Oppositioneller syrischer Nationalrat fordert Waffen für den Widerstand

Sadiqu al-Mousllie im Gespräch mit Gabi Wuttke · 04.03.2013
Die Weltgemeinschaft müsse endlich Verantwortung übernehmen, meint Sadiqu al-Mousllie vom syrischen Nationalrat angesichts der vielen Toten in Syrien. Der syrische Widerstand müsse unterstützt werden, auch durch Waffenlieferungen.
Gabi Wuttke: Baschar Al-Assad rührt sich nicht vom Fleck, das hat er in der "Sunday Times" gerade unterstrichen, aber die Freunde des syrischen Volkes – bewegen sie sich vielleicht doch? Barack Obama und Wladimir Putin haben miteinander telefoniert; Waffen für die Opposition schließt der britische Außenminister nicht mehr aus; der deutsche Christdemokrat Philipp Mißfelder schließt sich ihm wiederum an, wider die offizielle Linie der Bundesregierung. Und "Der Spiegel" berichtet, die EU verstünde unter technischer Unterstützung womöglich mehr als Nachtsichtgeräte. Sadiqu Al-Mousllie lebt als Arzt in Braunschweig, hat sich dem Syrischen Nationalrat angeschlossen und auch schon vor einem Jahr hier im Deutschlandradio Kultur die Bewaffnung der Opposition gefordert. Einen schönen guten Morgen!

Sadiqu Al-Mousllie: Guten Morgen, Frau Wuttke!

Wuttke: Sehen Sie, dass sich etwas zugunsten der syrischen Opposition bewegt oder nicht?

Al-Mousllie: Im Großen und Ganzen haben sich die letzten paar Tage etwas positiver entwickelt als die letzten 300 Tage, denn man sieht schon, dass international eine, sag ich 'mal, höhere Akzeptanz da ist, um der syrischen Opposition dann doch zu helfen.

Wuttke: Was meinen Sie mit Akzeptanz?

Al-Mousllie: Ja, man hat am Anfang viele Zweifel geäußert, viele Hindernisse, sag ich mal, aufgebaut, natürlich aufgrund interner Regularien vielleicht in den einzelnen Ländern, aber auch natürlich, weil man nicht so ganz genau weiß, wie das auf dem syrischen Boden richtig aussieht. Ich möchte nicht sagen, dass es heute alles wunderschön ist für die syrische Opposition, absolut nicht, so ist das nicht, aber man hat auf jeden Fall eine positivere Entwicklung verzeichnen können.

Wuttke: Interpretieren Sie denn das, was ich eingangs erwähnte, so, dass es tatsächlich auch aus dem Westen in irgendeiner Form eine faktische Unterstützung der syrischen Opposition durch Waffen geben könnte?

Al-Mousllie: Wissen Sie, nach mittlerweile fast 24 Monaten von Revolution beziehungsweise Aufstand, Volksaufstand, der auch friedlich angefangen hat und trotzdem geschossen worden ist von dem Regime, nach 70.000 Toten mittlerweile – in den letzten zwei Wochen sind 400 Kinder getötet worden – nachdem auch dieses Regime mittlerweile die bewohnten Städte mit russischen Scud-Raketen beschießt, ist es schon an der Zeit, dass die Weltgemeinschaft 'mal der Verantwortung nachkommt, die Syrer zu beschützen. Dies beinhaltet, dass sie vielleicht Maßnahmen ergreifen an der syrisch-türkischen Grenze, aber auch vielleicht bestimmte Waffenqualitäten auch der Opposition zukommen lassen.

Wuttke: Verraten Sie uns, wie Sie sich darüber informieren, was in Syrien gerade los ist, und, das ist ja auch ganz wichtig im großen Zusammenhang des Themas, wie Sie sich über die Aktivitäten der unterschiedlichen Gruppen der Aufständischen in Syrien informieren?

