Oper

Rebell und Kosmopolit

Der Regisseur Dmitri Tscherniakow bei in der Staatsoper Unter den Linden Berlin während der Proben zur Oper "Der Spieler".
Der Regisseur Dmitri Tscherniakow bei der Proben der Oper "Der Spieler" in Berlin © dpa / picture alliance / Claudia Esch-Kenkel
Von Sonja Kloevekorn · 05.02.2014
Der 1970 in Moskau geborene Dmitri Tcherniakov gehört zu den gefragtesten Opernregisseuren weltweit. In dieser Saison inszeniert er drei große Stücke auf drei großen Bühnen. Unsere Autorin hat ihn in Berlin getroffen.
Samstagvormittag in einem Hotelcafé am Gendarmenmarkt. Ein Team aus Fotograf, Assistentin; Visagist, Journalistin und Dolmetscherin wartet auf Dmitri Tcherniakov, der an einem Nachbartisch frühstückt. Er wirkt etwas müde, hat einen Dreitagebart, dazu trägt er eine zerrissene Jeans, T-Shirt und Lederjacke.
Tcherniakov: "Hallo."
Fotograf: "Hallo."
Tcherniakov: "Sorry for waiting."
Fotograf: "No Problem."
Tcherniakov:"What's your name?"
Fotograf: "Peter."
Tcherniakov: "Dmitri."
Dmitri Tcherniakov nimmt sich nach jeder Frage ein paar Sekunden Zeit, bevor er sehr professionell aber auch persönlich antwortet. Auf die Frage, ob er mit dem großen Erfolg bei der Berliner Premiere von "Die Zarenbraut" gerechnet hätte, zögert er kurz und erinnert sich dann an seine erste Premiere vor acht Jahren:
"Beim Schlussapplaus, fing die eine Hälfte des Publikums an mich auszubuhen, wobei die andere Hälfte begann, Bravo zu rufen. Daniel Barenboim führte mich an der Hand zur Bühnenrampe, wo wir lange standen, als wollte er, dass die Buhrufe verstummen. Ich stand da wie ein Opferlamm. Seitdem habe ich ein dickes Fell bekommen und bin auf alle möglichen Reaktionen eingestellt. Dass die Reaktion jetzt so positiv war, hat mich sogar ein wenig enttäuscht."
Die mediale Inszenierung der Politik
Dmitri Tcherniakov mag es kontrovers, wie in seiner Inszenierung "Die Zarenbraut", in der Zar Iwan der Schreckliche eine Animationsfigur ist, eine Marionette des von seiner Leibgarde geführten Medienimperiums. Empfindet er das so, dass Politik immer mehr zur massenmedialen Inszenierung wird?
"Die Tatsache, dass die Politik immer mehr einer Inszenierung ähnelt, entspricht der Wahrheit - und nicht nur in weniger demokratischen Regimen, sondern auch in Vorzeigedemokratien."
Obwohl Tcherniakov eine große Vorliebe für die russische Oper hat und sich auch sehr bemüht, sie durch seine Arbeiten in der westlichen Welt populär zu machen, bewertet er die Idealisierung der russischen Kultur durch die russischen Medien kritisch.
"Der Ruf nach mehr Respekt für die russische Geschichte und Kultur wird auch als Gehirnwäsche benutzt. Immer, wenn gerade wieder einmal eine neue Ideologie zusammengebaut wird, dann erinnern sie uns in Russland an die Goldenen Zeiten."
Für die Oper begeistert sich der 1970 in Moskau geborene schon seit seiner Kindheit. Und das, obwohl seine Eltern aus dem wissenschaftlich-technischen Hintergrund kommen. Als Kind spielte er vier Jahre lang Geige, was ihn seiner Meinung nach in seinem Berufswunsch aber nicht beeinflusst hat.
"Ich wusste einfach schon immer, dass ich genau damit mein Leben lang verbunden sein werde. Woher ich das wusste, das weiß ich auch nicht, aber genauso ist es gekommen und bis heute bin ich mir selbst treu geblieben: Ich bin weder nach links noch nach rechts abgebogen."
Zwischen Berlin, Mailand und New York
Momentan bereitet sich Dmitri Tcherniakov sehr intensiv auf seine nächsten Projekte in Mailand und New York vor. Der Regisseur, der auch die Bühnenbilder für seine Inszenierungen selber entwirft, hat alle Hände voll zu tun. Mehr als 20 Opern hat der jetzt Anfang 40-Jährige inszeniert. Da ist es gar nicht so einfach, die Arien und Rezitative nach dem Ende einer Regiearbeit wieder aus dem Kopf zu bekommen.
"Heute Morgen habe ich bereits eine ganze Stunde den Jazzpianisten Petruccanni gehört. Kennen Sie ihn? Ich wollte die Leitmotive von Maljuta und Grjasnoi aus meinem Kopf kriegen. Es fühlt sich an, als ob sie mir von innen mit einem Baseballschläger gegen den Schädel hämmern. Nach einer Premiere versuche ich die Musik so schnell wie möglich zu vergessen."
Über seine zukünftigen Projekte spricht der Vollprofi nicht. Fragen zu Starsolisten oder zu neuen Ideen wehrt er bestimmt aber sympathisch ab. Da ist er abergläubisch.
"About Traviata I can't say anything, because it's not ready. It's not good. I'm very very ... I'm full of suspicion! (Lacht)"
Diese Saison ist für den Regisseur die bisher Herausforderndste. Er inszeniert drei große Stücke auf drei großen Bühnen und betreut zusätzlich noch zwei Wiederaufnahmen auf ebenfalls bedeutenden Bühnen. Bleibt da noch Zeit für so etwas wie ein Privatleben?
"In dieser Saison gibt es zwischen den Stücken einfach keine Luft: Zehn Tage und dann beginne ich von vorne. Ich hoffe, dass ich ab nächster Saison auch wieder ein Leben führen kann. Leben und Arbeit – ich bewege mich permanent zwischen diesen beiden Polen hin und her."
Nach dem Interview fährt die Crew im Fahrstuhl ins oberste Stockwerk des Hotels. Das Set auf der Dachterrasse ist fertig. Der Regisseur wird gepudert und frisiert. Das Fotoshooting kann beginnen.
Fotograf: "Alright? Okay, very good!"