Ozeanversauerung

Der kleine Bruder des Klimawandels

Sogenannte Mesokosmen, mit denen Forscher das Ökosystem der Meere und Ozeane erforschen, stehen am 22.07.2010 im Kieler Hafen an Bord des Greenpeace-Schiffes "Esperanza".
Sogenannte Mesokosmen, mit denen Forscher das Ökosystem der Meere und Ozeane erforschen, stehen im Kieler Hafen an Bord eines Schiffes. © picture-alliance / dpa / Julian Stratenschulte
Von Christine Westerhaus · 19.01.2016
Der ph-Wert der Meere sinkt. Seit Beginn der Industrialisierung haben die Ozeane knapp die Hälfte des Kohlendioxids aus der Verbrennung fossiler Energieträger aufgenommen. Welche Folgen die Versauerung für Meeresorganismen hat, untersucht ein Kieler Forscherteam.
Die "Wassermann" sticht in See. Am Steuer des kleinen Motorboots steht Ulf Riebesell in seiner dunklen Goretex Jacke. Er bringt eine Gruppe Forscher zu den Mesokosmen, die im Fjord vor der Küste Bergens verankert sind:
"Da draußen sieht man schon direkt vor uns die Mesokosmen. Aufgereiht, acht Stück an der Zahl, wie sie hier im Raunefjord liegen. Ganz nett im Hintergrund ein paar kleine hübsche Inseln, die uns auch noch mal ein bisschen Windschutz geben, wenn's mal tüchtig von Südwesten bläst."
Simulation in riesigen Schläuchen
Sichtbar ist jedoch nur der überdachte, oberirdische Teil der Plastikschläuche, die die Forscher Mesokosmen nennen. Unter der Wasseroberfläche reichen sie weitere 18 Meter in die Tiefe. In diese langen Schläuche haben die Forscher mehrere Monate lang 55 Kubikmeter Meerwasser samt den darin lebenden Organismen eingesperrt. Die Hälfte der Mesokosmen enthält zusätzliches Kohlendioxid, damit simulieren die Forscher die Ozeanversauerung:
"Wir legen jetzt mal an einem der Mesokosmen an, da kann man ein bisschen erklären und zeigen."
Ulf Riebesell legt die "Wassermann" an den orangefarbenen Auftriebskörpern von Mesokosmos Nummer 8 an. Die Biologen an Bord lassen nun einen sogenannten integrierten Wasserschöpfer in den Plastiksack hinabgleiten.
Mit diesem Gerät ziehen die Forscher eine gleichmäßige Wasserprobe über die gesamte Tiefe des Mesokosmos. Später messen sie die darin enthaltenen Nährstoffe:
"Kann man schon was sehen? Ich sehe nichts. Copepoden, also kleine Krebse, die fangen wir häufiger mit."
Mit Planktonnetz durchs Fjordwasser
Die Biologin Silke Lischka zieht nun ein Planktonnetz durch das Fjordwasser. In der Wasserprobe sucht sie später direkt in der nahe gelegenen Forschungsstation nach winzigen Flügelschnecken. Sie sind eine wichtige Nahrungsquelle für andere Meeresbewohner. Weil Flügelschnecken ihre Schale aus Aragonit bilden, gelten sie als besonders gefährdet, wenn die Ozeane saurer werden.
Denn Aragonit ist eine leicht lösliche Form des Kalziumkarbonats, erklärt Silke Lischka:
"Das haben schon mehre Studien gezeigt, auch die letzte Studie in Bergen 2011, dass die Schale angegriffen wird. Dass man sieht, die korrodiert so. Die sehen auch angefressen aus, man kann auch teilweise Löcher sehen, je nachdem wie lange sie da drin sind. Das würde ich auf jeden Fall erwarten, dass das passiert."
Die Forscher des GEOMAR haben ihre Mesokosmen auch vor der Küste Schwedens, in Spitzbergen und Gran Canaria verankert und darin die Ozeanversauerung simuliert. Immer wieder hat sich dabei gezeigt, dass Kalk bildende Organismen wie Schnecken oder Kalkalgen besonders unter der Ozeanversauerung leiden. Es gibt aber auch Lebewesen, die von niedrigeren pH-Werten profitieren.
Die Mikroalgen profitieren
Das haben Ulf Riebesell und sein Team in den Mesokosmos Studien insbesondere für bestimmte Mikroalgen deutlich beobachtet:
"Dass die am stärksten profitieren von der Ozeanversauerung. Was dazu führt, dass sich die Nahrungskette insgesamt in Richtung kleinere Organismen entwickelt. Was eigentlich nicht wünschenswert ist für ein Nahrungsnetz, weil dadurch mehrere trophische Ebenen extra entstehen müssen, um hinzukommen bis zu verwertbarem Fisch oder anderen Produkten aus dem Meer, die uns interessieren."
Ein weiterer Negativeffekt der Ozeanversauerung: Korallenriffe werden bis zum Jahr 2100 weitgehend verschwunden sein, wenn der Mensch weiterhin so hohe Kohlendioxidmengen in die Luft pustet, wie bisher. Zwar werden auch die Mesokosmos-Experimente den Forschern nicht abschließend verraten können, wie die Ozeane in Zukunft aussehen werden. Doch schon jetzt ist klar, dass sie sich verändern werden, meint Ulf Riebesell:
"Es wird weiterhin Leben im Ozean geben. Es wird aber eine andere Zusammensetzung in den Ökosystemen geben, es wird andere Spieler geben. Es scheinen sich auch hier und da mal toxische Algen besonders wohlzufühlen. Die Ozeane werden auch weiterhin Fisch produzieren. Ob die Bestände leiden werden, ist momentan ganz schwer vorherzusagen. Die Muschelindustrie - da wird es höchstwahrscheinlich Einbußen geben."
CO2 Emissionen müssen sinken
Es ist also höchste Zeit, die CO2 Emissionen drastisch zu senken. Nur so kann der Klimawandel und auch sein böser kleiner Bruder, die Ozeanversauerung, aufgehalten werden. Das ist während der Verhandlungen auf der Klimakonferenz in Paris noch einmal deutlich klar geworden, erklärt Hans Otto Pörtner vom Alfred-Wegener Institut in Bremerhaven, der eine Arbeitsgruppe des Weltklimarats leitet. Sollten die im Klimavertrag vereinbarten Emissionsziele tatsächlich eingehalten werden, hätten die Ozeane noch eine echte Chance, so der Forscher:
"Die Ergebnisse der Klimaverhandlungen haben für den Schutz vor Ozeanversauerung, die Vermeidung der Ozeanversauerung in der Zukunft auf jeden Fall Vorteile gebracht. Weil mit der Drosselung der CO2 Emissionen eben auch die Ozeanversauerung gebremst und langfristig vermieden wird."
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