Al-Mousllie: Also die Landkarte der syrischen Revolution zurzeit ist in der Tat für jemand, der nicht so die Einsicht hat, etwas kompliziert. Man kann aber durch bestimmte Kontakte sehr schnell auch die Zusammenhänge verstehen und weiß auch, dass zum Beispiel zurzeit der Norden Syriens, könnte man sagen, fast befreit ist bis auf einzelne, kleine Stützpunkte für das Regime. Natürlich, das Fehlen der Munition beziehungsweise der Druck, den die Opposition erleidet dadurch, dass da nicht die richtige Bewaffnung da ist, auch nicht die Leichtbewaffnung da ist, das macht die Sache, sag ich mal, gefährlicher für die Oppositionellen. Durch die Aktivisten, durch auch bestimmte Gesuche, Leute, die dann auch die Informationen nach außen bringen, man kann auch sagen, wirklich, dass die Syrer ein hervorragendes Netzwerk aufgebaut haben innerhalb der Städte. Sogar in Damaskus, wo auch jetzt, sag ich mal, die Hauptstadt wirklich nicht mehr so weit ist von den Oppositionellen …

Wuttke: Und wie haben Sie an diesem Netzwerk teil?

Al-Mousllie: Ja, das ist durch – natürlich, meine Aktivität als Nationalratsmitglied und auch vorher als Aktivist gegen dieses Regime, baut man dieses Netzwerk und hat man dann diese Verbindungen überall ins Land.

Wuttke: Was können Sie uns denn über die Gruppierungen sagen, vor denen die internationale Gemeinschaft, die Freunde des syrischen Volkes zurückschrecken, weil sie Angst vor Waffen in den Händen von Islamisten haben?

Al-Mousllie: Also ich kann natürlich die Ängste verstehen, die die Weltgemeinschaft hier natürlich äußert. Aber ich kann auch versichern, meinen Informationen nach, dass diese Gruppierungen, vor denen sie Angst haben, sind wirklich ein verschwindender kleiner Teil der syrischen Opposition sind. Die syrische Bevölkerung ist seit eh und je eine Bevölkerung, die zusammengelebt hat, die nicht an Denkstrukturen, radikale Denkstrukturen glaubt. Ich meine auch, dass diese radikale Denkstruktur eine eckige Denkstruktur ist, die nicht in den syrischen Köpfen reinpasst. Und selbst wenn so etwas ist, wird die Zukunft zeigen, dass das nicht möglich ist, dass das radikalisiert wird innerhalb der syrischen Bevölkerung. Ich meine, dass diese Angst etwas übertrieben ist, und man sollte wirklich nicht so lange warten, damit diese Angst nicht wirklich wahr wird.

Wuttke: Aber die Opposition spricht nicht mit einer Stimme. Es wird Gründe haben, warum am Wochenende kein Ministerpräsident für eine syrische Übergangsregierung gewählt wurde, oder?

Al-Mousllie: Die Konferenz in Rom hat gezeigt, dass es doch vielleicht eine positivere Entwicklung gibt. Die Ernennung eines Ministerpräsidenten innerhalb der Opposition würde dann eigentlich bedeuten, dass man jetzt eine Übergangsregierung über bestimmte Gebiete gibt, und das würde alle Wege einer, ich sage mal so, einer Übertragung der Autorität in Damaskus auf die Opposition ja jetzt erschweren. Denn da hätte man zwei Regierungen einander gegenüber, und man wollte das in dieser Richtung jetzt nicht so weit treiben. Es ist nicht der Grund dafür, dass die Opposition innerhalb der Koalition nicht mit einer Stimme spricht, denn es gab bis zu einer gewissen Grenze schon eine einheitliche Meinung darüber. Man verschiebt das aber taktisch, mehr als eigentlich, sag ich mal, grundsätzlich.

Wuttke: Sadiqu Al-Mousllie, engagiert im sogenannten Syrischen Nationalrat, mit Einblicken in das syrische Oppositionsnetz. Ich danke Ihnen für die Erläuterungen, besten Tag!

Al-Mousllie: Bitte schön, danke!

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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