Parallelwelt in der DDR

Von Anke Leweke · 20.08.2007
Vom "Roten Elvis" zu "Too much future". Auch in der DDR hat es die unterschiedlichsten Musikrichtungen gegeben. In dieser Woche startet nun "ostPunk! too much future": In diesem Film erinnern sich ehemalige Ostpunks an ihre Musik, an ihr Styling, aber auch an die staatliche Repression.
Junge Menschen mit Irokesenschnitt tanzen Pogo. Ein Aufmarsch der FDJ zieht durch die Strassen. Im rasanten Tempo werden Dokumentaraufnahmen aus dem Leben der DDR zusammen geschnitten. Köpfe, die sich heftig zur dröhnenden Musik bewegen. Und Hände, die brav die rote Fahne schwingen. Es hat beides gegeben. Die wie ein Videoclip montierte Anfangssequenz von Carsten Fibelers Film läßt die Widersprüchlichkeiten, die Parallelwelten aufeinanderprallen.

"Man wollte so einen Eye-Catcher haben und zwar mit Mitteln der heutigen Zeit ... ein Energielevel kriegen."

Tatsächlich geht von den dokumentarischen Aufnahmen der Punkbewegung in der DDR eine unglaubliche Power aus. Schnell ist man drin in diesem lauten Lebensgefühl. Wenn nicht der Alexanderplatz im Hintergrund stehen würde, könnte der Punk mit seinen Doc Martens Stiefeln und den hochgestylten Haaren auch aus der englischen Hauptstadt kommen.

Die Punkbewegung entstand Mitte der 70er-Jahre in New York und London. Prägendes Motto dieser Jugendkultur war der Refrain eines Sex-Pistols-Stücks "No Future" Wie kommt es zu dem Titel "ostPunk! too much future"?

"Weil es darum geht, dass der Ostpunk eine ganz eigene Geschichte hat. Eigene Spezifik ... Wir wollten uns abgrenzen ... ist nicht so spannend eigentlich."

In England und in den USA war der Punk eine unpolitische Bewegung. Gerade in den Staaten war er eine Reaktion auf die Hippies. Er richtete sich gegen den friedvollen Optimismus der Flower-Power-Zeit. Eine Haltung, die man auf ganz unerwartete Weise auch in der DDR antreffen konnte. Die Ex-Punkerin Cornelia Schleime erinnert sich in Fibelers Film.

"ostPunk! too much future" porträtiert sechs Menschen, die von 1979 bis 1984 zur ersten Punk-Generation in der DDR angehörten. Wie auch die Punks im Westen, wollte man durch die schrille, auffällige Kleidung seinen Nonkonformismus, seine Unangepasstheit zum Ausdruck bringen.

Schmunzelnd erinnern sich die von Fibeler interviewten Ex-Punks an die Schwierigkeiten das richtige Outfit über die Mauern zu bekommen. Selbstironisch erzählt man von den Kosten, die man in das Styling investierte.

Doch schon das Tragen anderer Kleidung erregte die Aufmerksamkeit der DDR-Autoritäten. Mit ihren knalligen Farben, den Sicherheitsnadeln in den Wangen, den zerrissenen Lederjacken passten die Punks nicht in das öffentliche Einheitsbild der DDR. Mit schweren Sanktionen - so Carsten Fibeler - habe man auf die eher unpolitische Subkultur reagiert.

"Der Staat hat mit Bestürzung darauf reagiert ... dann wird man natürlich politisiert."

So wurde die Entscheidung Punk in der DDR zu sein, zu einer existenziellen. Man nahm politische Verfolgung, staatliche Repressionen in Kauf. In Carsten Fibelers Film lernt man sechs Menschen kennen, die immer wieder in Jugendhaft oder im Gefängnis saßen. Natürlich wurden sie auch von der Staatssicherheit überwacht.

"Das sind echt harte Geschichten, noch längst nicht alle drin ...wir wollten ja auch kein Betroffenheitsfilm machen ..."

Jede der von Fiebeler interviewten Personen hat einen anderen Umgang mit der Vergangenheit gefunden. Die Künstlerin Cornelia Schleime hat die Verfolgungen in ihren Bildern zur Sprache gebracht, während Mita Schamal noch immer mit den psychischen Folgen ihrer Inhaftierungen zu kämpfen hat.

Mike Göde arbeitet als Bauarbeiter und leistet sich mit seiner Frau ein schmuckes Eigenheim. Doch nach der Arbeit wird weiter gepunkt, Göde ist Sänger und Kopf der Hardcorepunkband Punishable Act.

Die Stärke von "ostPunk! too much future" ist, dass er die Punkbewegung durch die Folie der Gegenwart reflektiert. Für Carsten-Fibeler ist "ostPunk! too much future" weder Nostalgie- noch Ostalgie-Trip.

"Es ist kein Film für ehemalige Punks ... was geht, wenn man unangepasst ist ... die Punkbewegung in der DDR verdeutlicht."
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