Pauschaler Kunstgenuss

Von Michael Meyer · 26.08.2009
Im Kampf gegen das illegale Herunterladen aus dem Internet wird die Einführung einer Kulturflatrate diskutiert. Doch das Modell, bei dem Web-Nutzer eine Pauschale entrichten sollen, ist kompliziert und hat seine Tücken.
Das Problem ist bekannt: Immer mehr illegale Kopien kursieren im Netz. Nach Angaben des Bundesverbandes der Musikindustrie wurden im letzten Jahr allein in Deutschland über 316 Millionen Songs illegal heruntergeladen. Und auch die Filmindustrie ist zunehmend besorgt über illegale Downloads – die Buchverlage wiederum sorgen sich über die Ambitionen von Google, möglichst viele Bücher zu digitalisieren und sie Nutzern kostenfrei zur Verfügung zu stellen.

Als ein Ausweg aus dem Dilemma wird die Kulturflatrate gehandelt: Internetnutzer sollen auf ihren Breitbandanschluss eine Pauschale zahlen, im Gespräch sind Gebühren von bis zu 50 Euro. Diese Pauschale soll dann an Autoren und Komponisten, aber auch an große Rechteinhaber wie Verlage und Musikfirmen ausgeschüttet werden. Und hier beginnt das Problem bereits: 50 Euro, wofür? Pro Internetanschluss? Pro Monat? Und was bekommt man dafür?

Die Verbreitung digitaler Kopien würde mit der Flatrate legal. Die Idee klingt einleuchtend: Erstmals würden Urheber beteiligt, wenn ihre Werke über digitale Kanäle wie Tauschbörsen verbreitet werden. Und die Unterhaltungsindustrie wäre von der Last befreit, die zum Teil minderjährigen Raubkopierer zu verklagen. Doch ist es wirklich so einfach? Nein, sagt der FDP-Politiker Hans Joachim Otto, Vorsitzender des Kultur- und Medienausschusses des Deutschen Bundestages, er bezeichnet die angedachte Flatrate als "Kultursozialismus":

"Die Idee der Flatrate, dass ich als Künstler alle bisher unautorisierten Verwendungen im Internet genehmigen muss (…). Entweder als Künstler autorisiere ich jemanden, der mein geistiges Produkt ins Netz stellt und bekomme dafür Geld. Oder: Die Flatrate ist sozusagen die pauschale Vergütung dafür, dass dieser konkrete Akt, dass ich als Künstler, Verwertungsberechtigter ins Netz stelle, aufgegeben wird. Sie kriegen doch nicht eine individuelle Vergütung für das, was Sie bewusst ins Netz gestellt haben und zusätzlich noch eine Flatrate – das hat keine Logik."

Doch Monika Griefahn, SPD-Medienpolitikerin meint, dass das angedachte Modell durchaus eine Logik habe. Die legalen Downloads müsse man sich vorstellen wie das Kaufen eines Buches oder einer CD in der realen Welt – daneben gibt es dennoch Verwertungsgesellschaften wie die GEMA oder die VG Wort, die Autoren und Künstler zusätzliche Einnahmen verschaffen, etwa für Kopien oder für Aufführungen in Radio und Fernsehen. Alles ganz logisch und einander ergänzend, meint Griefahn:

"Sie zahlen die Flatrate mit Ihrer Gebühr mit Ihrem DSL-Anschluss dafür, damit er in den Topf der GEMA oder VG Wort kommt und pro Klick oder pro Download, das ist ja eben noch nicht ausdiskutiert, Sie die individuelle Vergütung bekommen. Sie zahlen die als Nutzer für die Flatrate."

Mit anderen Worten: Nach dem Modell der SPD und der Grünen käme umso mehr Geld in die Kasse des jeweiligen Künstlers, je mehr Downloads verzeichnet worden sind.

Doch es sind noch jede Menge Fragen offen: Wer zieht diese Gebühr ein? Wer profitiert eigentlich von dieser Gebühr, könnten das auch Produzenten zweifelhafter Inhalte sein, etwa Produzenten von Sex und Gewalt-Filmen? All diese Fragen sind noch völlig offen.

Eine weitere Frage ist, dass wenn die Kulturpauschale käme, ob dann nicht sämtliche legale Download-Angebote, wie etwa die Plattform "iTunes", verschwinden würden. Doch das sei zu negativ gedacht, meint der Journalist und Blogger Sascha Lobo:

"Ich sehe, dass Kreativleistung im Internet auch monetär anerkannt wird. Wir schreiben bei den legalen Downloads von mp3-Stücken im Internet jedes Jahr Rekordzahlen, das geht immer weiter, es fängt wohl noch nicht auf, was an CD-Verkäufen zurückgeht, das mag sein, (…) gleichzeitig gehen die illegalen Downloads zurück, das sagt sogar die Musikindustrie selbst das bedeutet es gibt mehrere Entwicklungen, dass es einen digitalen Markt geben kann."

Insofern, so Lobo, kann in ein paar Jahren die Kulturflatrate ohnehin überflüssig sein, wenn die illegalen Downloads verschwinden. Vielleicht ist das zu optimistisch gedacht – Fakt ist, dass diese Pauschale wohl kaum dazu angetan wäre, international das Urheberrecht durchzusetzen, monierte Hans-Joachim Otto. Was auf Servern im Ausland geschieht, entzieht sich der deutschen Rechtssprechung. Die einzelnen Branchen müssten eben selbst sehen, wie sie mit cleveren Modellen im Internet sich neue Einnahmemodelle verschafften, so Otto, und zwar auf freiwilliger Basis.

Theater- und Romanautor Thomas Brussig ist von der Idee der Kulturpauschale sehr angetan, auch wenn er wahrscheinlich weniger unter Raubkopierern leidet als Musiker und Filmemacher, aber dennoch: Brussig meint, dass pro Jahr doch eine erkleckliche Summe zusammenkommen könnte, wenn man sich auf ein praktikables Modell einigen könnte – ähnlich etwa den Gebühren für die Öffentlich-rechtlichen.

"Es ist das Bewusstsein für das Urheberecht erodiert (…), aber dass unter dieser Erosion des Bewusstseins die Künstler nicht die Leidtragenden sind, da kann die Flatrate helfen."