in vielerlei Hinsicht sehr gut und ist deshalb weithin akzeptiert.Andererseits ist nicht klar, woraus die Dunkle Materie besteht. Warum also sollten nicht auch andere Konzepte geprüft werden?
"Ich war wirklich zu einer Konferenz mal eingeladen, in Durham, in England. Es war sehr interessant, dass bei den Kaffeepausen die jungen Leute wegblieben von mir. Aber abends, als die wichtigen Köpfe nicht wirklich da waren, da hatte ich plötzlich sehr viele am Tisch, die wollten alle diskutieren. Es reicht schon fast, wie es aussieht, gesehen zu werden, dass man mit der 'falschen' Person spricht, in den Augen der führenden Köpfe."
Was Kroupa zu einer "falschen Person" macht, ist, dass er nicht an Dunkle Materie glaubt. Er hängt einer weniger verbreiteten Theorie an, der Modifizierten Newtonschen Dynamik, kurz MOND, die nach ihrem Begründer Mordehai Milgrom auch Milgromsche Dynamik genannt wird.
"Ich hatte gehofft, hier in Bonn eine kleine Forschungsgruppe zu gründen, mit der wir die Milgromsche Dynamik nun rigoros mit den Berechnungen testen. Nur leider hat die DFG da nach mehrmaligen Versuchen es nicht geschafft, positiv zu reagieren. Und das muss ich sagen… - darüber bin ich wirklich entsetzt."
Auswirkungen auf die Vergabe von Forschungsgeld
Die DFG, die Deutsche Forschungsgemeinschaft, ist für einen großen Teil der Forschungsförderung in Deutschland verantwortlich. Sie entscheidet pro Jahr über rund 12.000 Anträge und hat drei Milliarden Euro an die Unis zu vergeben, Steuergeld. Wer sie nicht von seinen wissenschaftlichen Ansätzen überzeugen kann, hat es schwer.
Hinter Pavel Kroupas Entsetzen könnte man auch einfach verletzte Eitelkeit vermuten. Er sieht hinter seinem speziellen Fall aber ein grundsätzlicheres Problem in der Wissenschaftslandschaft. Denn wenn eine Theorie zum Dogma werde, leide die Forschung insgesamt.
"Solche ähnlichen Geschichten kenne ich natürlich auch aus anderen Instituten, wo man offen zum Beispiel über Milgromsche Dynamik gar nicht erst sprechen darf, weil das als unwissenschaftlich gilt."
Das bedeutet sicher nicht, dass die Anhänger der Dunkle-Materie-Hypothese automatisch alle anderen Theorien ablehnen. Aber es herrscht ein gewisser Konsens. Dieser Konsens, so Kroupa, führe zusammen mit dem harten Kampf um Uni-Jobs dazu, dass Wissenschaftler sich gedrängt fühlten, in eine bestimmte Richtung zu denken und zu forschen, was wiederum Auswirkungen auf die Vergabe von Forschungsgeld hat. Denn wer das bekommt, entscheiden zu einem großen Teil die Kollegen.
"Wenn es da einen insgesamten Konsensus gibt, dann hat man zum Schluss sehr viele Professuren, die an prominenten Stellen sitzen, die genau Dasselbe denken im Wesentlichen - und dann sind das auch die Gutachter. Und das ist sozusagen da, wo sich das System selbst limitiert."
Kein Einfluss auf die Besetzung der Gremien
Denn damit ein Antrag bei der DFG durchgeht, muss er mehrere Hürden nehmen: Erst begutachten ihn zwei Fachkollegen, dann geht er ins Fachkollegium, das aus gewählten Kollegen des Antragstellers besteht.
"Das ist immer ein Versuch der Bestenauslese. Weil die, die da sitzen, vergeben ja das Geld für ihr eigenes Fachgebiet im Land. Das heißt, die haben ein maximales Interesse, dass da nur richtig gute Dinge rauskommen. Die sitzen da, weil sie wissenschaftlich neugierig sind und die sind eigentlich gierig da drauf, Dinge abseits vom Mainstream zu finden",
Sagt Annette Schmidtmann, Abteilungsleiterin für fachliche Angelegenheiten der Forschungsförderung bei der DFG. Nach dem Fachkollegium geht der Antrag schließlich in den Hauptausschuss, in dem Vertreter aller Fächer sowie die Geldgeber sitzen.
Bei den Antragstellern gebe es häufig den Eindruck: Wenn man da durchkommen will, muss man bestimmte Schlüsselwörter fallen lassen. Ein Eindruck, der in den allermeisten Fällen falsch sei, sagt Schmidtmann. Dennoch vertraut auch die DFG offenbar nicht vollends auf die wissenschaftliche Neugier und weiß um die Gefahr, dass eine wissenschaftliche Schule andere dominieren könnte. Ihre eigenen Fachreferenten – meist promovierte Experten mit Forschungserfahrung - versuchen, solche Tendenzen zu erkennen, haben aber keinen Einfluss auf die Besetzung der Gremien. Denn die werden von den Mitgliedern der DFG gewählt. Es kann also dazu kommen, dass in einem Gremium eine Denkrichtung dominiert.
"Das kann passieren, und es ist auch schwierig, da gegenzusteuern. Wenn Sie ein demokratisches System haben, können Sie den Leuten ja nicht sagen: Ihr dürft die nicht wählen."
Die DFG ist also auch auf andere Wissenschaftler angewiesen. Es müsse Mahner geben, die Missstände ansprechen. Pavel Kroupa sieht sich als solcher. Er sagt, er gelte als Querulant. Ein Querulant ist aber eigentlich jemand, der sich unberechtigterweise über etwas beklagt.
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