Panspermie-Theorie

Kam das Leben aus dem All?

Der Komet McNaught war 2007 zu sehen.
Brachten Kometen das Leben auf die Erde? Die Panspermie-Theorie vertritt diese Idee und sieht neue Indizien dafür. © ESO
Von Jennifer Rieger · 14.06.2018
Die Panspermie-Theorie hat viele Kritiker in der Wissenschaft – aber auch leidenschaftliche Fans. Könnten Viren oder Bakterien aus dem Weltraum das Leben auf der Erde gesät haben? Jüngste Forschungsergebnisse geben der Astrobiologie neuen Auftrieb.
Menschen zerbrechen sich schon seit Jahrtausenden die Köpfe über die großen Fragen des Lebens. Und in Douglas Adams’ Science Fiction-Klassiker "Per Anhalter durch die Galaxis" tun das auch hyperintelligente, pandimensionale Wesen:
"Eine Rasse hyperintelligenter, pandimensionaler Wesen hing es vor vielen Millionen Jahren dermaßen zum Halse raus, sich ständig über den Sinn des Lebens rumzuzanken, dass sie beschlossen, zwei ihrer besten Programmierer damit zu beauftragen, einen Supercomputer zu bauen, der die Antwort auf die große Frage nach dem Leben, dem Universum und allem errechnen sollte."
Zur großen Frage "Woher kommt das Leben auf der Erde?" haben sich auch normalintelligente Wesen ihre Gedanken gemacht. Zum Beispiel diesen: Man nehme ein getragenes Hemd, stecke es in einen Bottich voller Weizenkörner und nach etwa 21 Tagen hat sich der Weizen in Mäuse verwandelt.
Programmierer: "Oh Deep Thought, wir möchten, dass du uns die Antwort sagst."
Deep Thought: "Die Antwort? Worauf?"
Programmierer: "Die Antwort auf das Leben, das Universum, auf alles!"
Im Westen geht die Idee der Spontanzeugung auf Aristoteles zurück, der unter anderem vermutete, dass Libellen aus dem Morgentau entstehen. Eine poetische Vorstellung, heute aber überholt. Die Frage, wie das allererste Leben auf der Erde entstanden ist, ist nicht abschließend geklärt.
Deep Thought: "Hmm, darüber muss ich nachdenken. Kommt genau in siebeneinhalb Millionen Jahren hierher zurück."

Darwins Ursuppe überzeugt nicht

Die Theorie, auf die sich die meisten Wissenschaftler einigen können, ist die Abiogenese.
Ted Steele: "Mit Charles Darwin kam die Idee der kleinen warmen Tümpel. Vor vier bis drei Milliarden Jahren, voila! bildete sich spontan Leben aus den chemischen Elementen der Ursuppe."
Professor Ted Steele ist Ehrenmitglied der australischen CYO'Connor Stiftung und forscht in den Bereichen molekulare Immunologie, Virologie und Evolutionsbiologie. Im Laufe seiner Karriere ist er zu der Überzeugung gelangt, dass Darwins Entwurf der warmen Tümpel als Ursprung des Lebens eine unwahrscheinliche Erklärung ist:
"Die Wahrscheinlichkeit, dass so etwas spontan aus anorganischer Materie entsteht, ist so klein, dass es fast ausgeschlossen ist. Eine konservative Schätzung ist, dass die Wahrscheinlichkeit der Abiogenese vielleicht bei eins zu 1040.000 liegt. Das ist eine riesige Zahl. Zu riesig, um wahrscheinlich zu sein."
Dazu muss gesagt werden: Es ist extrem schwierig auszurechnen, wie wahrscheinlich die spontane Entstehung von Leben ist. Bisher ist es zwar gelungen, komplexe Moleküle wie Aminosäuren in einer Art künstlichen Ursuppe zu erzeugen, und auch DNA- und RNA-Basen konnten Forscher so gewinnen. Ganze Zellen, die sich selbstständig teilen können, kamen aber nicht heraus. Trotzdem vertritt Ted Steele eine andere Erklärung, die zumindest für den wissenschaftlichen Mainstream nicht weniger unwahrscheinlich klingt:
"Dass Leben aus dem Kosmos auf die Erde gekommen ist. Das irdische Leben wurde und wird sozusagen gesät. Darum geht es bei Panspermie."

