Panik in Ost-Berlin

Von Michael Meyer · 13.01.2011
Als Udo Lindenberg am 25. Oktober 1983 diesen Song im Ost-Berliner Palast der Republik sang, wurde für ihn und für viele Menschen in der DDR ein Traum wahr: Wie es zum Lindenberg – Konzert kam, das beschreibt der Film von ARD-Talker Reinhold Beckmann, er fuhr damals als junger Kamera-Assi mit Lindenberg nach Ost-Berlin.
Die SED-Führung wollte Lindenberg zunächst nicht einladen, "Kommt nicht in Frage", schrieb Chefideologe Kurt Hager. Songs wie der "Sonderzug nach Pankow" stießen den Funktionären sauer auf, sie sahen in Textzeilen wie dem "Oberindianer Honecker" eine Provokation. In einem Stasi-Protokoll hieß es besorgt, dass DDR-Jugendliche den Lindenberg-Song sogar mitsingen, ein Lied, das, so die Stasi:

"Herabwürdigende Aussagen gegenüber dem Genossen Erich Honecker enthält."

Umso mehr freuten sich die Lindenberg-Fans, als es 1983 im Rahmen eines Friedensfestivals doch noch zu einem Auftritt kam. Vor dem Palast der Republik kam es bereits am Nachmittag zu tumultartigen Szenen:

"”Udo, Udo, Udo! Als wir dann da rauskamen, merkte ich eine Herzlichkeit, die haben mich ja fast zu Tode gedrückt, Udo, ne, da ist er endlich da ...""

Doch an Lindenbergs Auftritt gab es auch Kritik: Manche im Westen meinten, Lindenberg lasse sich vor den Karren der SED spannen. Noch auf der Fahrt nach Ostberlin sagte Lindenberg:

"Das mache ich allerdings nicht, denn Lindi lässt sich nicht kastrieren, ich werde da ganz locker und offen nach Art des Hauses meine Meinung sagen …"

Doch ganz so offen, das zeigt der Film sehr eindrücklich, ging es dann doch nicht zu. Zwar sagte Lindenberg während des Konzerts, dass alle Raketen in West UND Ost verschrottet gehören, und brach damit ein DDR-Tabu, aber, draußen vor dem Palast der Republik hielten über 1600 Stasi-Leute und Volkspolizisten die Massen in Schach. 50 Fans wurden sogar verhaftet und im Saal waren fast nur linientreue FDJler, wie sich Bandmitglied Hannes Bauer erinnert:

"Wir waren dann natürlich etwas enttäuscht, als wir in den Palast der Republik kamen und es saßen fast ausschließlich Blauhemden im Publikum. Und da haben wir gemerkt, dass die meisten, die das hören wollten eigentlich draußen standen, vor dem Palast der Republik. Wir wollen rein, wir wollen rein …"

Ein großer Pluspunkt des Films ist es, alle Seiten zu Wort kommen zu lassen, nicht nur Lindenberg und seine Band. Filmautor Reinhold Beckmann brachte auch damalige Fans aus Ost-Berlin vor die Kamera, den Konzertmanager Fritz Rau, SED-Kulturpolitiker, und auch Egon Krenz, damals sogenannter Erster Sekretär des Zentralrats der SED. Die geplante DDR-Tournee von Lindenberg wurde wenig später, nach dem Auftritt im Palast der Republik abgesagt, erst 1990 spielte er erneut in Ost-Berlin.
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