Ort des Grauens

Von Michael Schornstheimer · 02.11.2007
1995 fand auf dem Gelände der Stiftung Topographie des Terrors ein erster Spatenstich für ein Dokumentationszentrum statt. Doch der Entwurf des Architekten Peter Zumthor war so kompliziert, das er mit den zur Verfügung stehenden Mitteln nicht realisiert werden konnte. Jetzt geht das Projekt, auf dem historischen Gestapo-Gelände ein Dokumentationszentrum zu bauen, in die zweite Runde.
Der erste Spatenstich entfällt diesmal. Denn zwei Bagger haben schon vor ein paar Tagen begonnen, das Erdreich auszuheben. Auf der Homepage der Stiftung Topographie des Terrors kann man ab heute den Fortschritt der Bauarbeiten beobachten. Täglich soll es eine neue Aufnahme geben.

Bauherr ist nach dem gescheiterten Zumthor-Entwurf jetzt der Bund, und dessen Vertreter zeigen sich zuversichtlich, diesmal mit den veranschlagten Kosten von 19 Millionen Euro im Rahmen zu bleiben. 2009 soll der Rohbau fertig sein und 2010 das Haus mit einer Dauerausstellung eröffnen.

Übereinstimmend betonen jetzt die beteiligten Politiker, dass das Gelände selbst das wichtigste Ausstellungsstück sei und daher gar keine exzentrische Architektur vertrage. Diesem Leitgedanken folgt auch die Architektengruppe um Ursula Wilms:

"Wir nehmen mit dem Gebäude keine Kanten auf und auch keine Traufhöhen, sondern platzieren uns frei auf dem freien Gelände. Dann ist dieses obere Geschoss zwar eingeschossig, aber die Ausstellungshalle ist trotzdem sieben Meter hoch. Und auch 55 Meter lang. Also, es ist schon ein großer, flacher Bau."

Im Modell sieht das neue Dokumentationszentrum Topographie des Terrors fast aus wie ein unscheinbarer Flachbau. Doch so nüchtern und unambitioniert, wie es auf den ersten Blick wirkt, ist das geplante Gebäude doch nicht. Der eigentliche Baukörper, erläutert die Architektin Ursula Wilms, wird von einem vorgesetzten Stabwerk umhüllt und dient auch als Sonnenschutz:

"Das ist eine Metallverkleidung, bestehend aus feinen, festen Metallstäben, (...) die aber die Horizontalität betonen. Dann gibt es in der zweiten Ebene, etwa einen Meter dahinter, ist die eigentliche klimatische Hülle. Das Gebäude ist konstruiert aus Beton, außen aber verkleidet mit Metallblech und natürlich sind große Teile verglast, (...) und je nach Lichteinfall und Sonnensituation reflektiert diese äußere Hülle oder eben nicht, und man schaut auch durch und kann wahrnehmen, was innen ist. Es soll ja nicht, was innen ist, niemand sehen. Nichts soll hinter verschlossenen Türen passieren."

Auf dem Gelände zwischen der einstigen Prinz-Albrecht Straße, Anhalter Straße und Wilhelmstraße befanden sich während des Nationalsozialismus die Zentralstellen der Vernichtungspolitik: das Geheime Staatspolizeiamt mit dem berüchtigten "Hausgefängnis", der Sicherheitsdienst der SS und das Reichssicherheitshauptamt. Von hier aus wurde der Völkermord an den europäischen Juden vorbereitet, die Germanisierung der eroberten Gebiete in Polen und der Sowjetunion und die Verfolgung der politischen Opposition. Nach dem Krieg geriet das Gelände interessanterweise schnell in Vergessenheit. Nachdem es von Trümmern geräumt worden war, wucherte es zu. In den siebziger und achtziger Jahren konnte man dort "Autofahren ohne Führerschein". Bis endlich eine Bürgerinitiative aktiv wurde, lobt der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit.

"Die NS-Geschichte wurde vor 20 Jahren im 'wahrsten Sinne' freigelegt, und vor der Überformung bewahrt. Hier entstand mit einfachsten Mitteln ein Gedenkort. Das war vor allem das Verdienst engagierter Berlinerinnen und Berliner. So ist es ja bei vielen Gedenkprojekten in Berlin. Oft sind es einzelne Menschen und Initiativen, die sich am Anfang für das Erinnern von Diktaturen und Völkermord engagieren, oft auch im Konflikt mit anderen Staatlichen Planungen."

In den letzten Jahrzehnten ist auf dem geschichtsträchtigen Grundstück auch ein Robinienwäldchen gewachsen, das die Architekten in ihren Rundgang einbeziehen. Auf über 15 Außenstationen soll man künftig das gesamte Gelände der Topographie des Terrors erkunden können. Der vorhandene Ausstellungsgraben, der das Mauerwerk der zerstörten Gebäude freilegt, wird verbreitert. Aber es soll nicht jeder Stein dreimal umgedreht werden, meint Stiftungsdirektor Andreas Nachama.

"Wir zeigen die Umrisse des Geländes, sind aber hier nicht in Pompeji. Es geht nicht darum, hier eine Ausgrabungsstätte zu machen, sondern es geht darum, zu markieren, von welchem Ort in Berlin eben die Befehle zunächst deutschlandweit, dann europaweit ausgegangen sind, (...) um diese Terrorpolitik zu machen. Also es geht in dem Sinne nicht um eine Rekonstruktion der Baugeschichte des Ortes."

Das Untergeschoss des neuen Dokumentationszentrums wird von einem Innenhof Tageslicht bekommen. Dort werden dann die Bibliothek, Seminarräume und Büros untergebracht. Von überall also soll der Bezug des Gebäudes zum Gelände sichtbar sein, durch Transparenz und freie Blickmöglichkeit.

Im Vergleich zum Wettbewerbsentwurf haben die Bauherren bisher kaum Änderungen verlangt. Nur eine zweite LKW-Zufahrt wurde ersatzlos gestrichen, weil sie überflüssig sei, freut sich die Architektin Ursula Wilms:

"Das freut uns auch, weil es ja bestätigt, dass der Ansatz wohl wirklich richtig war und wir auch richtig verstanden hatten, wie die Anforderungen der Stiftung formuliert waren, in der Auslobung. Also, es ist eigentlich die Anordnung im Erdgeschoss gedreht worden. Also ich glaube, im Wettbewerb war die Dauerausstellung eher hinten und es begann mit dem Saal, links rum zu Saal und jetzt geht man rechts rum zum Saal. Das ist ja ein quadratisches, rotationssymmetrisches Gebäude, um den Innenhof sind einfach die Sachen in einer anderen Anordnung."