Ein ständiger Regen von Mikroorganismen

Panspermie ist keine neue Idee. Anfang des 20. Jahrunderts formulierte der schwedische Physiker Svante Arrhenius den Gedanken, dass Kometen Mikroorganismen durchs All transportieren könnten. In den 1970er-Jahren entwickelten die britischen Astrophysiker Fred Hoyle und Chandra Wickramasinghe ihr eigenes Panspermie-Modell. In einem Paper, das im Mai im Fachjournal "Progress in Biophysics and Molecular Biology" erschien, hat Ted Steele gemeinsam mit Kollegen Daten zusammengetragen.
Karin Mölling: "Dann ist das eine Publikation mit 33 Autoren, ich weiß nicht, aus 16 Nationen und ein sehr umfangreicher Artikel mit hunderten von Referenzen. Und da habe ich gedacht, ja was haben diese Menschen sich denn gedacht?"
In ihrer Veröffentlichung versammeln Ted Steele und Kollegen Forschungsergebnisse, die zum Panspermie-Modell passen könnten. Sie stellen die These auf, dass ständig Viren und Bakterien aus dem All auf die Erde regnen und vielleicht sogar Grippewellen auslösen. Und könnte ein besonders heftiger Meteoritenregen mit biologischer Fracht erklären, wie es zur Kambrischen Explosion gekommen ist – dem plötzlichen Erscheinen einer riesigen Anzahl neuer Arten vor rund 500 Millionen Jahren? Als Indiz weisen die Forscher darauf hin, dass organische Moleküle in Kometen und Meteoriten nachgewiesen wurden, und dass Viren und Bakterien auch an Staubpartikeln in der Stratosphäre kleben.
Karin Mölling: "Es kommt erstaunlich viel aus dem Weltall, nämlich wir und unsere Erde und unser ganzes Periodensystem. Ja, das ist ein Argument, das muss man ernst nehmen und das weiß man, das ist ein Fakt. Aber Biologie aus dem Weltall, Viren, Bakterien und größere Lebewesen – das ist reine Spekulation und das finden diese Autoren plausibel."
Karin Mölling ist Mikrobiologin, Virologin und Krebsforscherin an der Medizinischen Fakultät der Universität Zürich. Sie ist eine der Wissenschaftlerinnen, die den Artikel vor seiner Veröffentlichung begutachtet haben. Ted Steeles steilen Thesen kann sie wenig abgewinnen:
"Sie benutzen Argumente wie: ‚Das ist plausibel und das ist doch offensichtlich.’ So kann man eigentlich in der Wissenschaft nicht argumentieren.

Kontroverse Theorien überprüfen

Der Meinung sind auch viele andere Forscher. Als die Arbeit vor der Veröffentlichung begutachtet werden sollte, lehnten mehrere der eingeladenen Experten schlichtweg ab.
Denis Noble: "Wenn Herausgeber einen abseitigen und höchst kontroversen Artikel bekommen, haben sie eine große Verantwortung, vorsichtig damit umzugehen."
Dass der Artikel überhaupt veröffentlicht wurde, ist Denis Noble zu verdanken. Er lehrt an der Universität Oxford und ist Chefredakteur des Fachmagazins "Progress in Biophysics and Molecular Biology".
Denis Noble: "Ich glaube, wir sollten eine Veröffentlichung nicht ablehnen, nur weil es kontrovers ist. Wenn wir das täten, hätten wir niemals von Einsteins Relativitätstheorie gehört, wir wüssten nichts über die konstante Lichtgeschwindigkeit und so weiter. In der Geschichte der Wissenschaft gab es natürlich viele Beispiele kontroverser Ideen und viele stellten sich als falsch heraus. Aber es geht nicht darum, ob etwas richtig oder falsch ist, es geht darum, ob man es überprüfen kann. Und dieses Kriterium haben wir in diesem Fall angewendet. Kann man es überprüfen?"
Die Antwort, sagt Denis Noble, sei natürlich ja – die Menschheit befindet sich am Anfang einer Ära der Raumfahrt. Vielleicht wird der Mars-Rover schon in den nächsten Jahren Hinweise darauf finden, dass es auf dem Roten Planeten einmal Leben gegeben hat – zum Beispiel, wenn ein automatisches Sequenziergerät DNA nachweisen könnte.

Der Ursprung des Lebens bleibt ungeklärt

Programmierer: "Deep Thought, hast du eine..."
Deep Thought: "Eine Antwort für euch? Ja, aber sie wird euch nicht gefallen."
Das könnte uns auch eine Menge darüber verraten, wie das Leben auf der Erde entstanden ist – oder darüber, ob Leben nach ganz anderen Prinzipien funktionieren kann. Die Frage nach dem Ursprung des Lebens bleibt damit vorerst offen. Antworten auf große Fragen sind eben manchmal ein bisschen enttäuschend.
Deep Thought: "Die Antwort auf die große Frage nach dem Leben, dem Universum und allem lautet ... 42."
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