Opulenter Bilderrausch

Von Jörg Taszman · 04.12.2012
Joe Wright gilt als Meister von Literaturverfilmungen seit er 2005 mit "Stolz und Vorurteil" seinen ersten Kinofilm drehte. Nun hat sich der Brite an Tolstois "Anna Karenina" gewagt - mit seiner Muse Keira Knightley in der Hauptrolle. Der Film sprengt die Konventionen dieses Genres.
Das Leben ist eine große Bühne auf der sich Anna Karenina als sinnliche, lebensfrohe Frau bewegt. Sie kostet das Leben aus und versucht sich vom Korsett der gesellschaftlichen Konventionen zu befreien. Von den ersten Filmbildern an, verführen Regisseur Joe Wright und seine Muse Keira Knightley den Zuschauer mit einem opulenten Bilderrausch. Es ist bereits ihre dritte Zusammenarbeit. Warum dreht Joe Wright immer wieder mit der schönen Keira?

Joe Wright: "Ich habe mit Keira zusammengearbeitet, seitdem sie 18 ist. Sie hatte diese wunderbare, junge, feurige Energie in diesem Alter. Später dann beim zweiten Film 'Abbitte' befand sie sich in diesem emotionalen Durcheinander, indem man sich im Alter von 21 so befindet. Seitdem hat sie einiges durchgemacht und so wurde sie eine sehr starke Frau, die nicht nur intelligent und furchtlos ist, sondern auch eine Nonkonformistin."
Diesmal sprengen Joe Wright und Keira Knightley die Konventionen klassischer Literaturverfilmungen. So wurde "Anna Karenina" hauptsächlich im Studio auf einer riesigen Theaterbühne gedreht, die ebenso stilisierte wie naturalistische Dekors erlaubt. Immer wieder öffnen sich Türen, verwandeln sich Bühnenbilder. Aus einer Tanzszene mit Hunderten von Statisten, wird plötzlich eine intimere Einstellung in der die verheiratete Anna elegant mit dem Frauenschwarm Wronski tanzt, der sie sofort euphorisiert. Stilistisch erinnert diese Verfilmung dann manchmal an eine irre Mischung aus Baz Luhrmanns "Moulin Rouge" und der bildgewaltigen sowjetischen Verfilmung von "Krieg und Frieden" durch Sergej Bondartschuk von 1967. Vor allem mit Baz Luhrmann möchte Joe Wright jedoch mit seiner "Anna Karenina" nicht in Verbindung gebracht werden.

Joe Wright: "Nein, nicht wirklich. Powell und Pressburger haben mich beeinflusst oder Lars von Trier. Vielleicht auch noch der französische Film Thérese Raquin. Dieses Baz-Luhrmann-Ding spielte keine wirkliche Rolle. Ich bewundere seine Arbeit und seine Energie hat etwas Modernes, das viele Filmemacher als Antwort auf die MTV-Ästhetik antreibt. Das finde ich auch gut. Aber in meinem Fall, war es dann doch eher jemand wie Fellini, der mich auch noch beeinflusst hat."

Optisch überzeugte Joe Wright schon immer. Unvergessen sind sein 360-Grad-Schwenk über einen Strand voller Soldaten im Weltkriegsdrama "Abbitte" oder die Jagdszenen im endlosen, nordischen Eis in seinem eleganten Rachethriller "Wer ist Hanna". Als Kind und junger Mann war der Filmemacher Legastheniker, der kaum Bücher las. Jetzt nutzt er jede Literaturverfilmung als Möglichkeit, etwas über Literatur zu lernen. Und doch sprechen ihn Bilder mehr an als Worte. Seine cineastischen Wurzeln verortet er eindeutig in Europa:

"Ja! Ich fühle mich definitiv als ein Europäer. Ich drehe hier gerne und ich mag das europäische Kino. Ich habe in den USA einen Film, 'Der Solist' gedreht, das war keine besonders schöne Erfahrung. Ich fühle mich der europäischen Sicht der Dinge viel näher. Ich muss leider zu meiner Schande gestehen, dass ich außer Englisch keine weiteren Sprachen beherrsche und doch verstehe ich die deutschen, italienischen oder spanischen Gefühlswelten viel mehr, als die amerikanischen."

Zu Deutschland, vor allem zu Berlin, hat Joe Wright auch eine persönliche Beziehung. Er verbrachte hier sechs Monate während seiner Arbeit an "Wer ist Hanna". Er schwärmt von den deutschen Schauspielern, die ihm viel über die ehemalige DDR und das damalige Theaterleben dort erzählten. Das Theater und die Bühne faszinieren den Filmemacher schon länger. So schrieb er das Drehbuch zu "Anna Karenina" gemeinsam mit dem britischen Dramatiker Tom Stoppard. Das ähnelte zunächst mehr einer klassischen Literaturverfilmung, aber schon seit einiger Zeit wollte sich Joe Wright formal verändern. Zehn Wochen vor Drehbeginn, beschloss er: "Entweder ich gehe unter oder ich überlebe es, wenn ich den Sprung ins kalte, neue erzählerische Fahrtwasser wage". Es hat sich gelohnt. Mit seiner Mischung aus großem Kino auf einer sich permanent verändernden Bühne und einigen Außenaufnahmen wie beispielsweise Schlittenfahrten im Schnee erweist sich Joe Wright als ein Meister des formvollendeten Erzählens.

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