Paare im Pandemiealltag

Übersteht unsere Beziehung Corona?

41:48 Minuten
Ein Paar steht händchenhaltend vor einer Fensterfront und schaut nach draussen.
In der Coronakrise lernten viele Menschen ihre Partner noch einmal neu kennen, sagt Anna Holfeld. © Unsplash / A.L.
Britta Bürger im Gespräch mit Anna Holfeld  · 06.04.2020
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In der der Coronapandemie sind auf einmal viele Paare gemeinsam isoliert. Die Betreuung von Kindern und Homeoffice sorgen für zusätzlichen Druck. Wie können Paare ihre Beziehung in dieser extremen Zeit schützen? Hat die Krise auch positive Aspekte?
Die Coronapandemie ist eine Belastungsprobe für viele Paare. Zwangsweise verbringen sie mehr Zeit als sonst miteinander und haben oftmals keine Rückzugsräume. Erschwert wird die Situation, wenn parallel zur Arbeit im Homeoffice auch noch Kinder betreut werden müssen.
Manche Paare können dieser Situation jedoch auch Positives abgewinnen. Für sie bietet die Krisenzeit eine Chance, sich besser kennenzulernen und in der Beziehung zu wachsen.
Anna Holfeld ist Paartherapeutin, Elternbegleiterin und Coach mit eigener Praxis in Berlin-Neukölln. Als Ehefrau und Mutter von zwei Kindern muss auch sie sich in ihrem Alltag ganz neu orientieren.
Viele Termine in ihrer Praxis fielen trotz neuer Hygienemaßnahmen aus, erzählt Anna Holfeld. Manche Paare zögerten im Moment, eine Therapie anzufangen. Andere setzten ihre Beratungen jedoch online fort.

"Aus einer Mücke keinen Elefanten machen"

Die Anspannung sei derzeit höher, sagt Anna Holfeld. In der Corona-Pandemie zeige sich, wie krisenfest eine Beziehung ist und wie krisenfest man selber ist. Wichtig seien aber auch jetzt Dinge, die Paaren genauso jenseits einer solchen besonderen Situation helfen würden.
"Eine gute Kommunikation und eine freundliche, zugewandte Sprache sind immer gut", erklärt sie. "Wir sollten Probleme entsprechend der Problemgröße behandeln, also aus einer Mücke keinen Elefanten machen. Eine gute Struktur ist wichtig. Wie wollen wir den Tag gestalten? Wie wollen wir die nächsten Wochen gestalten? Wer ist wofür zuständig? Es hilft, sich einen klaren Plan zu machen", sagt Anna Holfeld.
In der Coronakrise lernten viele Menschen ihre Partner noch einmal von einer anderen Seite kennen, sagt Anna Holfeld. "Den Partner erlebt man ja normalweise nicht bei der Arbeit. Auf einmal gibt es Telefonkonferenzen, in denen plötzlich ein Kind dazwischen huscht. Wir alle müssen im Moment viele Rollen gleichzeitig ausfüllen." Besonders groß sei die Überlastung bei Familien, da auch Großeltern nicht helfen könnten, den Druck zu reduzieren.

Haben Sie Fragen zum Coronavirus? Schreiben Sie sie uns an corona@deutschlandfunkkultur.de. Wir freuen uns auf Ihre Anregungen für unser Programm. Von Montag bis Freitag zwischen 9 und 10 Uhr beantworten Expertinnen und Experten sie live im Deutschlandfunk Kultur. Während der Sendung können Sie Ihre Fragen auch live stellen unter der Telefonnummer 0800 2254 2254.

Kleine Wohnungen als Herausforderung

Anna Holfeld ist besorgt darüber, dass die Krise zur mehr häuslicher Gewalt führen könnte. Viele Menschen blieben im Moment unsichtbar, sagt sie. Sie berät auch deswegen von Montag bis Donnerstag täglich Paare 20 Minuten kostenlos per Telefon.
Kleine Wohnungen seien eine besondere Herausforderung, sagt Anna Holfeld. Sie empfiehlt Paaren in diesem Fall, sich eine besonders gute Struktur zu schaffen: Wer sei wann im Raum? Wer könne ausweichen? Gebe es vielleicht noch außerhalb Ausweichmöglichkeiten? Zu Konflikten komme es auch, wenn Partner unterschiedlich auf die Krise reagierten.
Der eine sei vielleicht pragmatisch und wolle die Zeit nun für ein liegengebliebenes Projekt nutzen. Der andere reagiere jedoch ängstlich und verbringe die Tage damit, sich an die neuesten Zahlen zu klammern.
In jedem Fall, sagt Anna Holfeld, könne es helfen, sich jeden Tag eine Stunde lang zu verabreden, um gemeinsame Probleme zu besprechen. Jeder dürfe fünf oder zehn Minuten ungestört reden, dann gebe der andere ihm Feedback.

Mehr Zeit mit den eigenen Kindern

Die Krise sei aber auch eine Möglichkeit für Eltern, wieder näher mit ihren Kindern zusammenzurücken, sagt Anna Holfeld: "Ich finde es einen super Ansatz, diese Situation als Chance zu sehen und sich zu sagen: Mensch, ich kann jetzt mehr Zeit mit meinen Kindern verbringen! Aber man muss dafür auch gut ausgestattet sein", gibt sie zu bedenken.
"Es sind nicht alle Beziehungen zwischen Eltern und Kindern so, dass es nur gut ist, die ganze Zeit zusammen zu sein. Viele Eltern sind überlastet. Doch es gibt auch viele, die endlich mehr Zeit haben, in Ruhe mit den Kindern zu spielen, ihnen etwas vorzulesen oder gemeinsam die Natur zu entdecken."
(dit)

Anna Holfeld berät Paare in ihrer Praxis in Berlin-Neukölln. In ihrem Podcast Beziehungskiste erzählt sie von spannenden Beziehungsgeschichten und berichtet von ihrem Arbeitsalltag.

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